Mit dem siebten Platz in der vergangenen Saison hat sich die TSG Hoffenheim zum vierten Mal in der Klubgeschichte für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert. Ein schöner Erfolg für die Kraichgauer, die nun in ihrem Jubiläumsjahr in der UEFA Europa League an den Start gehen dürfen und dort auf attraktive Gegner wie den FC Porto, Olympique Lyon und Tottenham Hotspur treffen. Am 1. Juli wurde die TSG 125 Jahre alt, der runde Geburtstag wird aber erst im Rahmen des Heimspiels gegen den SV Werder Bremen am 29. September groß gefeiert. Viel Grund zur Vorfreude auf eine besondere Spielzeit also. Allerdings sorgen einige personelle Umbesetzungen in Vorstand und Geschäftsführung für eine gewisse Unruhe im Verein, der sportlich durchwachsen in die neue Saison gestartet ist.
Nachdem die Kraichgauer in der ersten Runde des DFB-Pokals mit einem blauen Auge beim Regionalligisten Würzburger Kickers davongekommen waren (5:4-Sieg i.E.), folgte in der Bundesliga ein gelungener Auftakt gegen Aufsteiger Holstein Kiel. Vor allem in der ersten Halbzeit überzeugten die Blau-Weißen. „Man of the Match“ war Andrej Kramaric, der schon zur Pause mit seinen beiden Toren für eine 2:0-Führung gesorgt hatte. Nach dem Anschlusstreffer der Gäste war es erneut der Kroate, der mit seinem dritten Tor den alten Abstand wieder herstellte. Kurz vor dem Abpfiff kam Kiel zwar noch einmal heran, doch am Ende stand ein verdienter 3:2-Sieg für die TSG. „Es war nicht so einfach, aber die drei Punkte zählen“, sagte Matchwinner Kramaric nach dem ersten Bundesligaspiel der neuen Saison. Der 33-Jährige traf zwar auch eine Woche später erneut. Dennoch musste Hoffenheim sich bei Eintracht Frankfurt am 2. Spieltag mit 1:3 geschlagen geben. „Wir haben heute kein gutes Spiel gemacht“, gab Stürmer Marius Bülter selbstkritisch zu. Auch Innenverteidiger Anton Stach bekannte: „Wir hatten nicht den Zugriff, den wir haben wollten. Frankfurt hat in der Offensive super Einzelspieler. Wir haben sie zu oft ins eins-gegen-eins gelassen.“
Die anschließende Länderspielpause nutzte die TSG für ein Testspiel gegen den Schweizer Erstligisten FC Zürich. Beim 3:1-Sieg erzielten Pavel Kaderabek, Marius Bülter und Jacob Bruun Larsen die Treffer für dominante Hoffenheimer.
Schwer treffen dürfte die TSG der lange Ausfall von Mittelfeldakteur Grischa Prömel. Der 29 Jahre alte Vizekapitän zog sich vergangene Woche im Training einen Kreuzbandriss zu und wird wohl erst wieder in der Rückrunde zur Verfügung stehen. „Das ist eine extrem bittere Nachricht für uns und für Grischa selbst“, sagt Frank Kramer, interimistischer Sportlicher Leiter bei der TSG. „Er hat in unserer Mannschaft eine tragende Rolle auf und neben dem Platz inne und gerade beim laufenden Prozess des Zusammenwachsens unserer Mannschaft zu Beginn einer Saison mit Spielen auf nationaler und europäischer Bühne tut dieser Ausfall richtig weh.“
Auch Innenverteidiger Ozan Kabak wird nach seinem in der EM-Vorbereitung erlittenen Kreuzbandriss noch länger nicht zur Verfügung stehen. In den beiden ersten Liga-Spielen übernahm Anton Stach, von Hause aus Mittelfeldspieler, die zentrale Position in der Dreierkette, flankiert von Kevin Akpoguma und dem talentierten Tim Drexler.
Neuzugang Arthur Chaves, den die TSG kurz nach Ende des Sommer-Transferfensters vom portugiesischen Zweitligisten Académico de Viseu FC verpflichtete, durfte im Testspiel gegen den FC Zürich erstmals als Innenverteidiger ran. Der 23 Jahre alte Brasilianer soll sich „perspektivisch an das Niveau in Hoffenheim anpassen“, so Frank Kramer. Zwei weitere neue Gesichter bei den Kraichgauern sind geholt worden, um sofort zu helfen: Mittelfeldspieler Alexander Prass kam von Sturm Graz und stand gleich in allen drei bisherigen Pflichtspielen in der Startformation. Der in Leverkusen bestens bekannte Adam Hlozek belebte nach seinem Wechsel von Bayer 04 zur TSG zuletzt das Offensivspiel der Hoffenheimer. Auch Haris Tabakovic von Zweitligist Hertha BSC hat in der vergangenen Saison seine Torjäger-Qualitäten unter Beweis gestellt. Der 1,96-Meter-Hüne wurde mit 22 Treffern gemeinsam mit Robert Glatzel (Hamburger SV) und Christos Tzolis (Fortuna Düsseldorf) Torschützenkönig in der 2. Liga. Durchschlagskräftige frische Kräfte im Angriff sind allerdings auch vonnöten. Denn in Maximilian Beier (Borussia Dortmund) und Wout Weghorst (Ajax Amsterdam) hat die TSG zwei Torgaranten verloren. Beier war mit 16 Treffern erfolgreichster Hoffenheimer Schütze in der Vorsaison vor Kramaric (15), Weghorst traf siebenmal. Neben Chaves, Hlozek und Tabakovic sind zudem die Verteidiger Robin Hranac (Viktoria Pilsen) und Valentin Gendrey (US Lecce) neu bei der TSG.
Für Dauerbrenner Oliver Baumann wird die Partie gegen die Werkself eine besondere: Der Torhüter steht vor seinem 464. Bundesligaspiel und würde damit mit Toni Schumacher und Lothar Matthäus gleichziehen. Zuletzt kam Baumann in 91 Liga-Partien nacheinander zum Einsatz, die längste laufende Serie ligaweit. Letztmals gefehlt hatte er im November 2021.
Trotz Oliver Baumann, der zweifellos zu den besten deutschen Torhütern zählt, bereitet die Defensive Trainer Pellegrino Matarazzo weiterhin Sorgen. In der vergangenen Saison klingelte es 66-mal im Kasten der TSG, die damit die viertschlechteste Abwehr stellte. Und auch in dieser Spielzeit kassierten die Kraichgauer in zwei Partien bereits wieder fünf Treffer. In den jüngsten 21 Bundesliga-Heimspielen blieben die Hoffenheimer nie ohne Gegentor, das ist Vereinsnegativrekord.
Abzuwarten bleibt, wie der Klub die langfristigen Ausfälle der Leistungsträger Kabak und Prömel wegstecken wird und wie schnell sich die zum Teil erst spät verpflichteten Neuzugänge integrieren. „Am Ende wird die Zeit zeigen, wie gut die Transferaktivitäten tatsächlich waren in dieser Periode“, sagt Matarazzo, der am Samstag gegen Bayer 04 auch auf David Jurasek (Unterarmbruch), Finn Ole Becker (Meniskusschaden) und Ihlas Bebou (Knie-OP) verzichten muss. Die zuletzt ebenfalls verletzten Tom Bischof und Umut Tohumcu sind hingegen wieder einsatzbereit.
Was die Ausbeute betrifft, erwies sich der Angriff der Hoffenheimer bislang als eine Art Ein-Mann-Torpedo. Die vier TSG-Tore gehen allesamt auf das Konto von Andrej Kramaric. Der Kroate ist in Topform und startete in diese Spielzeit ebenso stark, wie er die alte beendet hatte: mit einem Dreierpack. Am letzten Spieltag der Vorsaison war ihm ein Hattrick beim 4:2-Sieg gegen den FC Bayern gelungen. Nun traf er auch zum Auftakt gegen Aufsteiger Kiel dreifach und anschließend einmal gegen Frankfurt. Aber auch Marius Bülter präsentierte sich als zweifacher Zuarbeiter in guter Form. Überhaupt verfügen die Kraichgauer nach wie vor über eine starke Offensive und viel individuelle Klasse. Mergim Berisha, Jacob Bruun Larsen, Adam Hlozek, Haris Tabakovic, das junge Talent Max Moerstedt sowie der noch verletzte Ihlas Bebou stehen neben Bülter und Kramaric für einen schlagkräftigen Angriff. Letzterer gibt sich vor dem Aufeinandertreffen mit dem Deutschen Meister und Pokalsieger kämpferisch: „Wir müssen an uns glauben, dann ist alles möglich“, sagte der 33-Jährige, der in achteinhalb Jahren und 256 Ligaspielen insgesamt 119 Treffer für die Kraichgauer erzielte und 53 Tore vorbereitete.
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