Die Tex­tile Geschichte der Werks­elf

Neben dem Vereinslogo ist das Erkennungsmerkmal eines Fußball-Vereins zweifelsfrei das Trikot. Ob Heim-, Auswärts-, Ausweich- oder Sondermodelle, mit Rundhals, V-Ausschnitt oder Kragen, als Kurzarm oder Langarm – in seinem 40. Bundesliga-Jahr blickt Bayer 04 auf eine textile Geschichte von rund 80 verschiedenen Designs zurück. Fast 40 Jahre lang wurden die (Bundesliga-)Trikots der Werkself vom Sportartikel-Hersteller Adidas gefertigt, anfangs aus Baumwolle, später aus Polyester. Nach dem Ausstieg des Herzogenauracher Unternehmens mit Ende der Saison 2015/16 nahm sich JAKO als neuer Partner in Sachen Teamausrüstung den Trikot-Gestaltungswünschen an. Anhand von elf Anschauungsobjekten schauen wir zurück auf die werkself’sche Trikot-Geschichte…

Weißer Anfang! Insgesamt sind es 294 Spieler und Torhüter, die in der Bundesliga-Historie der Werkself mit dem Kreuz auf der Brust aufgelaufen sind. Den Anfang machten am 11. August 1979 im ersten Liga-Spiel von Bayer 04 (1:3 gegen Bayern München) die folgenden 13 Akteure: Fred Bockholt, Klaus Bruckmann (halb im Bild, links), Mathias Brücken, Torschütze Dietmar Demuth (im Bild, rechts hinter Paul Breitner), Kurt Eigl, Jürgen Gelsdorf, Jürgen Glowacz, Harry Gniech, Dieter Herzog, Thomas Hörster, Walter Posner, Hans-Jürgen Scheinert und Peter Szech trugen allesamt das schnörkellose weiße Leibchen mit dem weiten rotem Kragen und den drei roten adidas-typischen Schulterstreifen. Als Pendant zu diesem Trikot gab es ein rotes und ein blaues (Ausweich-)Modell. Der Hintergrund für die Farbauswahl waren die damaligen Vereinsfarben Weiß und Rot sowie Blau in Anlehnung an den Mutter-Konzern.

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Einfach und schlicht! Die Farbauswahl blieb und bestimmte auch die Folgejahre. Allerdings verschwand nach den ersten Bundesliga-Jahren der (unter dem Bayer-Kreuz gelegene) Schriftzug „04 Leverkusen“ vom Trikotbauch und rückte als Emblem auf die aus Spieler-Sicht linke Brustseite. Das primäre Outfit des Werksklubs blieb von Kopf bis Fuß weiter im weißen, für die 80er Jahre typisch schlichten Design – und brachte erste Erfolge mit sich: Sieben Jahre nach dem Aufstieg ins Oberhaus qualifizierten sich Herbert Waas (im Bild, Nummer 9) und Bum-kun Cha (im Bild,Mitte) erstmals fürs internationale Geschäft. Auch beim ersten Auftritt auf europäischer Bühne im damaligen UEFA-Cup am 17. September 1986 präsentierte sich die Werkself in Weiß. Und wie: Die Werkself siegte mit 4:1 beim schwedischen Vertreter Kalmar FF.

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Weiß bleibt heiß! Am 18. Mai 1988 gibts für die Werkself den ersten Titel zu bejubeln – und zwar in weiß. Nachdem die Bayer 04-Equipe beim Rückspiel im Ulrich-Haberland-Stadion gegen Espanyol Barcelona einen 0:3-Rückstand (aus dem Hinspiel) aufgeholt hatte, gewann die Mannschaft von Erich Ribbeck im Elfmeterschießen und versetzte ganz Leverkusen in der Folge in einen Ausnahmezustand. Was nur wenigen wirklich aufgefallen ist und heutzutage unvorstellbar wäre: Die Werkself um Andrzej Buncol (im Bild, Nummer 4) und Tita (im Bild, Mitte) wechselte in der Halbzeit die Trikots – Weiß blieb dabei zwar die Grundfarbe, im zweiten Durchgang waren allerdings dezente rote und blaue Diagonalstreifen angesagt…

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...Die Hintergründe dafür blieben lange im Verborgenen. Nach Angaben des langjährigen Zeugwarts Harald Wohner kam es zum Tausch, weil das streifenfreie Modell aus der ersten Halbzeit in der Folgesaison noch weiter gebraucht wurde und nach der Partie nicht bei Fans oder den gegnerischen Spielern landen sollte. Und ein bisschen Aberglaube war sicherlich auch dabei – schließlich brauchten Rüdiger Vollborn, Wolfgang Rolff, Knut Reinhardt (im Bild, rechts) und Co. in den zweiten 45 Minuten dringend drei Treffer. Das diagonalgestreifte Trikot, das danach im Schrank blieb, hatte damals in der ersten Runde (beim 5:1-Erfolg gegen FK Austria Wien nach 0:0 im Hinspiel) „Glück“ gebracht. Und letztlich dann ja auch am 18. Mai 1988!

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Mit dem Kreuz auf der Brust! Seit 1936 prangte das Bayer-Kreuz groß auf der Brust der Werkself-Trikots. Weil sich das Konzern-Logo ohnehin im Vereins-Emblem befand, entschloss sich die Bayer AG im Jahre 1990 erstmalig dazu, mit Beginn des neuen Jahres für eigene Produkte zu werben und tauschte das Bayer-Kreuz gegen ein buntes Chamäleon aus – zu Beginn wurde fünf Jahre lang das Anti-Sodbrennen-Produkt „Talcid“ beworben. Es folgten die Bayer-Produkte „Alka Seltzer“ (1995 bis 1997) und „Aspirin“ (1997 bis 2000). Zur Saison 2000/01 zog der Werksklub schlussendlich – als letzter deutscher Profiklub nach – und überließ die Trikotbrust fremden Sponsoren: „RWE“ (2000 bis 2007), „TelDaFax“ (2007 bis 2011), „Sunpower“ (2011 bis 2013), „LG“ (2013 bis 2016) und den „Barmenia Versicherungen“ (seit 2016).

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Farbecht! In der Folge wurde es – chamäleongetreu – richtig bunt! Zur Saisoneröffnung 1991/92 gegen den FC Liverpool am 1. August 1991 präsentierte sich die Werkself um Andreas Thom (im Bild) in einem Konzern-Farben der Bayer AG angelehnten blau-weiß-grünen Modell mit dem typischen Chamäleon auf der Brust. Doch auch nach „Talcid“ gab es immer wieder mal farbige Ausweichmodelle, die nicht unbedingt die Vereinsfarben widerspiegelten, zum Beispiel in violett (Saison 1993/94), gelb-schwarz (Saison 1996/97) oder dunkelgrün (Saison 2004/05). So wie es sich eben für eine Farbenstadt gehört.

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Pokalsieg in Rot! Dass die Werkself nicht nur in Weiß sehr erfolgreich sein konnte, bewies die damalige Mannschaft von Dragoslav Stepanovic am 12. Juni 1993. Ganz in Rot (und drei markanten Adidas-Streifen auf der rechten Schulter) rang Bayer 04 im DFB-Pokal-Finale die Amateure von Hertha BSC mit 1:0 nieder und machte den zweiten großen Erfolg der Vereinsgeschichte perfekt.

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Erstmals wieder in schwarz und rot! Zur Saison 1994/95 bekam die Werkself um Rudi Völler (im Bild, links; im Duell mit Günther Schäfer beim 3:1-Sieg gegen Stuttgart am 1. Oktober 1994) erstmals wieder ein längs-gestreiftes Heim-Trikot in den Farben Schwarz und Rot – den heutigen Vereinsfarben. Das war nicht immer so. Denn nach der Fusion der Spielvereinigung Bayer 04 Leverkusen und dem Turn- und Spielverein 04 Leverkusen zum TSV Bayer 04 Leverkusen am 1. Juli 1984 wurden die Vereinsfarben vorrübergehend Rot und Weiß – und dementsprechend auch die Trikots. Das bis dahin letzte Mal, dass die Farben Rot und Schwarz kombiniert wurden, war in der Saison 1983/84 (rotes Trikot, schwarze Hose). Die schwarz-rote Farbgebung ist eine Renaissance an den ersten Dress der damaligen Werkself aus dem Jahre 1907.

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Erstmals mit Namen! Gestreift blieb das Jersey auch eine Spielzeit später. Nichtsdestotrotz folgte zur Saison 1995/96 eine Neuerung, die bis heute Bestand hat: Auf dem Rücken prangten nun über den Nummern erstmals auch die Namen der Werkself-Akteure. So wie auf diesem Bild vom 9. September 1995 beim 4:1-Sieg in Stuttgart zu sehen.

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Welcome, Königsklasse! Zur Saison 1996/97 verschwanden die Längstreifen wieder – für insgesamt vier Spielzeiten. Das Heimtrikot erstrahlte seit Saisonbeginn wieder in Rot, „Aspirin“ zierte fortan die Bayer 04-Brust. Sportlich gab es keinen Grund für Kopfschmerzen: Die Werkself holte sich die erste Vize-Meisterschaft, durfte an der Qualifikation zur Champions League teilnehmen und sicherte dort sich mit einem Sieg über Dinamo Tiflis erstmals das Ticket für die Königsklasse. Wie schon elf Jahre zuvor beim ersten Auftritt im UEFA-Cup behielten Niko Kovac (im Bild, links; im Duell mit Thomas Zdebel) und Co. – trotz roter Trikots – zum Auftakt eine weiße Weste: Am 17. September 1997 gab es zu Hause ein 1:0 gegen Lierse SK aus Belgien.

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Geklebtes Rot! Anfang der 2000er folgte zwei Spielzeiten lang nochmal ein schwarz-rotes Längsstreifen-Comeback, ehe die Trikots fortan wieder primär in ein rotes oder schwarzes (oder auch weißes) Farbbecken getaucht wurden. Aus den Längsstreifen entwickelten sich erstmals auch Querstreifen, wie zum Beispiel Ömer Toprak in der Saison 2015/16. In jenem Trikot ereignete sich übrigens einer der kuriosesten Trikot-Schmankerl in der Liga-Historie: Am 13. Februar 2016 lief der heutige BVB-Spieler im Liga-Spiel beim Darmstadt 98 in der ersten Halbzeit mit einem von Zeugwart Martin Kowatzki mit rotem Tapeverband zusammengeklebten Trikot (s. Bild) auf. Hintergrund: Zwei Wochen zuvor hatte sich Toprak (nach seinem Abstauber zum 1:1-Endstand gegen Hoffenheim) kurz vor Spielende bei einem Zweikampf an der Schulter verletzt. Nach seiner Auswechslung war das Trikot zu Behandlungszwecken auf der rechten Seite komplett zerschnitten und in der Folge unbeabsichtigt gewaschen und zusammengelegt worden. Das fiel allerdings erst kurz vor der Partie in Darmstadt in der Gästekabine auf – entsprechend kurzfristig musste kurzerhand reagiert werden.

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Last but not least! Nach dem Ende von Adidas bei Bayer 04 geht die Werkself seit über zwei Jahren mit Trikots der Firma JAKO in die Spiele. Das Heimtrikot ist dabei jeweils in schwarz gehalten – mit rotem Streifenmuster: Aus quer wurde diagonal wurde längs – und so prangt seit der Spielzeit 2018/19 ein breiter roter Querstreifen die Bayer 04-Brust. Das gab es übrigens auch schon einmal in der Historie der Werkself – Mitte der 80er lautete die Farb-Kombination allerdings: rotes Trikot, weißer Streifen.

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Eine Auswahl der Original-Trikot aus den vergangenen 40 Jahren ist neben den Exemplaren in der Schwadbud übrigens auf der Nordseite der BayArena (Zugang zum Lindner Hotel) ausgestellt.

Stand: März 2021