Sonstiges: Das Wunder von Leverkusen – Toulouse-Hinspiel – 35 Jahre danach

Das Spiel mit dem größten Gänsehaut-Feeling meiner Karriere. Erst getoppt im Jahre 2009 durch die rote Wand im Berliner Olympiastadion anlässlich des Pokalendspiels gegen Werder Bremen.
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In der Bundesliga zeigen wir im Oktober 1987 wieder mal unser faltiges, müdes Gesicht. Nachdem wir zu Hause Kaiserslautern 2:0 geschlagen haben, verlieren wir in Bochum sang und klanglos 1:3. Mit einem schlechten Vollborn und einer schlechten Mannschaft. Das nächste Heimspiel gegen Bayer 05 Uerdingen endet „leistungsgerecht“ 0:0. Zitat Kicker: „Mit gellenden Pfiffen und „Aufhören“ – Rufen verschafften die 7.500 Zuschauer ihrem Unmut Luft nach einer Begegnung, die kaum einmal Bundesliga-Niveau aufwies.“

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Am 21. Oktober 1987 findet das Spiel in Frankreich statt. Toulouse ist die viertgrößte Stadt Frankreichs - gelegen am Fluss Garonne. Der Südfranzose an sich gilt als enthusiastisch und begeisterungsfähig, wie sehr, das war mir bis zu diesem 21. Oktober 1987 nicht bewusst. Anpfiff 20:30 Uhr. Eine unglaubliche Lautstärke hallt uns entgegen, als wir aus der Kabine in Richtung Spielfeld gehen. Der Einmarsch erfolgt von der Eckfahne. Ruhig gehen beide Mannschaften in Richtung Mittellinie, getragen von einem Fahnenmeer in Lila und Weiß. Fast 40.000 Zuschauer veranstalten ein unglaubliches Spektakel. Mit Singen, Schreien, Fanfaren und Pyro. Es ist einfach fantastisch. Die Zuschauer singen 90 Minuten lang Lieder, feuern an und applaudieren. In diesem Hexenkessel erkämpfen wir im wahrsten Sinne des Wortes ein 1:1. Eine geschlossene Mannschaftsleistung ist nötig, um dieses Ergebnis herauszuarbeiten.

„Das hat sehr viel Spaß gemacht hier zu spielen.“ – Wolfgang Rolff

„In so einem Hexenkessel macht das Spielen einfach Spaß. Da wird man von der Atmosphäre angesteckt. Der Funke der Begeisterung springt von den fantastischen Fans auf den Spieler über.“ – Florian Hinterberger

„Mittwochabend 20:30 Uhr in Toulouse. Stadion „Municipal“, direkt am Fluss Garonne gelegen. Großkampfstimmung, fast 40.000 Fußballfans erwarten die beiden Mannschaften im UEFA-Cup-Spiel FC Toulouse und Bayer 04 Leverkusen. Das Stadion ganz in „violett“ und „weiß“ getaucht. Ein Fahnenmeer, dazu Feuerwerk und grenzenloser Jubel – italienische Verhältnisse nahe der spanischen Grenze. Doch die Fans sind diszipliniert. Trotz der hohen Eintrittspreise (bis 100,- DM) und einer kleinen Krise der Mannschaft in der laufenden französischen Meisterschaft wird der FC Toulouse pausenlos angefeuert. Auch gute Aktionen des Bayer 04-Teams werden spontan mit Beifall bedacht. Wir staunen. Man stelle sich einmal vor: Bayer 04 stünde kurz vor Spielende im heimischen Haberland-Stadion vor einem Punktverlust. Viele Besucher hätten die Arena längst verlassen, dicke Flüche auf den Lippen. Nicht so in Toulouse. Kein Fahnenverbrennen, artiger Beifall, Hände schütteln mit uns deutschen Fans und neidloses Anerkennen der Bayer 04-Leistung. Wir waren tief beeindruckt. Da kann man nur sagen: „Es gibt sie, die Fans mit Profil.“ Leserbrief von W. Reich aus dem Stadionkurier.

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Es haben sich ein Bus und ein paar PKWs, besetzt mit ca. 30 Bayer 04-Fans, auf den Weg in den Süden Frankreichs gemacht. Nach über 10 Stunden Fahrt und über 1000 Kilometer sitzen in einem Block mit den Toulouse-Anhängern, heute leider nicht mehr vorstellbar. Aber wie der Kurzbericht von Herrn Reich zeigt, es hat sich gelohnt.

Aber zurück zum Spiel. Die Franzosen beginnen wie die Feuerwehr. Aggressiv und teilweise überhart attackieren sie uns auf dem ganzen Spielfeld. Von Minute zu Minute werden wir ruhiger und abgeklärter. In der 34. Minute gewinnt Cha ein Kopfballduell im Mittelfeld, Rolff nimmt den Ball auf und passt in den Lauf von Schreier, der knallhart aus 14 Metern den Ball in den Winkel schießt. In der zweiten Halbzeit haben wir noch eine große Chance durch Cha, aber er schießt über das Tor. Die Franzosen versuchen zwar alles, aber unsere Defensive steht sattelfest. Erst in der 70. Minute bekommen sie nach einem Foul von Falko Götz einen Elfmeter zugesprochen und verwandeln diesen sicher zum Ausgleich. Gegen Ende des Spiels haben wir noch eine Riesenchance durch Falkenmayer, aber er trifft nur den Außenpfosten. Nach dem Spiel sind sich alle einig, 1:1 ist besser als 0:0. Und wir können das wirklich schaffen. Aber eins nehmen wir alle mit: So eine fantastische Stimmung möchten wir in unserem Stadion auch mal. Christian Schreier formulierte es so: „Jetzt müssen wir aber für das Rückspiel etliche Freikarten verteilen, dass bei uns im Ulrich-Haberland-Stadion auch mal was los ist …!“ Das Rückspiel vom 4. November betrachte ich im nächsten Monat.

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