„Wir müssen mit dem Punkt leben“, fasste Trainer Markus Weinzierl die Gefühlslage beim VfB nach dem 1:1 im Abstiegskracher gegen den 1. FC Nürnberg zusammen. Klar, einerseits hatte sein Team verpasst, im Heimspiel gegen einen direkten Konkurrenten Big Points einzufahren und dem auf Rang 15 postierten FC Augsburg auf die Pelle zu rücken. Allerdings hätte das Spiel gegen die Franken auch richtig bitter enden können, schließlich lag der VfB noch bis zur 75. Minute zurück und hätte im Falle einer Niederlage nur noch einen Zähler Vorsprung auf den FCN gehabt. So bleibt Relegationsplatz 16, den die Stuttgarter schon seit Dezember durchgängig belegen, vorerst abgesichert – nach vorne wie nach hinten. Vier Punkte Rückstand auf die Rettung, vier Punkte Vorsprung auf den direkten Abstiegsplatz: Es bleibt eine Saison mit vielen Fragezeichen am Neckar.
Zwar gelang dem VfB in der kompletten Rückrunde nur ein einziger Sieg, an mangelhaften Transferaktivitäten in der Winterpause dürfte das aber kaum liegen. Im Gegenteil: Die beiden Hoffnungsträger des Teams stießen erst im Januar dazu – und waren für sechs der letzten sieben Saisontreffer verantwortlich. Kabak, Kabak, Zuber, Kempf, Zuber, Kabak – so die etwas kuriose Reihe der letzten VfB-Torschützen. Der Schweizer Steven Zuber blüht nach seinem Leihgeschäft aus Hoffenheim in Stuttgart regelrecht auf, erzielte in elf Rückrundenspielen schon fünf Tore und ist damit bereits zweitbester VfB-Torschütze der kompletten Saison hinter Mario Gomez (sechs Tore). Ozan Kabak (im Bild oben links im Zweikampf mit Frankfurts Rebic), im Januar von Galatasaray Istanbul gekommen, markierte nicht nur schon drei Tore – darunter der immens wichtige Ausgleich zuletzt gegen Nürnberg – sondern deutete auch in seiner Kernkompetenz als Innenverteidiger sein ungeheures Potenzial an und trug zu einem in der Rückrunde deutlich stabileren Abwehrzentrum bei. Umso bemerkenswerter beim Blick auf das Alter des Türken: Ende März feierte Kabak erst seinen 19. Geburtstag. So dürfte der Shootingstar der Stuttgarter auch gegen die Werkself gesetzt sein – wenn er denn mitwirken kann. Das erste Mannschaftstraining der Woche verpasste Kabak wegen einer Erkältung, die Chancen sind jedoch da, dass der Verteidiger bis zum Spiel gegen Bayer 04 wieder voll einsatzfähig ist.
Etwas pessimistischer als bei Kabak fallen die Prognosen bei drei Mittelfeld-Routiniers aus. Gonzalo Castro, Christian Gentner und Dennis Aogo trainierten unter der Woche zunächst nur individuell und sind für das Spiel gegen Bayer 04 fraglich. Vor allem der langjährige Leverkusener Castro, der wegen eines Muskelbündelrisses schon die Partie in Nürnberg verpasste, wird als Strippenzieher im Mittelfeld schmerzlich vermisst. „Nicht nur bei Standardsituationen hat er uns gefehlt, sondern weil er auch das Spiel von hinten heraus hätte strukturieren können“, sagte Trainer Weinzierl gegenüber dem „kicker“. Auch zu den Einsatzchancen gegen die Werkself äußerte sich der Coach skeptisch: „Es wird zumindest sehr, sehr eng. Ich glaube es eher nicht.“ Gleiches gilt wohl für Kapitän Gentner (Muskelfaserriss) sowie Aogo (Oberschenkelzerrung), die im zentralen Mittelfeld ebenfalls die strukturgebende Rolle einnehmen könnten. So verbleibt eventuell nur der hochveranlagte, aber verletzungsanfällige Daniel Didavi für die Spielmacher-Rolle. Der 29-Jährige bestritt aber zuletzt Mitte Februar eine Partie von Beginn an.
Trotz aller Verletzungssorgen: Der Tabellenplatz des VfB spiegelt nicht die Qualität des Kaders wider. Neben den erfahrenen Ex-Nationalspielern Zieler, Badstuber, Beck, Aogo, Castro, Gentner und Gomez verfügen die Schwaben auch über hoffnungsvolle Talente wie Abräumer Santiago Ascacibar, Innenverteidiger Marc-Oliver Kempf – oder eben Kabak. Der könnte gut und gerne eine ähnliche Entwicklung nehmen wie sein Abwehrkollege Benjamin Pavard. Der Franzose, im vergangenen Sommer als Stammspieler der französischen Nationalmannschaft am Gewinn der Weltmeisterschaft beteiligt, kam 2016 als relativ unbeschriebenes Blatt nach Stuttgart und wird den Schwaben durch seinen Transfer zum FC Bayern im Sommer eine millionenschwere Ablöse einbringen. Die Entwicklung von Talenten hat sich auch Sportvorstand Thomas Hitzlsperger bei seinem Amtsantritt im Februar auf die Fahne geschrieben – in der Vergangenheit trug das ja bekanntlich schon häufig Früchte in Stuttgart.
Sollte es tatsächlich beim Relegationsplatz bleiben für den VfB Stuttgart, würde sich sicher kein Zweitligist über dieses Los freuen, zu hoch ist die Qualität im Kader der Schwaben. Auch deshalb scheint es zumindest nicht unrealistisch, dass sich das Team aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt noch den 15. Tabellenplatz und damit den direkten Verbleib im deutschen Oberhaus sichert. Ein wohl richtungsweisendes Spiel hat Stuttgart unmittelbar nach dem Kräftemessen mit der Werkself zu absolvieren. Am 20. April reist das Team von Markus Weinzierl zum direkten Konkurrenten aus Augsburg.
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