
Klassenerhalt und der SC Paderborn – das passte in der jüngeren Vergangenheit nicht zusammen. Nur einmal in den vergangenen sechs Spielzeiten spielten die Ostwestfalen am Saisonende in derselben Liga wie zuvor – und selbst da war der SCP sportlich eigentlich abgestiegen. 2017 wurde der Verein 18. in der 3. Liga, der beispiellose Absturz von der Bundesliga in die Regionalliga schien perfekt. Doch weil 1860 München die Lizenz für die 3. Liga nicht erhielt, profitierte Paderborn – und dem Absturz folgte der Höhenflug. Trainer Steffen Baumgart (im Bild oben) und Markus Krösche als Geschäftsführer Sport führten das Team zu zwei Aufstiegen in Folge und der SCP ist wieder da, wo seine Fahrstuhlfahrt in der Saison 2014/15 begann: in der Bundesliga. Damals ging es nach einem Jahr sofort wieder nach unten, nun soll das Abenteuer von längerer Dauer sein. Vor allem aber will das Team mit spektakulärem Offensivfußball einen nachhaltigen Eindruck im deutschen Oberhaus hinterlassen, denn auf diese Weise hatte die Aschenputtel-Geschichte aus Ostwestfalen erst ihren Lauf genommen. 90 Tore in der 3. Liga, 76 in der 2. Bundesliga: Kaum eine Mannschaft im deutschen Profifußball spielte in den vergangenen Jahren so bedingungslos nach vorne wie der SCP. Dass sich das auch in dieser Saison nicht ändern soll, verdeutlichte der Auftakt im DFB-Pokal: Gegen den Viertligisten Rödinghausen hieß es nach 90 turbulenten Minuten 3:3, schließlich siegte Paderborn im Elfmeterschießen. An Mut zum Angriff wird es Paderborn wohl auch am Samstag in der BayArena nicht fehlen.
Große Sprünge auf dem Transfermarkt sind für Paderborn auch nach den zwei Aufstiegen nicht möglich, der Etat bewegt sich auf Zweitliga-Niveau. Die Neuzugänge im Sommer kamen dementsprechend aus Cottbus, Rostock, Duisburg oder der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund. Unter den Neuen haben bislang einzig Torhüter Jannik Huth sowie Außenbahnspieler Gerrit Holtmann schon Erfahrungen in der Bundesliga gesammelt, beide kamen beim FSV Mainz 05 jedoch auch nicht über die Reservistenrolle hinaus. Zumindest Huth avancierte aber im Pokal gegen Rödinghausen mit zwei gehaltenen Elfmetern zum Matchwinner. Einen echten „Star“ im Team sucht man beim SCP vergebens; nachdem Spielmacher Philipp Klement im Anschluss an eine überragende Zweitliga-Saison zum VfB Stuttgart gewechselt ist. Da zudem Flügelstürmer Bernard Tekpetey künftig für Düsseldorf statt für Paderborn aufläuft, fehlen Baumgart nun gleich zwei seiner torgefährlichsten Spieler aus der Vorsaison. Die Devise lautet daher: Die Abgänge im Kollektiv auffangen und vielleicht einen neuen Klement hervorbringen - allerdings ohne Sportdirektor Krösche, der nach dem Aufstieg zu RB Leipzig wechselte.
Baumgarts Spielphilosophie des stets offenen Visiers lässt gegnerischen Teams stets Raum für eigene Angriffe. Selbst Viertligist Rödinghausen gelangen im vergangen DFB-Pokalspiel drei Treffer gegen die Paderborner Defensive, auch eine zwischenzeitliche 3:1-Führung verschaffte dem SCP nicht die erhoffte Stabilität. Wie die Ostwestfalen den Angriffsreihen der Bundesligisten trotzen wollen, und ob der Defensivverbund über die notwendige Qualität verfügt, ist ein nicht unerhebliches Fragezeichen vor der zweiten Erstliga-Saison der Vereinsgeschichte. Ebenfalls muss sich zeigen, inwieweit der Verlust Klements das Offensivspiel beeinträchtigt. Gerade seine gefährlichen Standardsituationen hätten in der Bundesliga ein großes Plus für Baumgarts Team sein können.
"Mit dem Aufstieg sichern wir die 2. Liga", hatte sich Steffen Baumgart im Sommer in Understatement geübt. Ziel des SCP ist es, sich langfristig unter den besten 30 Klubs in Deutschland zu etablieren. Die Bundesliga ist für dieses Vorhaben nicht nur wirtschaftlich ein Segen für den Verein – ebenso wie Trainer Baumgart, mit dem es zumindest abseits des Platzes nicht mehr so turbulent zugehen soll wie in der Vergangenheit. Junge, unbekannte Spieler sollen entwickelt, das offensive Spielsystem weiter verfeinert werden, damit es selbst nach einem möglichen Wiederabstieg nicht so läuft wie 2015. Dennoch besitzt die Mannschaft auch in der Bundesliga das Potenzial, viele zu überraschen – und das nicht nur in einzelnen Spielen.
Trotz der fulminanten Zweitliga-Saison geht Paderborn als krasser Außenseiter in die neue Bundesliga-Spielzeit. Zu unbekannt sind die Namen im Kader, zu gering scheint die Qualität vor allem defensiv. Aber: Diese Probleme wurden den Ostwestfalen schon in den vergangenen beiden Jahren prognostiziert, dennoch übertraf der SCP alle Erwartungen. Auch jetzt kann Paderborn im Prinzip nur gewinnen - ein Umstand, der dem von Zwängen befreiten Spielstil sicher zuträglich sein wird. Die Offensivreihe der Paderborner kann auch in der Bundesliga jedem Gegner wehtun. Wenn Baumgart es schafft, sein Spielsystem an die neue Spielklasse anzupassen und die Defensive zur notwendigen Stabilität findet, ist der Klassenerhalt durchaus machbar - es wäre quasi der erste seit 2013.

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