Kein Weg zu weit

Fabian Gie­fer

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Im vierten Teil der Serie „Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ stellen wir den Weg von Fabian Giefer vom Nachwuchs-Torwart zum Profi bei Bayer 04 vor. Dabei begann alles ziemlich weit weg von Leverkusen.

Adenau. Freiling. Lommersdorf. Wer Geburtsort, zu Hause und Jugendklub von Fabian Giefer finden will, muss von Leverkusen aus knapp hundert Kilometer nach Süden schauen. Dort in der Eifel entdecken Leverkusener Scouts Anfang 2002 einen für sein Alter groß gewachsenen Jungen, der offenkundig Spaß am Torwartspiel hat.

Als jüngstes von vier Kindern ist Fabian der einzige, der dem Vater nacheifert. Der stand in der Kreisklasse der Region ebenfalls zwischen den Pfosten. „Das hat mir von Anfang Spaß gemacht und ich weiß nicht, wie oft und wie viele Hosen meine Mutter in der Zeit geflickt hat“, erinnert sich Giefer heute lachend.

Ein Brief bringt alles ins Rollen

Als er knapp 12 Jahre alt ist, flattert Post im 800-Einwohner-Dorf Freiling ins Haus. „Nicht von deinem Lieblingsverein, aber von einem Bundesligisten“, stellt ihn die Mutter damals vor ein Rätsel. Bayer 04 Leverkusen steht auf dem Briefbogen und zumindest Fabian muss bei der Einladung zum Probetraining nicht allzu lange überlegen: „Schon damals war Leverkusen für Nachwuchsarbeit eine super Adresse.“

Aber nach erfolgreichem Probetraining setzt doch ein Nachdenken bei Familie Giefer ein. Vier, fünf Mal die Woche 90 Kilometer hin und zurück nach Leverkusen? Und die Schule? Passt das? „Wir haben dann entschieden, noch etwas zu warten“, erinnert sich Giefer. Ein Jahr später ist es dann aber so weit. Mit dem Schritt in die C-Jugend wagt Fabian auch den Schritt nach Leverkusen.

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Hausaufgaben auf der Autobahn

Bei der Logistik hilft der Bitburger Dirk Hartmann, damals Nachwuchstrainer in Leverkusen. Mit dessen Sohn Tim sowie Oliver Petersch im Auto geht es zwei Mal die Woche nach Leverkusen. Zwei weitere Touren übernehmen die Giefers selbst. „Der Zeitaufwand, den meine Eltern betrieben haben, war schon außergewöhnlich. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar“, sagt er heute.

Damit die Logistik mit der langen Fahrt überhaupt funktioniert, macht der junge Torwart seine Hausaufgaben oft im Auto. Schule, Essen, Fahrt, Training, nach Hause ins Bett. So sieht Giefers Alltag knapp drei Jahre lang aus. Dem Fußball wird fast alles untergeordnet. Außer die Schule. „Für mich war immer klar, dass ich das Abitur machen will“, so Giefer.

Schub durch professionelles Training

Sportlich läuft es unter dem damaligen Torwarttrainer Dieter Gans beim Werkself-Nachwuchs sofort rund: „Unter den professionellen Bedingungen im Leistungszentrum gab es einen unheimlichen Schub.“ Stammtorwart in Leverkusen, Mittelrhein-Auswahl, Junioren-Nationalmannschaft. In etwas mehr als einem Jahr startet Giefer durch, so dass sich in der B-Jugend die Frage stellt, wie sich die Bedingungen noch weiter optimieren lassen.

An dieser Stelle kommt Roman Klossek ins Spiel. Mit seiner jungen Familie lebt der heutige kaufmännische Leiter des Leistungszentrums damals in der Leverkusener Waldsiedlung und entschließt sich, Teil des Gastfamilien-Programms zu werden, das es bei Bayer 04 seit einigen Jahren gibt.

Neues Gefühl als „großer Bruder“

Auch wenn vor allem Fabians Mutter zunächst noch überzeugt werden muss, macht der Torwart den Schritt und zieht in die Einlieger-Wohnung der Klosseks: „Das war für mich eine super Entscheidung. Dieser Weg hat mir für den Fußball immens viel geregelt.“ Schnell wird der hoch gewachsene Teenager zum großen Bruder für Mara und Julia, die kleinen Töchter der Klosseks.

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Auch mit dem immensen Appetit des Richtung der Zwei-Meter-Marke wachsenden Jungen kommt der Haushalt klar, erinnert sich Klossek. Im jungen Gastvater Roman findet Giefer zudem, wie er sagt, „einen sehr guten Freund, fast großen Bruder, der auch in etwas kniffligeren Situationen immer das richtige Augenmaß hatte.“ Zum Beispiel, wenn es um die richtige Balance zwischen Schule, Fußball und Flausen im Kopf geht.

Endgegner am Kickertisch

Und natürlich ist Klossek der perfekte Gegner am Kickertisch in Fabians Zimmer. Beim Einzug hat der Teenager noch keine Chance gegen den Hausherrn. Als er knapp drei Jahre später wieder bei den Klosseks auszieht, lässt er - mittlerweile Abiturient und Fußball-Profi - seinem Gastgeber keine Chance mehr. „Fabian war immer ehrgeizig und zielstrebig“, erinnert sich Klossek.

Das gilt natürlich nicht nur am Kickertisch. Denn auch auf dem realen Fußballfeld ist das so. Als Ersatztorwart wird Giefer mit der Leverkusener U19 2007 noch als B-Jugendlicher Deutscher A-Junioren-Meister. Beim DFB-Junioren-Pokalsieg ein Jahr später steht er zwischen Pfosten. Ein weiteres Jahr später debütiert er am 6. November 2009 bei den Profis in der Bundesliga. Mit nur 19 Jahren.

Berührungspunkt Leverkusen

Für einen Torwart ist das sehr jung. Aber mit einem jungen Schlussmann hatte man bei Bayer 04 in René Adler auch richtig gelegen. Der ist im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt verletzt. Trainer Jupp Heynckes vertraut auf Giefer. Väterlich legt er vor der Partie den Arm um den Nachwuchstorwart und sagt: „Du kannst das ja eh. Da mache ich mir gar keine Sorgen.“ Die Werkself gewinnt mit 4:0. Der Weg in den Profifußball ist gemacht.

Wenn man dem Fußball alles unterordnet und nicht direkt aus der Umgebung kommt, ist eine Gastfamilie der logische Schritt.

Auch wenn er über Fortuna Düsseldorf, den FC Schalke 04 und den FC Augsburg als mittlerweile 31-Jähriger in Würzburg gelandet ist - Berührungspunkte mit Leverkusen gab und gibt es immer wieder. Als er etwa im November 2012 für Düsseldorf zum Spiel in der Leverkusener BayArena aufläuft, hat der seine beiden „Gast-Schwestern“ als Einlaufkinder an der Hand.

Jahrelang ist das Haus in der Waldsiedlung fest für Besuche eingeplant. „Wenn man dem Fußball alles unterordnet und nicht direkt aus der Umgebung kommt, ist eine Gastfamilie der absolut logische Schritt“, ordnet Giefer die Zeit heute ein. Von Freiling nach Leverkusen. Der lange Weg hat sich gelohnt.

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