
Die Saison von Hertha BSC ist bislang ein zweischneidiges Schwert. Einerseits zeigten die Hauptstädter in vielen Spielen gute Leistungen, waren etwa gegen die Spitzenmannschaften aus München und Leipzig jeweils nahe dran an einem Punktgewinn. Andererseits spiegelt sich das hohe Niveau des Teams bislang noch nicht in den Ergebnissen wider. Ein gutes Beispiel: das 2:5 gegen Borussia Dortmund am vergangenen Wochenende. Da absolvierte Hertha gegen eine der Spitzenmannschaften der Liga erneut eine ganz starke erste Hälfte und lag in Führung, musste dann aber im zweiten Durchgang gleich fünf Tore schlucken. „Wir bringen uns um den Lohn“, analysierte Trainer Bruno Labbadia anschließend. „Das ist Mist.“ Mit seinem Team liegt der ehemalige Werkself-Coach – in der Spielzeit 2008/09 – mit sieben Punkten nun auf Tabellenplatz 13. Nicht unbedingt da, wo sich der Verein am Ende der Saison sieht. Doch der negative Schein trügt ein wenig, denn: Hertha hat ein knüppelhartes Auftaktprogramm hinter sich. So spielten die Berliner an den ersten acht Spieltagen noch gegen kein einziges Team, das derzeit in der Tabelle schlechter als Platz elf platziert ist. Gut möglich also, dass sich die dunklen Wolken in der Hauptstadt bald wieder verziehen.
Durch verschiedene Sommertransfers und Ausleihen verfügt Hertha BSC über einen enorm breiten Kader, in dem quasi jede Position auf hohem Niveau doppelt besetzt ist. In den vergangenen Tagen sind die Möglichkeiten für Trainer Labbadia sogar mehr geworden. Große Hoffnungen setzt man in Berlin vor allem in die Rückkehr von Jordan Torunarigha. Der Innenverteidiger soll bald wieder die zuletzt nicht immer sattelfeste Defensive stabilisieren, nachdem er sich vor zwei Monaten einen Syndesmose-Teilriss zuzog und sich dann auch noch mit dem Coronavirus infizierte. Nun befindet sich das Eigengewächs zurück im Mannschaftstraining und hat laut Labbadia keine Probleme mehr. Ob es aber schon gegen die Werkself reicht mit einem Startelf-Einsatz, scheint eher fraglich. „Die 14 Tage Quarantäne haben neben seiner Verletzung schon reingehauen“, gab Labbadia am Dienstag zu bedenken. Eventuell könnte es aber für einen Platz im Kader reichen.
Auch Mittelfeldspieler Lucas Tousart, im Sommer einer der größeren Transfers der Berliner, ist wieder eine Option für Labbadia. Der Franzose laborierte in den vergangenen Wochen an einer Kniereizung. Gegen Dortmund stand Tousart, zuvor uneingeschränkter Stammspieler, zwar im Kader, kam aber nicht zum Einsatz. Für den Sonntag sollte er aber zumindest für einen Joker-Einsatz wieder eine ernstzunehmende Alternative sein. Definitiv ausfallen werden damit einzig Mittelfeld-Abräumer Santiago Ascacibar, der an muskulären Problemen laboriert, sowie Angreifer Jhon Cordoba, der sich beim Auswärtssieg in Augsburg eine Bänderverletzung im Sprunggelenk zuzog und wohl noch bis Ende des Jahres fehlen wird. Im Sturmzentrum wird der Kolumbianer nun vom Polen Krzysztof Piatek ersetzt.
Auch ohne Cordoba verfügt Herthas Offensive noch über enorm viel Qualität – vor allem einer sticht heraus: Matheus Cunha. Der 21 Jahre alte Brasilianer hat sich nach seinem Wechsel aus Leipzig im vergangenen Januar in Windeseile zum Fixpunkt des Berliner Angriffsspiels entwickelt. Ob im Sturmzentrum, auf der Zehn oder wie zuletzt auf dem linken Flügel: Cunha überzeugt überall mit seinen Tempodribblings, seinen blitzgescheiten Pässen und seiner brillanten Technik. Und: Er strahlt immer Torgefahr aus. In den letzten drei Bundesligaspielen kommt er auf ganze fünf direkte Torbeteiligungen, immer traf er dabei ins Schwarze. Insgesamt sechs Treffer steuerte der Brasilianer in der laufenden Bundesliga-Saison in acht Spielen schon bei – eine überragende Quote für einen, der in der Regel nicht im Sturmzentrum agiert. In Tempodribbler Dodi Lukebakio und dem spielstarken Mittelstürmer Piatek hat Cunha auch nach dem Ausfall Cordobas noch ausgezeichnete Unterstützung.
Dass ein Team an den ersten acht Spieltagen ganze 15 Tore erzielt und damit nur sieben Punkte gesammelt hat, gab es bislang noch nie in der Bundesliga-Geschichte. Herthas Probleme liegen also in erster Linie im Spiel gegen den Ball. 18 Gegentore musste Labbadias Team schon hinnehmen, nur Freiburg (19), Mainz (21) und Schalke (24) bislang mehr. Ein Faktor dafür: Hertha gehört nicht gerade zu den zweikampfstarken Teams der Liga. 46 Prozent gewonnene Duelle bedeuten den zweitschlechtesten Wert in der Bundesliga, zudem leisten sich die Berliner die viertmeisten Fouls aller Teams. Die Rückkehr des zweikampfstarken Torunarigha könnte da Abhilfe schaffen.
Die kommenden drei Partien werden für Hertha BSC mit dem Spiel gegen die Werkself, dem Stadtduell gegen Überraschungsmannschaft Union und dem Auswärtsauftritt in Mönchengladbach noch hart. Dann aber entspannt sich das Programm für die Berliner deutlich und es warten in der Hinrunde ausschließlich Teams, die derzeit in den unteren Tabellenregionen stehen. Dann könnte Hertha das Feld durchaus von hinten aufrollen. Die Qualität des Teams ist in jedem Fall gut genug, um ein gewichtiges Wort um die Vergabe der internationalen Startplätze mitzureden.

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