Von außen erlebt man den Deutsch-Portugiesen auf und neben dem Platz als ambitionierten, ehrgeizigen Menschen – immer bereit, gemeinsam mit seinen Trainerkollegen das Maximum aus jedem einzelnen Spieler herauszuholen. Selbige Zielsetzung strebt er auch für den eigenen Werdegang selbst an. Miguel Moreira will sich stetig weiterentwickeln. Sportlich wie sprachlich.
Spieler aus 14 verschiedenen Nationen stehen im Kader der Werkself. Mit allen von ihnen kann Moreira fließend und ohne jegliche Sprachbarriere kommunizieren. Muss es mal schnell gehen, und das Gespann um Cheftrainer Hannes Wolf möchte während des Trainings oder im Spiel neue Impulse und Anweisungen geben, ist Moreira gefragt. „In solchen Situationen geht es darum, Hannes und dem jeweiligen Spieler sofort zu helfen. Wenn ein Spieler die Anweisungen nicht zu einhundert Prozent versteht, könnte das negative Auswirkungen auf unser Spiel haben. Insofern ist es da irgendwie ein Reflex oder Automatismus von mir, direkt zu helfen und zu unterstützen“, erklärt der 37-Jährige.
In Zeiten der Globalisierung, die längst auch den Fußball erreicht hat, fachliche und sprachliche Qualifikationen auf sich zu vereinen, ist definitiv ein Vorteil. Das sieht auch Moreira so: „Die Mehrsprachigkeit wird immer wichtiger im Profifußball. Die Kader der Mannschaften werden immer internationaler. Dort kommen Spieler aus aller Herren Länder zusammen. Hier bei Bayer 04 erreiche ich kommunikativ jeden – ob Edmond Tapsoba, der in Portugal gespielt hat, die Südamerikaner wie Aránguiz oder Palacios oder auch Moussa Diaby mit Französisch. Mit allen anderen kann ich darüber hinaus Deutsch oder Englisch sprechen.“
Wer sich schon einmal ausgiebig mit dem Erlernen einer Fremdsprache beschäftigt hat, dürfte allerdings schnell festgestellt haben, dass dies wahrhaft kein einfaches Vorhaben ist. Wie konnte Moreira, der trotz seines jungen Alters bereits seit über zehn Jahren im Nachwuchsleistungsbereich und Profifußball tätig ist, also neben Deutsch gleich die Kompetenzen für vier weitere Sprachen erlangen?
Portugiesisch beherrscht der Co-Trainer der Werkself aufgrund seiner Wurzeln. Seine Eltern, die ursprünglich – so sagt er selbst – aus dem „Middle of Nowhere“ Portugals kommen, wanderten in den 1970er Jahren nach Deutschland aus. Im Hause Moreira wurde mit Miguel von klein auf viel Portugiesisch gesprochen. „Die Sprache wurde mir so gesehen geschenkt“, sagt der gebürtige Dortmunder. Den Feinschliff in Sachen Grammatik und Rechtschreibung holte er sich dann am Max-Planck-Gymnasium in Dortmund, das ihm sogar ermöglichte, Portugiesisch als Abiturfach zu belegen.
An jenem Gymnasium mit dem Schwerpunkt Fremdsprachen legte Moreira auch die Grundsteine für sein hervorragendes Englisch (neun Jahre) und Französisch (drei Jahre). „Meine Französisch-Kenntnisse haben sich dann durch die verschiedensten Spieler während meiner bisherigen Trainerstationen ausgebaut. Ich hatte in der U17 beim BVB Spieler aus Belgien, mit denen man sich auf Französisch verständigt hat. Beim VfB Stuttgart waren es dann beispielsweise Benjamin Pavard oder Orel Mangala. So konnte ich meine Kenntnisse über die Zeit gut aufpolieren“, erklärt Moreira.
Dass Moreira in seinem Handeln nicht nur außerordentlich zielstrebig agiert, sondern ihm dazu auch eine gehörige Portion Talent mit auf seinen Weg gegeben worden ist, zeigt auch die Aneignung seiner Kenntnisse bei Sprache Nummer fünf: „Beim Spanischen ist es so, dass dort einfach die Nähe zum Portugiesischen gegeben ist. Alles weitere war dann ‚learning by doing‘. Ich hatte schon immer ein großes Interesse an Sprachen. Mir fällt es einfach leicht, Fremdsprachen zu lernen.“
Ausgelernt habe das Sprach-Ass laut eigener Aussage aber keinesfalls. Sein nächstes Ziel hat Moreira schon fest vor Augen – und eventuell kann ihn mit dem Argentino-Italiener Lucas Alario ja auch ein aktueller Werkself-Profi bei seinem Vorhaben unterstützen. „Italienisch ist eine unfassbar schöne Sprache, auch von der Melodik her“, schwärmt er und ergänzt: „Es gibt ja inzwischen diverse Apps, mit denen man neue Sprachen wunderbar lernen kann. Da habe ich mir natürlich schon ein Lifetime-Abo gesichert und werde mich da ein bisschen austoben.“
Neben seinem Sprachtalent glänzt Moreira aber auch mit seiner Fach-Expertise als Fußballtrainer. Zwar gehört er mit 37 noch zu den jüngeren Coaches im Profifußball, dennoch wird er auf und neben dem Platz für seine analytischen und inhaltlichen Fähigkeiten geschätzt. Moreira dazu: „Leute wie Hannes oder Peter (Co-Trainer Peter Hermann, Anm. d. Red.) wissen: In erster Linie bin ich Fußballtrainer, alles andere kommt dann noch ‚on top‘.“
Hannes Wolf kennt seinen derzeitigen Leverkusener Co-Trainer schon seit Jahrzehnten. Die Entstehungsgeschichte des Trainergespanns Wolf/Moreira dürfte man durchaus als eine Story aus der Rubrik „Fußballromantik“ bezeichnen: Schon als Kinder spielten die beiden auf Asche im selben Dortmunder Vorortsverein im Herzen des Ruhrgebiets. Erneut kreuzten sich die Wege im Jahr 2006, als Wolf beim ASC 09 Dortmund im Alter von 25 Jahren als Spielertrainer anheuerte und den zwei Jahre jüngeren Moreira zum Kapitän der Mannschaft ernannte. So war das Sturmduo „Wolf/Moreira“ geboren.
Als es Hannes Wolf 2009 als Trainer in den BVB-Nachwuchs zog, blieb Moreira zunächst beim ASC 09. Doch die Trennung der beiden war nur eine auf Zeit. „2013 wurde bei Hannes im Trainerteam die Stelle als Co-Trainer frei, weil der heutige BVB-Trainer Edin Terzic die Gelegenheit bekam, die neu entstandene U16 bei Borussia Dortmund zu übernehmen. So kam es dann, dass Hannes die Idee hatte, mich als Co-Trainer dazu zu holen. Das war der Beginn unseres gemeinsamen Trainer-Abenteuers.“
Gemeinsam folgten erfolgreiche Jahre im Nachwuchsleistungszentrum der Schwarz-Gelben. Gleich drei Mal konnte das heutige Bayer 04-Trainergespann die Deutsche Junioren-Meisterschaft mit der U17 (2x) und U19 des BVB gewinnen. Es folgten Profi-Stationen beim VfB Stuttgart sowie beim belgischen Topklub KRC Genk – und nun eben das Engagement bei der Werkself.
Der Sprung in den Profifußball war für den damals noch hauptberuflich als Physiotherapeut arbeitenden Moreira laut eigener Aussage eine große Umstellung: „Ich war ja eigentlich hauptberuflich noch gebunden. Meine Tätigkeit im NLZ des BVB war bis dahin nur nebenberuflich.“
Moreira hatte sich als Physiotherapeut selbstständig gemacht und führte mit seiner Ehefrau, die immer noch dem Beruf nachgeht, eine eigene kleine Praxis. Der drastische Cut, vom nebenberuflichen NLZ-Trainer zum Co-Trainer eines renommierten Vereins wie dem VfB Stuttgart, war nicht nur für Moreira selbst ein Sprung ins kalte Wasser, sondern überraschte auch manch einen seiner Kunden: „Ich habe dann von Stuttgart aus meine letzten Patienten angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass ich erst einmal nicht mehr zurückkommen werde.“
Nach der gemeinsamen Zeit mit Hannes Wolf beim VfB Stuttgart legte der heute 37-Jährige seine Tätigkeit als Trainer im Profifußball zunächst für zwei Jahre nieder – keineswegs, um zu entspannen oder die Seele baumeln zu lassen, sondern um sich fachlich wie menschlich weiterzuentwickeln. Es folgten Trainer-Hospitationen bei Benfica Lissabon, um den fußballerischen Horizont zu erweitern. Zudem besuchte Moreira Fußball-Kongresse sowie Sprachkurse. Und auch privat gab es in dieser Zeit Positives zu berichten: Sein zweites Kind wurde geboren. „Da gab es viel zu tun“, so Moreira in seiner gewohnt lebendigen und offenen Art.
Natürlich reflektierte er in dieser Zeit auch, ob das Geschäft Profifußball das ist, in welchem er auch weiterhin arbeiten möchte, oder ob es ihn zurück in ein Nachwuchsleistungszentrum zieht. Nun ist es mit Bayer 04 erst einmal wieder der Profifußball geworden.
Seine Antwort auf die Frage bezüglich seiner persönlichen Zukunft zeigt erneut die Leidenschaft des 37-Jährigen für seine Tätigkeit in der Fußballbranche - den Beruf des Trainers will Moreira nicht mehr missen: „Machen wir uns nichts vor: Es ist der beste Job, den es auf der Welt gibt – zumindest für mich. Es ist ein Privileg, Trainer zu sein. Täglich mit den Spielern zusammenzuarbeiten, im Trainerbüro mit den Kollegen zu sitzen. Es ist das, was ich am besten kann und was ich noch viele Jahre machen möchte.“
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