Geschichte: Vor 45 Jahren – Aufstiegssaison 1978/79 (November)

25:1 Punkte nach 13 Meisterschaftsspielen sind für eine Fußballelf fast wie ein Wunder. Wenn die direkten Verfolger auch noch sieben und acht Punkte Rückstand haben und kaum noch Anschluss halten können, scheint Euphorie über so viel Souveränität angebracht. Anfang November haben sich vor allem die Bayer 04-Fans der für sie ungewohnten Lage angepasst und träumen unverblümt vom Aufstieg in die Bundesliga. Sachlichkeit, Zurückhaltung und gebremste Begeisterung verbreiten eigentlich nur die Betroffenen selbst.
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„Die großen Bewährungsproben stehen der Mannschaft erst noch bevor“, dämpft Trainer Willibert Kremer jedweden Jubel. Und weiter: „Der Monat November wird für uns zur schweren, vielleicht entscheidenden Prüfung. Die Begegnungen mit Preußen Münster, Alemannia Aachen und dem Namensvetter aus Uerdingen haben richtungsweisenden Charakter. Wenn wir vier oder fünf Punkte aus den nächsten drei Spielen einfahren, dann darf man uns tatsächlich als Favoriten bezeichnen.“

Am 4. November 1978 geht es nach Münster. Dort im Preußenstadion erwarten 25.000 Zuschauer ein heißes Spitzenspiel. Und es wird eine Schlacht. In einer überhart geführten Partie, in der sich beide Mannschaften nichts schenken, muss Schiedsrichter Redelfs durchgreifen. Als erstes erwischt es Trainer Willibert Kremer, der völlig erbost nach einem Foul an Mittelstürmer Peter Szech auf den Platz stürmt und den Innenraum verlassen muss.

Selbst nach dem Spiel ist der sonst so besonnene Bayer 04-Coach so erregt, dass er seinen Co-Trainer Gerd Kentschke zur Pressekonferenz schickt. Den ersten Rausschmiss nehmen die Zuschauer noch leicht amüsiert zur Kenntnis. Doch als der Unparteiische nacheinander die Leverkusener Norbert Ziegler und Hans-Jürgen Scheinert sowie dazu noch die Münsteraner Krekeler und Fuchs mit der Roten Karte vom Platz schickt,  kocht die Stimmung im Stadion und auf dem Feld über. Wie vergiftet die Atmosphäre von Beginn an ist, zeigt der Wurf einer Bierflasche an den Kopf von Libero Jürgen Gelsdorf beim Einlaufen, der aber ohne weitere Folgen für den Werkself-Profi bleibt. Nach diesem gnadenlosen Kampf über 90 Minuten sind die Leverkusener schließlich glücklich mit dem torlosen Unentschieden, das ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit aufrechterhält.

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Eine Woche später kommt Alemannia Aachen ins Ulrich-Haberland-Stadion. Vor 9.000 Zuschauern rutschen Peter Hermann und Matthias Brücken für die beiden gesperrten Norbert Ziegler und Hans-Jürgen Scheinert in die Startelf. Nach einer Viertelstunde kann Leverkusens Goalgetter Matthias Brücken das 1:0 erzielen. Das starke Mittelfeld der Bayer-Elf mit Thomas Hörster, Klaus Bruckmann und Harry Gniech beherrscht Ball und Gegner. In der 74. Minute spritzen dann Matthias Brücken und sein Gegenspieler Bertrams in eine Hereingabe von Dieter Herzog und der Ball landet im Tor. Erst wird der Treffer dem Stürmer der Werkself zugesprochen, aber nach dem Spiel stellt Matthias Brücken das richtig: „Schreibt das Tor ruhig dem Bertrams gut, der hat noch keins geschossen.“ So bleibt Bayer 04 mit diesem 2:0-Sieg weiterhin ungeschlagen und bereitet sich auf den schweren Gang zum Tabellenzweiten Bayer 05 Uerdingen vor.

Es ist der 18. November 1978 und in der Grotenburg-Kampfbahn steigt der Bayer-Gipfel. Die Uerdinger suchen von Beginn an ihr Heil in der Flucht nach vorn. Sie stürmen 90 Minuten auf das Tor der Bayer 04-Mannschaft. Am Ende steht ein 0:0 und die Erkenntnis, dass auch die Abwehr der Leverkusener ein zuverlässiger Mannschaftsteil ist. Vor allem dem überragenden Torhüter Fred Bockholt ist es zu verdanken. Noch in der letzten Minute rettet er mit zwei glänzenden Paraden das Unentschieden. Mit vier Punkten aus den letzten drei Spielen muss sich jetzt Trainer Willibert Kremer an seinen eigenen Worten messen lassen und die Rolle des Meisterschaftsfavoriten annehmen.

Vier Tage später kommt es wieder zu einem Heimspiel. Die Berliner von Wacker 04, Tabellenvorletzter, stellen sich im Ulrich-Haberland-Stadion vor. Die erste Halbzeit ist eine weitere Demonstration der Stärke des Tabellenführers. Nach Toren von Klaus Bruckmann, Harry Gniech und Jürgen Gelsdorf geht die Werkself mit einer souveränen 3:0-Halbzeitführung unter dem Jubel der Bayer 04-Fans in die Kabine. Als nach weiteren 45 Minuten der Schiedsrichter das Spiel abpfeift, pfeifen dieselben Zuschauer, die noch eine Stunde zuvor die Mannschaft mit Applaus verabschiedet hatten. Denn die zweite Halbzeit wird die in dieser Saison schwächste der Werkself. Vollkommen unkonzentriert und fahrig überlässt Bayer 04 den Berlinern das Feld und kann von Glück reden, dass es nur bei einem Gegentreffer bleibt. Mit einem blauen Auge davongekommen steht Bayer 04 Ende November mit 29:3 Punkten an der Tabellenspitze und kann schon am 16. Spieltag, drei Spieltage vor Ende der Hinrunde, die Herbstmeisterschaft feiern.

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