Mit Vollgas auf der Überholspur

Sie hatten reichlich Grund zum Jubeln im vergangenen halben Jahr: Leon Bailey und Kevin Volland erzielten zusammen 15 von insgesamt 34 Bundesligatoren der Werkself und bringen es gemeinsam auf 21 Scorerpunkte. Keine Frage, die beiden Offensivkräfte zählen zu den Erfolgsgaranten bei Bayer 04 in dieser Saison.
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Vor knapp einem Jahr dürfte der Name Leon Bailey bei den meisten Fußballfans nur ein Achselzucken hervorgerufen haben. Einige europäische Topklubs hingegen hatten schon damals die Fühler nach ihm ausgestreckt. Gut, dass Bayer 04 schließlich das Rennen um ihn machte. Denn heute ist Leon Bailey in aller Munde. Für die Medien ist der 20-Jährige wahlweise der „Karibik-Kicker“, die „Jamaika-Rakete“, der „Alleskönner“ oder der „Usain Bolt der Bundesliga“. Wie auch immer: Leon Bailey hat sich vom vielversprechenden Talent zu einem der besten Bundesligaspieler dieser Saison entwickelt. Und das in der selben atemberaubenden Geschwindigkeit, mit der er auf dem Platz an seinen Gegenspielern vorbeirauscht.

Im Januar 2017 verpflichtete Bayer 04 den in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston geborenen Bailey vom belgischen Erstligisten KRC Genk. Der damals 19-Jährige unterschrieb einen Vertrag bis 2022 und brauchte zunächst eine gewisse Eingewöhnungszeit. Über Kurzeinsätze kam er in der Rückrunde der Saison 2016/17 meist nicht hinaus. Auch unter Heiko Herrlich dauerte es bis zum sechsten Spieltag, ehe der Jamaikaner zündete. Und wie!

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Beim 3:0 gegen den Hamburger SV bereitete Bailey zwei Treffer vor. Eine Woche später erzielte er beim 1:1 auf Schalke sein erstes Saisontor. Seitdem stand der Stürmer fast immer in der Startelf - nur beim 1:0 in Frankfurt musste er wegen eines Infektes pausieren. Und im letzten Hinrundenspiel bei Hannover 96 gönnte ihm Heiko Herrlich eine kleine Pause, brachte Bailey erst zur zweiten Halbzeit. Kaum auf dem Platz, traf der Joker zum 3:3 und legte wenig später das zweite Tor zur zwischenzeitlichen 4:3-Führung der Werkself nach. In diesen zwölf Ligaspielen seit Hamburg war Bailey an elf Toren beteiligt. Sechs Treffer erzielte er selbst, fünf bereitete er vor. Im Pokal schoss er Bayer 04 mit seinem entscheidenden Tor beim 1:0 in Mönchengladbach ins Viertelfinale. „Ich versuche der Mannschaft zu helfen und so viel wie möglich zu lernen“, sagt er bescheiden. „Ich bin dankbar dafür, dass es so gut klappt und mich die anderen einen so wichtigen Teil des Spiels sein lassen.“

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Er ist eine Waffe und hat brutale Qualitäten im Spiel nach vorne, arbeitet aber auch gut nach hinten

Die anderen - das beinhaltet natürlich auch und vor allem Heiko Herrlich. Der Bayer 04-Coach schenkte seinem Wirbelwind das Vertrauen und sagt heute: „Er ist eine Waffe und hat brutale Qualitäten im Spiel nach vorne, arbeitet aber auch gut nach hinten. Leon ist sehr aufmerksam und wissbegierig und versucht im Training alles, was von ihm verlangt wird, sofort umzusetzen.“ 

Es ist erstaunlich, wie Bailey sein explosives, technisch brillantes und zielgerichtetes Offensivspiel mit verlässlicher, fleißiger und taktisch intelligenter Defensivarbeit zu verbinden weiß. Denn er ist im Spielsystem von Heiko Herrlich meist Flügelstürmer und Linksverteidiger in einer Person. Ja, er verzückt die Fans mit seinen Tricks, Übersteigern und Tempodribblings. Aber Bailey ist alles andere als ein Spieler für die Galerie. Denn hinter dieser scheinbaren Leichtigkeit des Seins und der wilden Kreativität des Künstlers stecken vor allem harte Arbeit, Disziplin und ein starker Wille. Bailey selbst formuliert es so: „Enjoy ist wichtig. Du musst das Publikum unterhalten, dafür kommen die Fans doch. Aber im Kopf bin ich seriös.“

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Ernsthaftigkeit und Draufgängertum müssen eben keine Gegensätze sein. „Bemerkenswert, dass ein Spielertyp wie er nicht egoistisch ist, sondern immer für die Mannschaft arbeitet und das Auge für den Nebenmann hat“, lobt Sportdirektor Rudi Völler. Für den Kölner Stadt-Anzeiger ist aus Bailey „einer der spektakulärsten Fußballer der Bundesliga und ein Versprechen für die Zukunft geworden“. Im Fachblatt „Kicker“ hat der Jamaikaner sogar den besten Notendurchschnitt aller Bundesligaspieler. „Hut ab vor dem Jungen. Ich hoffe, dass er weiter so Gas gibt“, sagt Bernd Leno über seinen Mannschaftskollegen.

Ordentlich aufs Pedal gedrückt hat in der Hinrunde auch Kevin Volland. Der 25-jährige Stürmer, der in seinem ersten Jahr unterm Bayer-Kreuz noch arg vom Verletzungspech verfolgt war, ist mit neun Treffern der aktuell erfolgreichste Torschütze der Werkself. Sein Hammer-Tor zum 1:0 gegen Freiburg (Enstand 4:0) leitete nicht nur den ersten Saisonsieg von Bayer 04 ein, sondern ließ auch bei Volland den Knoten platzen. Er hatte einfach draufgehalten aus 20 Metern, den Ball perfekt getroffen, der unhaltbar für SCF-Keeper Schwolow im Winkel einschlug. Das Tor war eine Art persönlicher Dosenöffner für Volland. Im selben Spiel legte er gleich noch einen Treffer nach. Und auch im nächsten Heimspiel gegen Hamburg (3:0) traf die Nummer 31 der Werkself doppelt.

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Es läuft ganz gut für mich

Dass Bayer 04 seit zwölf Ligaspielen ungeschlagen ist, hat viel mit Volland zu tun. Keine Frage, mit seiner Schnelligkeit, seiner überragenden Schusstechnik und seinem Instinkt zählt er schon lange zu den Top-Offensivkräften der Liga. In der Hinrunde netzte er aber auch mit einer Kaltschnäuzigkeit und Konstanz ein, die beeindruckend ist. Viermal in Folge erzielte Volland von Anfang November bis Anfang Dezember extrem wichtige Tore in den Spielen gegen Augsburg (1:1), Leipzig (2:2), Frankfurt (1:0) und Dortmund (1:1). 

„Es läuft ganz gut für mich“, sagt der Nationalspieler mit einigem Understatement und will den eigenen Anteil am Erfolg des Teams nicht so hoch hängen. „Wir sind schließlich die Mannschaft mit den meisten Torschützen in der Liga. Zu Beginn der Saison waren wir noch ein bisschen verunsichert. Aber dann hat es irgendwann Klick gemacht. Wir haben wieder mehr Kontrolle über die Spiele und wollen unbedingt gewinnen. Unsere Serie kommt nicht von ungefähr.“

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Das Vertrauen des Trainerteams sei für jemanden wie ihn besonders wichtig, so Volland. „Es harmoniert einfach alles sehr gut. In dieser Mannschaft macht es mir riesigen Spaß.“ Er selbst ist nicht mehr wegzudenken aus dem Team. Ob als hängende Spitze, Mittelstürmer oder auf beiden Außenpositionen - Volland ist in der Offensive überall einsetzbar. Wie wichtig er für Heiko Herrlich ist, zeigt ein Blick auf die Statistik: Von 19 Pflichtspielen bestritt Volland 17 und stand in sämtlichen dieser Partien in der Startelf. Nur im Pokal gegen Union Berlin fehlte er verletzt. Und beim finalen Hinrundenspiel in Hannover gönnte ihm der Cheftrainer eine Pause. Zweifellos darf Volland sich angesichts seiner bestechenden Form auch durchaus noch berechtigte Hoffnungen auf eine WM-Teilnahme machen. „Klar, die Konkurrenz ist groß im deutschen Team, aber Russland ist schon ein Traum, den ich noch nicht abgeschrieben habe“, sagt der Nationalspieler, der bislang zehn Länderspiele für Deutschland bestritt.

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Seine sportlichen Perspektiven sind in jedem Fall vielversprechend. Und auch privat läuft alles bestens für den gebürtigen Allgäuer aus Marktoberdorf. Im Juni heiratete er seine langjährige Freundin Katja, bald erwarten die beiden Nachwuchs. Während Teamkollege Leon Bailey sich über den Jahreswechsel auf Sonne, Strand und Meer in seiner Heimat Jamaika freut, zieht es Volland in dieser Zeit zurück zur Familie ins Allgäu.

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Beide werden die Zeit nutzen, um abzuschalten, aufzutanken, vielleicht nochmal das ereignisreiche vergangene halbe Jahr Revue passieren zu lassen. Und sie hätten sicher nichts dagegen, wenn 2018 ähnlich erfolgreich wird, wie 2017 aufgehört hat.

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