Gegner-Check: Die Störche auf der Suche nach den alten Stärken

Bundesliga-Neuling Holstein Kiel tritt am Samstag, 5. Oktober (Anstoß 15:30 Uhr), als Tabellenletzter in der BayArena an. Nach dem holprigen Saisonstart wollen die Störche im Duell mit der Werkself vor allem ihre Abwehrarbeit verbessern. Denn keine Mannschaft musste bisher mehr Gegentore schlucken als die Norddeutschen. Der Gegner-Check.
Holstein Kiel

Position

Nach fünf Spieltagen rangiert der Aufsteiger aus Deutschlands nördlichster Hauptstadt ganz unten in der Tabelle. Den einzigen Punkt holte das Schlusslicht bislang beim VfL Bochum 1848 (2:2). Ansonsten gingen die Störche gegen die TSG 1899 Hoffenheim (2:3), den VfL Wolfsburg (0:2), Bayern München (1:6) und zuletzt Eintracht Frankfurt (2:4) leer aus. Lediglich in der ersten Runde des DFB-Pokals konnte Kiel mit dem 3:2-Sieg beim Drittligisten Alemannia Aachen ein Erfolgserlebnis feiern.

Gerade im Vergleich zum 2:4 gegen Frankfurt wollen die Kieler am Samstag in der BayArena einiges besser machen. „Man hat gesehen, dass wir individuell Probleme haben, Spieler zu verteidigen“, analysierte Trainer Marcel Rapp. „Wir müssen als Mannschaft diese Dinge auffangen, müssen kompakter stehen, uns gegenseitig mehr helfen und bessere Pressingauslöser finden.“

Dass die Aufgabe beim Double-Sieger eine schwierige werden wird, weiß der Coach natürlich. „Leverkusen gehört mit Bayern zu den größten Herausforderungen. Für solche Spiele sind wir aber aufgestiegen. Es sollte kein Spiel werden, wo wir 90 Minuten vorne anlaufen oder vor dem eigenen Sechzehner stehen. Es wird eine Mischung aus beidem sein.“

Personal

Zwei Leistungsträger musste Holstein Kiel nach dem Aufstieg ziehen lassen: Philipp Sander wechselte zum Bundesliga-Konkurrenten Borussia Mönchengladbach und ist dort im Mittelfeld bereits Stammspieler. Das junge Abwehrtalent Tom Rothe (19) steht nun beim 1. FC Union Berlin unter Vertrag. Abgänge, die nicht leicht zu kompensieren sind. Aber Störche-Trainer Marcel Rapp, der 2021 als Nachwuchscoach von der TSG 1899 Hoffenheim an die Kieler Förde wechselte, hat dort in den vergangenen Jahren bewiesen, dass er mit hoher taktischer Flexibilität das Beste aus einer Mannschaft herausholen kann.

Der 45-Jährige hat nicht nur ein Händchen für die Entwicklung junger Talente, er machte auch erfahrene Spieler wie Lewis Holtby und Steven Skrzybski noch einmal besser. Holtby ist mit 34 Jahren der älteste Profi im Kader und Kapitän der Mannschaft. Der zentrale Mittelfeldspieler ist in seiner Karriere viel rumgekommen, hat unter anderem in der Bundesliga für den VfL Bochum, den 1. FSV Mainz 05, FC Schalke 04 und den Hamburger SV gespielt. In der englischen Premier League kickte Holtby für Tottenham Hotspur und den FC Fulham. In der Vorsaison war er bester Scorer seines Teams (5 Tore, 9 Assists). Auch Steven Skrzybski, mit 31 Jahren zweitältester Profi bei den Kielern, hatte als erfolgreichster Torschütze (10 Treffer) maßgeblichen Anteil am Bundesliga-Aufstieg. In der aktuellen Saison verpasste der Offensiv-Allrounder aufgrund einer Muskelverletzung den Saisonstart, kam erst bei den vergangenen beiden Partien zu Kurzeinsätzen. Und bewies dabei gleich durch einen Assist in Bochum seinen großen Wert für die Mannschaft. Möglicherweise rückt er in Leverkusen wieder in die Startelf.

Tragende Säulen beim Aufsteiger sind neben Holtby und Skrzybski auch Torhüter Timon Weiner, Abwehrspieler Timo Becker sowie im Mittelfeld Finn Porath und Neuzugang Magnus Knudsen (FK Rostov), der bislang in allen fünf Partien in der Startformation stand. Auch von einem weiteren Neuen versprechen sie sich in Kiel einiges: Der bosnische Auswahlspieler Armin Gigovic wird jedenfalls von seinem Nationaltrainer Sergej Barbarez, dem ehemaligen Bayer 04-Profi, in höchsten Tönen gelobt: „Armin hat eine brutale Energie“, sagt Barbarez über den 22 Jahre alten zentralen Mittelfeldspieler. Im Angriff ist neben Machino und Skrzybski auch Benedikt Pichler eine feste Größe. Zudem steht Alexander Bernhardsson nach überstandener Verletzung wieder zur Verfügung. Verzichten muss Marcel Rapp in Leverkusen vermutlich auf Innenverteidiger Carl Johansson (Gehirnerschütterung) und den linken Außenbahnspieler Andu Kelati (Knieprobleme).

Probleme

Eine stabile Defensive bildete in der vergangenen Saison die Grundlage für den erstmaligen Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse. Nach Zweitliga-Meister FC St. Pauli (36) stellten die Störche mit 39 Gegentoren die zweitbeste Abwehr in der 2. Bundesliga. „Die Defensive war unser Prunkstück“, sagt Mittelfeldspieler Finn Porath. Nun, eine Etage höher, ist sie das neue Sorgenkind an der Förde. Die Kieler kassierten in fünf Spielen bereits 17 Gegentreffer, so viele wie keine andere Mannschaft. Macht einen Schnitt von 3,4 Gegentoren. „Es nervt sehr“, moniert Routinier Steven Skrzybski mit Blick auf das Defensivverhalten der Mannschaft. „Wir können nicht jedes Mal zwei, drei Gegentore bekommen.“ In den letzten Heimspielen gegen die Bayern (1:6) und Frankfurt (2:4) waren es sogar mehr. Noch kein einziges Mal konnte die KSV hinten die Null halten. Deshalb fordert Skrzybski angesichts der nächsten Aufgabe beim Deutschen Meister: „Wir müssen das abstellen und in den Griff bekommen, denn die Gegner werden ja nicht leichter.“

Prunkstück

Finn Porath wollte nach dem 2:4 gegen Eintracht Frankfurt am vergangenen Wochenende zumindest etwas Positives aus der Niederlage mitnehmen: „Unsere Moral passt“, hob der 27-Jährige hervor. Zweimal konnten die Norddeutschen gegen die Hessen einen Rückstand aufholen. Auch beim 2:2 in Bochum eine Woche zuvor hatte Kiel bis zum Schluss gefightet und sich in der 89. Minute durch den Treffer von Shuto Machino noch den ersten historischen Bundesligapunkt der Vereinsgeschichte verdient. Der 25 Jahre alte Japaner hat bereits vier Tore erzielt, liegt damit in der Torjägerliste unter anderem gemeinsam mit Florian Wirtz auf Rang drei.

Insgesamt kommen die Störche auf zehn Treffer in sechs Pflichtspielen – nur beim 0:2 gegen Wolfsburg gingen sie leer aus. Offensiv tritt der Aufsteiger durchaus mutig und couragiert auf. Torschüsse, Schussgenauigkeit, Chancenverwertung – bei diesen Werten belegen die Kieler jeweils Ränge im unteren Mittelfeld. Auch Leidenschaft, Intensität und Einsatz stimmen beim Aufsteiger, der sich bisher gallig in den Zweikämpfen zeigte und viele Kilometer pro Partie abspulte. Was die Laufleistung betrifft, zählen die Kieler zu den Top 5 der Liga.

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