„Ich drücke der Hertha beide Daumen“

Rund vier Jahre lang trug Andreas „Zecke“ Neuendorf das Trikot von Bayer 04: Im Sommer 1994 wechselte der damals 19-Jährige von den Reinickendorfer Füchsen an die Dhünn, ehe er nach der Vizemeisterschaft im Jahr 1997 in seine Heimatstadt zu Hertha BSC ausgeliehen wurde. Nach einem dreijährigen Gastspiel kehrte der zentrale Mittelfeldspieler nochmal für eine Spielzeit unters Bayer-Kreuz zurück, dann zog es ihn erneut zurück zur „Alten Dame“. Nach seiner letzten Profistation beim FC Ingolstadt (2007 bis 2010) ließ er bei der Hertha seine aktive Karriere im Jahr 2014 ausklingen. Heute wird „Zecke“, der seinen Spitznamen übrigens Bayer 04-Legende Ulf Kirsten zu verdanken hat, 43 Jahre jung. Wir haben seinen Geburtstag zum Anlass genutzt, um mit dem U17-Trainer der Berliner über seine Vergangenheit und unseren kommenden Gegner in der Meisterschaft zu sprechen…
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Zecke, zuerst einmal alles Gute. Insgesamt hast du 60 Pflichtspiele für die Werkself bestritten, in denen du ein Tor erzielt hast. Welche Erinnerungen hast du an deine Zeit(en) bei Bayer 04?
Zecke Neuendorf: Leverkusen war meine erste Station als Profi, so etwas vergisst man nicht. Dragoslav Stepanovic, Erich Ribbeck und Peter Hermann waren damals meine Trainer. Rückblickend habe ich mich sehr wohl gefühlt bei Bayer 04 und tolle Menschen kennengelernt, die ich heute noch sehr schätze – wie zum Beispiel Reiner Calmund, Rudi Völler, Ulf Kirsten oder Hans-Peter Lehnhoff. Rein sportlich lief es eher durchwachsen. Vor allem, als zur Saison 1996/97 Christoph Daum neuer Trainer wurde: Ich habe mich mit ihm überworfen, weil ich meinen Unmut über Entscheidungen von ihm geäußert habe. Aber ich bin halt ein direkter Typ, der klipp und klar sagt, was er denkt – und mit Anfang 20 ist man da vielleicht noch etwas unbedarfter als heute. (lacht) Naja, jedenfalls wollte mich der Trainer nicht mehr und ich wurde zur Hertha ausgeliehen. Das war für beide Seiten leider alles keine so wirklich schöne Geschichte…

Deine Rückkehr drei Jahre später lief nicht viel besser und bist endgültig zurück in deine Geburtsstadt gewechselt. Hast du heute noch Kontakt zu Kollegen aus Leverkusener Zeiten?
Neuendorf: Erst kürzlich habe ich mich wieder mal mit Reiner Calmund getroffen. Ihm habe ich vieles zu verdanken und er ist einfach ein Typ aus dem Leben, der Menschen fesseln kann und nie vergessen hat, wo er herkommt. Gleiches gilt für Rudi Völler. Es ist auch immer wieder schön, die ehemaligen Teamkollegen bei den Traditionsmannschaften wiederzusehen. Oder mal anzurufen, wenn man privat in der Nähe ist – aber das passiert eher selten in Verbindung mit einer Verabredung. Ich habe, ehrlich gesagt, die Kontakte nie so wirklich gepflegt. Aber das Schöne am Sport ist, dass, wenn man sich wiedersieht, man immer wieder das Gefühl hat, sich erst gestern gesehen zu haben. Auch Christoph Daum und ich haben vor ein paar Jahren unsere damalige Fehde aus dem Weg geräumt und Frieden geschlossen. (lacht)

Wie sehr verfolgst du das Geschehen bei Bayer 04?
Neuendorf: Natürlich bekommt man das mit – am Dienstag beim Pokalspiel gegen Bremen war ich für Leverkusen. Aber ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Hertha zu 100 Prozent zu meinem Verein geworden ist. In Leverkusen wird gut gearbeitet und ich mag beispielsweise Heiko Herrlich, weil er in seiner Art einfach sehr authentisch ist, nichts verheimlicht und zu den Dingen steht. Zum Beispiel zu seiner Schwalbe in Mönchengladbach. Da gibt es andere Trainerkollegen, die noch Jahre später behaupten, sie seien umgehauen worden. Er ist ein Typ, und ich mag Typen! Ich glaube, wir würden uns mögen, wenn wir uns kennenlernen würden…

Kommen wir zum morgigen Aufeinandertreffen von Bayer 04 und Hertha BSC. Was wünschst du dir, wie das Spiel ausgehen soll? Bist du vor Ort?
Neuendorf: Nein, ich bin mit meiner U17 in Kiel und kann leider nicht vor Ort sein, werde aus der Ferne aber der Hertha in Leverkusen beide Daumen drücken. Das wird eine ganz schwierige Aufgabe, aber ich hoffe, dass sie die Leverkusener ärgern und mindestens einen Punkt mitnehmen können. Dafür muss am Samstag aber alles stimmen! Ich wünsche Bayer am Ende gerne den zweiten Platz und auch den Pokalsieg, aber ich gönne der Hertha das vierte Unentschieden in Folge – am liebsten sind mir aber natürlich drei Punkte.

Dank Platz sechs im Vorjahr haben die Berliner diese Saison zum zweiten Mal in Folge Europa League gespielt. Nun kommen sie als Tabellenelfter in die BayArena, haben nach 21 Spieltagen 27 Zähler auf dem Konto. Was ist dieses Jahr möglich für die Hertha?
Neuendorf: Der ganze Verein befindet sich seit rund drei Jahren in einem riesigen Umbruch. Nach den Auf- und Abstiegen der Vorjahre kam 2015 mit Pal Dardai ein Trainer, der der Mannschaft endlich wieder ein Gesicht gibt. Er hat damals gesagt, dass er auch angesichts des Schuldenabbaus dafür sorgen will, dass wieder mehr Spieler aus Berlin und dem Umland den Sprung in die erste Mannschaft schaffen. In meinen Augen macht er einen grandiosen Job: Trotz der begrenzten Möglichkeiten hat der Verein die vergangenen beiden Jahre international gespielt. Und es steckt schon jetzt sehr viel mehr Berlin im Kader. Unter ihm sind es bestimmt neun bis zehn Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, die bei den Profis Einsatzzeit bekommen haben, zum Beispiel ein Maximilian Mittelstädt oder ein Jordan Torunarigha. Und von den 99ern, unserem stärksten Jahrgang, können bald noch ein paar mehr den Sprung schaffen. Hinzu kommen mit Marvin Plattenhardt oder Davie Selke schon etwas erfahrenere Spieler, die gerade dabei sind, sich freizuschwimmen. Insgesamt haben wir eine sehr junge Mannschaft – da ist es klar, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen können und dürfen auch nicht anfangen, zu träumen. Aber wenn wir so weiterarbeiten, dann haben wir in ein, zwei Jahren eine bärenstarke Mannschaft. So wie aktuell Bayer Leverkusen.

Zum Abschluss. Hertha BSC agiert medial oft (un)gewollt provokant und keck. Ist das auch ein Mittel, um die „Alte Dame“ wieder sexy zu machen?
Neuendorf: Naja, das ist sicher nicht beleidigend gemeint. Irgendwann muss sich ein Verein fragen, für was er steht. Während in anderen Sportarten Vereine aus Berlin Titel um Titel gewonnen haben, war die Hertha für den Berliner selber in letzten Jahrzehnten nur schwer zu greifen. Egal, in welche Stadt man fährt, alle schwärmen immer nur von Berlin, gefühlt ist Berlin der Mittelpunkt und Ursprung vieler toller Geschichten. Vielleicht haben wir uns als Verein einfach zu lange davon blenden lassen und waren etwas überheblich. Wir mussten alle ein bisschen runterkommen von unserem hohen Ross, und haben aufgehört, „einfach nur Hertha“ zu sein. Wir müssen wieder mehr auf die Stadt und die Menschen, die hier leben, zugehen, müssen eben wieder zur Hertha aus Berlin werden. Ja, und die Berliner Schnauze ist halt nun mal eher keck, locker und frech. (lacht)

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