Eine Stunde dauert die Fahrt in die Community „Complexo do Muquico“ im Norden Rios, die acht Favelas mit mehr als 30.000 dort lebenden Menschen umfasst. Die Unterschiede zwischen der schicken, lebensfreudigen Strandpromenade und dem Sozialwohnungsriegel, einem der längsten in Lateinamerika, sind gewaltig. Jorginho führt Carro, Sergio und Co. gemeinsam mit seiner Tochter Vanessa durch zwei der acht Favelas. Die anderen Bereiche sind zu gefährlich für einen Besuch. Die Begegnungen mit den Bewohnern und ihren unvorstellbaren Geschichten sind ebenso emotional wie das Aufeinandertreffen mit einigen Schülern, die im Rahmen eines Austauschs im Herbst auch in Leverkusen zu Gast sein werden.
Bei all den Problemen, die in dieser Community vorherrschen, stellt das umfangreiche soziale Projekt „Instituto Bola pra Frente“ Jorginhos mehr als nur einen Lichtblick vor allem für die Kinder des Viertels dar. Und auch Bayer 04 wird sich künftig bei der Einrichtung einbringen.
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„Bola pra Frente“ ist eine zivilgesellschaftliche Organisation, die Kindern, Jugendlichen und ihren Familien durch Sport, Kultur und Bildung sowie beim Zugang zu Hochschulprojekten in ihrer menschlichen Entwicklung hilft, um der Armut zu entkommen. „Bola pra frente“ – das bedeutet auf Deutsch so viel wie „Den Ball nach vorne spielen!“, aber eben auch „Schwamm drüber, schau weiter nach vorn!“.
Es ist eine Redewendung, die ermutigt, etwas hinter sich zu lassen und sich auf das zu konzentrieren, was vor einem liegt. Immer entschlossen und positiv zu bleiben. Besser als mit diesem Leitspruch, der mit großen, bunten Farben verzierten Lettern auf den Wänden des Bolzplatzes gemalt ist, ist dieser besondere Ort, diese kleine Oase zwischen all den Sorgen und Problemen, nicht zu beschreiben.
Es ist der Ort, an dem Jorginho selbst, seitdem er acht Jahre alt war, aufgewachsen ist. An dem sein Vater und seine Schwester starben, als er gerade erst elf Jahre alt war. Er steht vor dem Eingang von Block 19. Fotos sind dort nicht erlaubt: „Hier habe ich früher die Gänge geputzt, um mir so ein bisschen Geld zusammenzusammeln. Damals hatte ich hier große Angst vor Geistern“, sagt Jorginho grinsend: „Ich habe damals immer hier aus dem Fenster geschaut und geträumt, dass da unten irgendwann ein Disneyland steht. Das war ein Traum, mein Traum. Und heute ist es mit Bola pra Frente kein Traum mehr. Es ist Realität. Und es ist noch viel schöner“, erklärt Jorginho, in fließendem Deutsch, sichtlich bewegt.
Einen riesigen Anteil daran habe vor allem seine Zeit bei Bayer 04, wie der frühere Werkself-Profi betont: „Ich habe viel in Deutschland und vor allem in Leverkusen gelernt und hätte nie gedacht, dass ich das einmal für meine Heimat nutzen kann. Ich bin Weltmeister, aber das hier ist die viel schönere Trophäe für mich.“
Am Eingang des Fußballplatzes ehrt eine Statue aus Stahl Jorginhos ehemaligen Trainer und engen Freund Antonio Carlos da Silva Adao, der 1977 auf der direkt über der Favela verlaufenden mehrspurigen Avenida Brasil – eine der meistbefahrenen Straßen Brasiliens – verstarb. Er kümmerte sich damals um genau den Fußballplatz, auf dem später Jorginho die Einrichtung erbaute und seinem Freund bis heute widmet.
Die meisten Schüler leben unter genau dieser Avenida Brasil in der Deodoro-Nachbarschaft. „Manchmal kommen Autos von der Fahrbahn ab und krachen hier auf die Blechdächer. Und wenn es regnet, fließt neben dem Wasser auch der ganze Müll von der Straße in die Häuser“, erzählt Mitarbeiter Mineiro in den schmalen Gräben zwischen Müll und Wäscheleinen mit schwarz-roten Flamengo-Trikots.
Auf dem Weg begrüßen zahlreiche Kinder Jorginho, Vanessa und Mineiro herzlich. Sie kennt und liebt hier jeder. Aktuell betreut „Bola pra Frente“ über 450 Kinder. Mehr als 15.000 Abgänger im Alter von 6 bis 17 Jahren und 98 Prozent der Jugend „Muquiços“ hat das Projekt bereits erfolgreich in ein strukturiertes, hoffnungsvolles Leben entlassen. Fast alle finden danach Arbeit. Und die, die nicht direkt Arbeit finden, unterstützt die Einrichtung bei Bewerbungen und der Suche nach einer beruflichen Ausbildung. Auch hierbei lässt Jorginho nicht locker.
Hinter jeder dieser Türen befindet sich nicht nur ein Haus, es sind weitere, unendliche Straßenkomplexe. In eine durften die Besucher aus Leverkusen hineinschauen. Dort lebt Schüler Samuel mit seiner Mutter. „Bei ihm wurde kürzlich eine unheilbare Krankheit festgestellt, durch die er bald nicht mehr laufen und an unseren Sport-Kursen teilnehmen kann“, erzählt Vanessa. „Wir haben ihm nun einen Rollstuhl besorgen können und werden mit ihm künftig ein Alternativprogramm machen, sodass er dennoch Teil von allem ist“, ergänzt die Tochter Jorginhos in ihrer positiven Art.
Wenige Meter weiter kocht Iidna in ihrem Ofen quasi für die gesamte Favela. Sie ist die Einzige in der Favela, die einen Ofen besitzt. Den Strom dafür zapft sie sich aus der über ihrem Haus verlaufenden Leitung. An den meisten Tagen bilden sich Schlangen von Menschen vor ihrer Hütte, die sich ihr Essen aufwärmen lassen möchten. Für Iidna eine Selbstverständlichkeit. Neben ihrem eigenen Kind hat sie noch drei weitere Kinder adoptiert, die wenige Häuser entfernt von ihren Eltern verkauft wurden. Auch das ist die Realität in diesem von unfassbarer Armut geprägten Viertel.
Es sind Geschichten, die den Besuch mehr als besonders machen. Termine, die über den Fußball hinausgehen. Auf dem Rückweg betont Vanessa trotz aller Schwere der Umstände: „Es sind sicherlich aufwühlende Bilder, aber wir sehen hier auch eine positive Entwicklung. Wenige Jahre zuvor hatten wir hier noch keine asphaltierte Straße. Darauf sind wir stolz.“
Zurück im Institut warten mehrere Jugendliche auf Jorginho, Carro und Sergio. Für sie steht im September ein ganz besonderes Highlight an: Die Heranwachsenden werden, wie bereits einige Jugendliche im vergangenen Jahr, unter der Leitung Jorginhos nach Leverkusen reisen und unter anderem auch ein Spiel der Werkself besuchen.
Das alles ist nur der Beginn einer nachhaltigen Partnerschaft zwischen „Bola pra Frente“ und Bayer 04. Sergio: „Saugt alles auf, nutzt eure Chance, um eine neue Sprache und neue Kultur zu lernen. Deutschland hat mir damals viele Türen geöffnet.“
Carro: „Der Besuch heute war sehr bewegend. Wir als Bayer 04 sind stolz und dankbar für die Eindrücke, die wir gewinnen durften. Die unermüdliche Arbeit und das Engagement von Jorginho und seiner Initiative sind sehr wertvoll und zeigen auf beeindruckende Art, wie viel man selbst in einem so scheinbar chancenlosen Umfeld bewirken kann.“ Oder, um es in den Worten von Jorginho zu sagen: „Bola pra Frente“.
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