Zum ersten Mal in dieser Saison machte sich ein klein wenig Ernüchterung breit beim Karlsruher SC. „Das war heute definitiv eine verdiente Niederlage, definitiv ein gebrauchter Tag“, meinte Führungsspieler und Torschütze Marvin Wanitzek nach dem 1:3 bei Fortuna Düsseldorf am Samstag. Der KSC, der in der laufenden Saison zuvor nur gegen die Topteams FC St. Pauli und 1. FC Nürnberg verloren hatte, war auswärts bei F95 das klar schlechtere Team und fiel durch die Niederlage zurück auf Tabellenplatz acht. Was aber angesichts der noch nicht allzu weit entfernten Vergangenheit alles andere als ein Beinbruch ist. Denn noch bis kurz vor Beginn der Corona-Pandemie 2020 standen beim KSC die Weichen eher auf Drittklassigkeit. Bis Christian Eichner die Mannschaft übernahm. Unter dem ehemaligen KSC-Profi hat die Mannschaft erst den Klassenerhalt geschafft und dann die vergangene Saison auf einem ehrenwerten Tabellenplatz sechs abgeschlossen. Kein Wunder, dass der Klub den Vertrag mit seinem Erfolgscoach Anfang des Monats bis 2025 verlängert hat. „Ich möchte mit meinem Trainerteam weiter mithelfen, aus dem KSC wieder einen stabilen Zweitligisten zu machen“, sagte Eichner. Nächstes Ziel aber erst einmal: eine mögliche Überraschung in der BayArena. Erreicht hat Karlsruhe die 2. Runde des DFB-Pokals durch ein souveränes 4:1 über den Regionalligisten SF Lotte.
Der KSC wird derzeit von einigen langfristigen Ausfällen heimgesucht – dabei gleich drei Kreuzbandrissen. Ersatzkeeper Paul Löhr sowie Neuzugang Leon Jensen zogen sich die schwere Knieverletzung jeweils in der Saisonvorbereitung zu, im September traf es dann auch noch die eigentlich gesetzte Stammkraft Sebastian Jung. Da der Rechtsverteidiger somit wahrscheinlich erst im Frühjahr wieder eingreifen kann, hat Karlsruhe reagiert und vergangene Woche für diese Position den zuletzt vereinslosen Ricardo van Rhijn verpflichtet – einen Spieler, der immerhin achtmal für die niederländische Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen ist und einst Stammspieler bei Ajax Amsterdam war. In Düsseldorf kam van Rhijn schonmal zu einem ersten Kurzeinsatz, in den kommenden Wochen wird er wohl mit Marco Thiede um den durch Jungs Verletzung frei gewordenen Platz konkurrieren.
Frei geworden ist auch eine Position in der Innenverteidigung, denn zuletzt ereilte den KSC ein weiterer längerfristiger Ausfall: Robin Bormuth musste sich einer Sprunggelenks-OP unterziehen und wird in diesem Kalenderjahr nicht mehr für die Badener auflaufen können. Für ihn übernahm zuletzt der 36 Jahre alte Daniel Gordon die Rolle neben dem gesetzten Christoph Kobald, doch auch der 17 Jahre jüngere Youngster Felix Irorere dürfte sich auf lange Sicht Hoffnungen machen.
In der vergangenen Saison haben sich Eichner und der KSC den Ruf als Standard-Könige der 2. Bundesliga erarbeitet. Co-Trainer Zlatan Bajramovic gilt als akribischer Arbeiter, der gerne neue Varianten austüftelt. Er hat aber auch das passende Personal dafür. In Philip Heise und Marvin Wanitzek hat der KSC gleich zwei Spieler, die in der Lage sind, gefährliche Standards in den gegnerischen Strafraum zu schlagen, Wanitzek ist außerdem ausgewiesener Freistoßspezialist. Und als Abnehmer bieten sich gleich mehrere Akteure an. Innenverteidiger Daniel Gordon, Abräumer Tim Breithaupt und Mittelstürmer Philipp Hofmann sind jeweils über 1,90 Meter groß und in der Luft nur schwer zu verteidigen. Hofmann steht aufgrund seiner Treffsicherheit ohnehin bereits seit mehreren Jahren im Fokus von Bundesliga-Klubs, nach elf Zweitliga-Spieltagen steht er schon wieder bei fünf Toren und ist damit auf dem besten Weg, in der dritten Zweitliga-Saison in Folge zweistellig zu treffen.
In der eigentlich so starken KSC-Abwehr haben sich in den vergangenen Wochen – sicher auch aufgrund der Ausfälle von Jung und Bormuth – einige Schwächen offenbart. Noch in der Vorsaison stellte Karlsruhe die drittbeste Defensive der 2. Liga, in dieser Saison gab es nur ein einziges Gegentor an den ersten vier Spieltagen. Doch seitdem haben die Badener kein einziges Mal mehr zu Null gespielt, die letzte weiße Weste liegt damit zwei Monate zurück – und zuletzt in Düsseldorf zeigte Karlsruhe wieder große Probleme in der Defensivarbeit. „Unser Verteidigungsverhalten war heute eine Katastrophe“, stellte Mittelfeldspieler Wanitzek ohne Umschweife klar. „Wir haben keine Zweikämpfe richtig geführt und waren immer zweiter Sieger.“
Der KSC ist unter Erfolgscoach Eichner auf dem besten Weg, sich nach einigen schwierigen Jahren wieder zu einer überdurchschnittlichen Zweitliga-Mannschaft zu entwickeln. Der Angriff auf die Aufstiegsplätze mag noch ein bis zwei Jahre entfernt sein, doch gefährlich werden kann Karlsruhe auch den meisten Bundesligisten – zumal Spieler wie Kobald, Wanitzek und Hofmann ohnehin über Erstliga-Niveau verfügen. Daher dürfte auch auf die Werkself eine durchaus hohe Hürde warten.
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