Wolfgang Rolff – Jenseits aller Ponyhöfe

Wolfgang Rolff, Kapitän der Leverkusener UEFA-Cup-Sieger Elf von 1988, wird am heutigen 2. Weihnachtsfeiertag 60 Jahre alt. Eine Hommage an den Leader mit dem wehendem Nackenhaar.
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Es gibt auch hier und heute, immerhin im sechsten Jahrzehnt der Bundesliga, außergewöhnliche Fußballer, auf deren unverdrossene Mitarbeit kein Trainer um kein Geld der Welt verzichten möchte. Ihre Namen stehen weniger für spektakuläre Tricks und Tore, für Bananenflanken oder Zauberbälle als vielmehr für manchmal unterschätzten, nicht immer gebührend respektierten, gediegenen und zuverlässigen Dienst an der Mannschaft.

Sie sorgen mehr oder weniger unauffällig, aber mit jeder Menge Hingabe für jene viel zitierte Balance zwischen offensiven und defensiven Kräften im Team, die auf Sicht erst den Erfolg ermöglicht. Sie halten den Laden zusammen. Sie machen jedem Gegner alsbald klar, dass er sich auf dem Holzweg befindet, wenn er glaubt, es gehe zu wie auf einem Ponyhof. Sie bündeln bei Bedarf die gerne auseinander driftenden Kräfte und Interessen in der Truppe. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass der Trainer in der Nacht vor dem Spiel ruhig schläft, sobald ihm die Gesundmeldung vorliegt.

Strategisch ein ausgezeichneter Könner unter diesen Jungs war in seinen aktiven Tagen ein gewisser Wolfgang Rolff, der als Kapitän jener großartigen Bayer 04-Elf, die – unvergessen – 1988 in zwei bemerkenswerten Final-Matches gegen Espanyol Barcelona den UEFA-Pokal gewann, in der Leverkusener Fanszene immer noch seinen besonderen Platz hat. Der Anführer einer seinerzeit zu allem entschlossenen und bis heute gefeierten Außenseiter-Truppe wird am heutigen 26. Dezember 60 Jahre alt. Der Mann, der sein Fußballer-Leben lang praktisch mit wehendem Nackenhaar und mit der Kraft der zwei Herzen unermüdlich unterwegs war, lebt mit seiner Familie hier in der Region und ist kein bisschen müde. Leute, wie die Zeit vergeht…

Rolff und der Werksklub

In einem Interview mit dem Fachmagazin 11 Freunde hat Rolff, der ja auch eine tolle Trainer-Karriere hingelegt hat, mal über sein denkwürdiges Jahr 1988 gesprochen. Als Sportler stand er damals in der Blüte seiner Leistungskraft. Im Trikot des traditionsreichen Hamburger SV hatte er fünf Jahre zuvor die Meisterschale und den Europapokal der Landesmeister gewonnen, einen Titel, der in der Branche ein gutes Stück Unsterblichkeit garantiert. 1986 wechselte er zu Bayer 04 ins Ulrich-Haberland-Stadion, wo eifrige Menschen auf dem besten Weg waren, aus einem Provinz- einen gestandenen Profiklub zu formen. Auch wenn der spätere Werksklub damals noch nicht Werksklub hieß, die Chemie und die Fußball-Philosophie stimmten zwischen den Klub-Verantwortlichen und dem Neuling, der neben gutem Spielverständnis eine ausgeprägte Leader-Mentalität einbrachte und sich als Sechser durchaus als eine Art Werktätiger am Ball verstand.

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Wolfgang Rolff (l.) und sein Trainer Erich Ribbeck (beide Bayer 04) im Dialog.

Wie bei der WM 2006

Rolff erinnert sich des besonderen Jahres 1988: „Erstmal war ich glücklich, bei der Europameisterschaft im eigenen Lande überhaupt dabei gewesen zu sein. Es ist eine tolle Atmosphäre, im eigenen Lande zu spielen, das war damals genauso wie bei der WM 2006… Naja, und den UEFA-Cup gewinnt man auch nicht alle Tage.“

Derart lakonisch spricht einer, der weiß, wie’s geht. Der schon das eine oder andere gewonnen hat.

In der kollektiven Leverkusener Erinnerung ist vor allem jenes Foto verewigt, auf dem die tags zuvor erkämpfte UEFA-Trophäe vor der Kulisse des früheren Rathauses in der Wiesdorfer City in den regenverhangenen Himmel gehalten wird. Mit überschäumendem Jubel performt in der Szene der damalige Vereinspräsident Gert-Achim Fischer.

Der wichtigste Elfmeter

Mannschaftskapitän Rolff und seine Mitstreiter auf dem Rasen hatten am Abend jenes 18. Mai, der als Eckpunkt in die Vereinsgeschichte von Bayer 04 eingehen sollte, für ein nicht erwartetes Happy End gesorgt: Die 0:3-Hinspiel-Niederlage in der katalanischen Metropole schoben sie vor erstmals ausverkauften Rängen getreu einem Satz des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain einfach beiseite, der einen Nachruf zu seinen Lebzeiten mit dem Hinweis quittiert hatte: „Die Nachrichten von meinem Tod sind stark übertrieben.“ Diese Jungs lebten. Sie waren so leicht nicht einzufangen. Chef Rolff ging voran und steuerte im finalen Elfmeterschießen selbst einen Treffer zum 3:2-Triumph bei. Dann reckte er den Pokal in die Nacht.

Rolff als Dauer-Kapitän

Wolfgang Rolffs zurückhaltende Art mag auch auf seine Herkunft zurückzuführen sein. Er ist geboren in Lamstedt im Landkreis Cuxhaven, in einer Gemeinde, die sich dank ihrer Lage zwischen Marsch, Geest, Wald, Moor und Heide anpreist, und Besuchern viel frische Luft verspricht. Seine Karriere baute der stille Star auf einer Maxime auf, die ihn sein Leben lang begleitet: „Ich habe in allen Klubs das Kapitänsamt bekleidet. Meistens geht das nur über die Leistung und die damit verbundene Anerkennung. Wen man als Nationalspieler und Vizeweltmeister nach Karlsruhe, Leverkusen oder Straßburg wechselt, hat man einen gewissen Background, der für junge Spieler, aber auch für den Trainer wichtig ist.“

37 Länderspiele hat er bestritten. Beim WM-Turnier 1986 in der dünnen Höhenluft von Mexiko gelang ihm ein spezieller Coup: Im Halbfinale schaltete er den großen französischen Spielmacher Michel Platini aus und zählte zum deutschen Kader bei den Europameisterschaften 1984 und 1988. Für Bayer 04 schnürte er zwischen 1986 und 1989 in 99 Bundesliga-Begegnungen die Schuhe (neun Tore).

Auf der Trainerbank

Auch als Trainer war Rolff ein Muster an Zuverlässigkeit. In Bremen saß er, getreu dem Vorbild des „ewigen“ Otto Rehhagel, als Assistent von Cheftrainer Thomas Schaaf mehrere Jahre auf der Bank. Nach Leverkusen holte ihn Manager Reiner Calmund im November 2000 zurück. Sechs Monate lang war er Mitglied der überaus prominent besetzten, aber letztlich gescheiterten Trainer-Combo Vogts/Littbarski/Rolff/Schumacher.

Ein besonders inniges Verhältnis habe er zu Egon Coordes gepflegt, der ihn in Bremerhaven, beim Start ins Fußballer-Leben „in Punkto Durchsetzungsvermögen“ geprägt hat, berichtet Rolff. Aber auch der große Ernst Happel und Erich Ribbeck hatten erheblichen Einfluss auf seinen Werdegang. Keine schlechten Wegbegleiter.

„Sir“ Erich. Noch einer aus der Bayer-04-Ehrengalerie. Womit wir wieder bei Ulrich Haberland und dem 18. Mai 1988 gelandet wären.

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