Am 3. Mai 1988 beziehen wir unser Quartier in Barcelona im „Princesa Sofia“. Im 14. Stock stehen zwei Wachposten vor dem Fahrstuhl und lassen keine ungebetenen Gäste in unsere Etage. Abends dürfen wir nicht im Stadion von Espanyol trainieren. Das „Sarria“ wurde nicht für uns geöffnet, denn der Rasen soll geschont werden, sagt Javier Clemente, Trainer von Espanyol. So kommen wir zum zweiten Mal in den Genuss, auf der Anlage des FC Barcelona zu trainieren. Ein Trainingsplatz direkt neben dem kleinen Stadion der zweiten Mannschaft, ganz normales Training ohne große Besonderheiten. Die Anspannung steigt langsam. Abends noch was essen und dann in Ruhe schlafen.
Am späten Nachmittag des 4. Mai trinken wir Kaffee, haben unsere Mannschaftssitzung und ziehen uns noch für ein paar Minuten auf unsere Zimmer zurück. Während der Busfahrt zum Stadion ist es extrem leise. Jeder ist in sich gekehrt und mit der eigenen Nervosität beschäftigt. Alle merken, dass es heute etwas Besonderes ist und als wir im Stadion ankommen, spüren wir, dass es auch für die Spanier ein großes Ereignis ist. Das alt-ehrwürdige, heute nicht mehr existierende Stadion „Sarria“ hat sehr steile Tribünen, und die Fans sind unglaublich laut. Die Kabine wirkt schmuddelig und man kommt durch eine enge Tür direkt auf den Platz. Der Geräuschpegel dringt von draußen in unsere Kabine. Nach dem Aufwärmen setze ich mich entspannt mit Handtuch über dem Kopf auf meinen Platz und versuche, in mich zu gehen. Dann gibt es noch ein paar abschließende Worte unseres Trainers und dann geht es raus in die „Hölle von Sarria“.
Christian Schreier ist leider nicht rechtzeitig fit geworden. Peter Zanter ist verletzt, Erich Seckler gesperrt, Falko Götz und Herbert Waas sind angeschlagen. Waas spielt von Anfang an, Götz muss in der 18. Minute für Bum-kun Cha aufs Feld, der sich leider verletzt hat. Das Spiel beginnt gut für uns. Wir sind mutig, ohne große Chancen herauszuspielen. Wir verteidigen gut und lassen nur eine Torchance zu. Espanyol spielt nicht spanisch, sie bevorzugen den englischen Stil. Immer wieder lange Bälle und Kopfballduelle zwischen Alois Reinhardt und Losada, dem spanischen Mittelstürmer. Die ins Halbfeld tropfenden Bälle versuchen sie sich dann zu erarbeiten und auf dem direkten Weg zum Torerfolg zu kommen – ohne Schnörkel und ohne Tiki-Taka. Unsere Taktik geht auf. Wir haben die Lufthoheit, meine Vorderleute putzen alles weg, was in den Strafraum kommt, sowohl Bälle als auch Gegner. Bis zur 44. Minute. Falko Götz grätscht an der Außenlinie, Soler setzt sich gegen ihn durch, flankt scharf und hoch nach innen und Losada köpft den Ball an die Unterkante der Latte ins Tor: 1:0 – Espanyol und das fanatische Publikum toben. Dann ist Halbzeit. Ruhe, Ruhe, Ruhe, alles im Lot, nichts verloren, nichts passiert! Wir haben noch keins unserer internationalen Spiele verloren, also warum sollte das heute anders sein.
Wieder auf dem Platz, dauert es gerade mal vier Minuten, bis Soler mir aus zehn Metern Entfernung den Ball neben den Pfosten ins Tor jagt, 2:0. Das Stadion wird zum Tollhaus. Wir schauen uns bedröppelt an. Und nu? Was tun? Alles versuchen, um ein Tor zu schießen. Aber es kommt leider noch schlimmer. In der 57. Minute vertändelt Florian Hinterberger den Ball und Valverde jagt die Kugel in Grasnarbenhöhe vor das Tor. Losada macht einen Flugkopfball und es steht 3:0. Danach sind die Fans der Spanier kaum noch zu halten, sie rasten förmlich aus und feiern schon ab der 60. Minute den Gewinn des UEFA-Pokals. Die Mannschaft spielt das Spiel noch runter, und wir versuchen krampfhaft, einen Mittelweg zu finden zwischen „bloß irgendwie ein Tor schießen“ und „hoffentlich keins mehr kriegen“. Hätte Espanyol unsere Verunsicherung an diesem Tag ausgenutzt, wäre es nie zu einer Chance im Rückspiel gekommen.
Unsere Emotionen, unsere Leidenschaft und unser Kampfgeist sind weg. Mit leerem Blick gehen wir vom Platz, lautlos unter die Dusche und schleppen uns kraftlos zum Bus. Wie konnte das geschehen? Nach 14 Spielen ohne Niederlage im UEFA-Pokal gibt es nun diesen Schlag, 90 Minuten lang völlig chancenlos. Gegen einen Gegner, der seine Chancen eiskalt nutzt, gegen ein Publikum, das enthusiastisch seine Mannschaft unterstützt und gegen uns selbst. Man kann nicht beschreiben, was in einem nach so einem Spiel vorgeht. Für mich bricht eine Welt zusammen. Alles, wofür ich in den letzten Monaten gelebt, trainiert und gespielt habe, ist verloren. Der Traum, MEIN Traum, ist geplatzt.
Wir nehmen unseren Platz im Flugzeug ein, mit uns fliegen Journalisten und VIP-Gäste. Es herrscht Schweigen, tiefes Schweigen. Dann nimmt unser Trainer Erich Ribbeck das Bordmikrofon in die Hand und wendet sich an alle Fluggäste, sowohl an Spieler als auch an Fans und Journalisten: „Jeder Spieler wird nochmal alles geben. Wir werden versuchen, das Unmögliche doch noch möglich zu machen.“
„Blablabla“, denke ich. Wie soll das denn noch zu drehen sein? Als wir in Köln/Bonn gelandet sind, gehen wir in unseren Bus. Ich weiß nicht, wer der Initiator ist, aber auf jeden Fall versammelt sich die komplette Mannschaft im hinteren Teil unseres Mannschaftsbusses. Dort haben wir eine große Sitzecke, der Rest verteilt sich auf die hintersten Sitzreihen. Das Thema ist klar und der Tenor auch. „Das kann es nicht gewesen sein. Wir haben uns nicht das ganze Jahr von Runde zu Runde gekämpft, um kurz vor Toresschluss so erbärmlich zu scheitern.“ Zu Hause finde ich wenig Schlaf.
Am nächsten Morgen gehe ich dann auch völlig übermüdet zum Training. Ich setze mich auf meinen Platz, ziehe meine Schuhe aus und schaue kurz auf unsere Kabinenuhr an der Wand. Diese Uhr hängt schon seit Jahren in unserer Kabine und hat den Umzug von der alten Tribüne in die Container mitgemacht. Die Container beherbergen uns ja wegen des Umbaus momentan und dienen als Umkleidekabinen auch für Gegner und Schiedsrichter. Neben der Uhr hängt ein Zettel, auf dem steht: „Nur noch 13 Tage“. Ich sehe und lese den Zettel, erfasse aber nicht den Sinn. Nächster Tag, Freitag, 6. Mai, mittags vor dem Spiel in Hamburg. Abschlusstraining, Kabine. Ich setze mich, schaue auf die Uhr und sehe wieder diesen Zettel, die „13“ ist durchgestrichen, daneben steht jetzt „12“ – „Nur noch 12 Tage“. Jetzt habe ich verstanden. Diese Prozedur wiederholt sich jetzt jeden Tag. Mal wird ein neuer Zettel geschrieben, mal die alte Zahl durchgestrichen und durch die nächste ersetzt. Systematisch wird bis zum Rückspiel des Finales runtergezählt. Es kommt nie heraus, wer das alles instruiert hat, die Vermutung ist: unser Masseur Dieter „Tscholli“ Trzolek gemeinsam mit Tita. Beweisen kann es niemand und zugegeben hat es auch keiner, beide haben, darauf angesprochen, immer nur gegrinst.
Das nächste Bundesligaspiel gegen den HSV verlieren wir mit 2:3. Am Dienstag, 10. Mai, haben wir ein Nachholspiel gegen den VfB Stuttgart. Wir gewinnen mit 2:1. Das Wichtigste an diesem Spiel ist die Einweihung unserer neuen, sehr großen Anzeigetafel. Samstags dann noch ein 2:2 in Dortmund. Und genauso wie ich hier über die beiden Spiele schreibe, genauso wichtig waren sie uns. Nämlich gar nicht.
Claus-Dieter, genannt „Pele“, Wollitz wird am 19. Juli 1965 in Brakel geboren. Bereits im Alter von sechs Jahren bekommt er seinen Spitznamen nach dem brasilianischen Weltstar, weil er schon als Kind den Ball lange hochhalten kann. Was am Anfang nur als Gag gemeint war, wird ihn sein Leben lang begleiten. Jeder Fußball-Fan verbindet mit dem Namen Wollitz gleichzeitig seinen Spitznamen: Pele.
Mehr zeigenJosé Roberto da Silva Junior, kurz Zé Roberto, wird am 06. Juli 1974 in der brasilianischen Stadt Sao Paulo geboren. Mit sieben Jahren kickt er bei der Fußballschule Pequeninos de Joquey, was auf deutsch „Joqueys Kleine“ heißt. Über den Verein Palestra Sao Bernardo kommt der Linksfuß zum Profiverein Portuguesa de Desportos, bei dem er 1994 sein Debüt feiert.
Mehr zeigenNach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga hat Fußballobmann Hermann Büchel alle Hände voll zu tun, um eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Zum Trainingsauftakt am 14. Juli 1975 im Ulrich-Haberland-Stadion tummeln sich neun Neuzugänge, darunter fünf Spieler, die 1979 zur Stammelf der Aufstiegsmannschaft in die 1. Bundesliga gehören werden.
Mehr zeigenNach dem Erfolg des Vorjahres veranstaltet der Turn- und Spielverein Leverkusen zum zweiten Mal die „Wiesdorfer Sportwoche“ (die Stadt Leverkusen wird erst 1930 gegründet). Die Sportwoche nimmt am Sonntag, den 12. Juli 1925, ihren Anfang. In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg gibt es sogenannte städtische Turn- und Spielfeste. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Vereins 1924 haben der Vorstand und viele helfende Hände diese Sportwoche ins Leben gerufen. Aus dem internen städtischen Spielfest hat sich eine nationale Veranstaltung entwickelt, die sich besonders wegen ihrer Eigenart als Staffel schon nach einem Jahr einen Namen gemacht hat.
Mehr zeigenDer am 17. November 1973 in Jena geborene Bernd Schneider verbringt seine Jugendjahre noch in der DDR. Seine ersten Schritte mit dem Ball am Fuß macht er für die beiden Jenaer Vereine BSG Aufbau und FC Carl Zeiss, dem größten Klub seiner Heimatstadt. In den Neunzigern spielt er sechs Jahre lang in der 2. Bundesliga. Bernd Schneider sticht als feiner Dribbler hervor, dem seine Herkunft als Straßenfußballer immer anzumerken ist. Dazu passt auch sein Spitzname „Schnix“, der aus der thüringischen Mundart kommt: „Schnixeln“ ist dort ein Synonym für Dribbeln, gut mit dem Ball umgehen können. Nach Jenas Abstieg 1998 geht Schnix den umgekehrten Weg. Aufsteiger Eintracht Frankfurt holt ihn in die Bundesliga. Das Intermezzo dort währt allerdings nur ein Jahr.
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