Heiko Herrlich – der Bessermacher

Trainer Heiko Herrlich hat eine verunsicherte Mannschaft binnen eines halben Jahres wieder in die Spur gebracht und ihr neuen Schwung und alten Glauben an eigene Stärken verabreicht. Die Würdigung eines erfolgreichen Einstiegs.
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Als er im Juli seinen Dienst auf der schwarz-roten Kommandobrücke begann, kam er als Aufsteiger und Heimkehrer. 29 Jahre nachdem er als 18-jähriger Jungspund aus dem beschaulichen Freiburg gekommen war und sich bei Bayer 04 seine ersten Sporen als Profi verdiente, wurde Heiko Herrlich wieder zu einem Leverkusener. Jahn Regensburg hatte er kurz zuvor überraschend in der Relegation in die 2. Bundesliga geführt, jetzt stand der gebürtige Mannheimer vor der Aufgabe, einer in der Saison zuvor schwer gestrauchelten Mannschaft wieder Leben einzuhauchen. Sein Anspruch bei Amtsantritt: „Es ist meine Aufgabe gemeinsam mit den Spielern, die Schätze, die hier zuletzt zugeschüttet waren, wieder freizulegen und zu heben. Wir wollen dem Publikum einen eingeschworenen Haufen präsentieren.“

Heute, knapp ein halbes Jahr später, kann man nur konstatieren: Alles richtig gemacht, der Mann! Die Werkself, in der vorigen Spielzeit lange Zeit am Abgrund taumelnd, befindet sich inzwischen wieder da, wo sie sich im letzten Jahrzehnt fast dauerhaft befand und auch vom Selbstbild her verortet: in der Spitzengruppe der Liga. Aber Heiko Herrlich wäre nicht Heiko Herrlich, wenn mit der beeindruckenden Hinrunde mit Platz vier in der Liga und dem Erreichen des Viertelfinales im DFB-Pokal bei ihm schon Genügsamkeit einherginge. Immer weiter, immer mehr, immer besser: Den Hunger und die Gier nach Erfolg, die er den Seinen seit Monaten einzuimpfen versucht, lebt der 46-Jährige vor – in aller Bescheidenheit, versteht sich. „Es gibt genug Ansätze für Kritikpunkte. Wenn wir eine Spitzenmannschaft wären, hätten wir 2:0 oder 3:0 gewonnen und Kräfte gespart“, hat er kürzlich nach dem ebenso verdienten wie knappen 1:0 gegen Bremen zu Protokoll gegeben, als die Journalisten der Werkself das Gütesiegel „Team der Stunde“ anhefteten.

Ein Verbindungsmann

Großspurigkeit war noch nie sein Ding, nicht früher als aktiver Athlet, nicht heute als Führungskraft einer sportlichen Zweckgemeinschaft. Heiko Herrlich ist ein Verbindungsmann, kein Vereinzeler und Spalter. Eine seiner ersten Handlungen in Leverkusen bestand darin, sich jedem der einzelnen der paar hundert Mitarbeiter der Bayer 04 Fußball GmbH persönlich vorzustellen – diesbezüglich ist er im besten Wortsinne ein Trainer der alten Schule. Die klare Botschaft dahinter steht für sein Selbstverständnis: Alle sind wichtig fürs Gelingen des Ganzen, nicht nur die elf Mann, die gerade im Scheinwerferlicht auf dem Rasen stehen. Es ist Herrlichs Credo, das er von Beginn an beharrlich vorlebt und verkündet: Ein Team kann so viel mehr sein als nur die Summe seiner individuellen Stärken, erst gemeinsam lassen sich Großes bewirken und gewaltige Brocken verrücken.

Ein felsiges Ambiente diente ihm in der Vorbereitung im Trainingslager auch zur Visualisierung dieses Gedankens. Vier Stunden lang bestieg der Bayer 04-Tross den 2000 Meter hoch gelegenen Gipfel der Schmittenhöhe in den Kitzbüheler Alpen – mit allen Mann, vom Zeugwart bis zum Geschäftsführer. Teamgeist, Schulterschluss, eine einheitliche Mentalität des Wollens etablieren – „Es ist nicht der letzte Berg, den wir gemeinsam erklommen haben. Auf uns kommen noch größere Hindernisse zu, die wir zusammen meistern wollen“, hat er der erschöpften Truppe nach dem Bergmarsch gesagt. Auch diese Einschätzung hat er seinen Profis vermittelt: „Was vorne auf dem Trikot ist, ist wichtiger als das, was hinten draufsteht.“ Das Wappen vor dem Namen, das Wir vor dem Ich.

Ich habe nicht erwartet, dass ich hierher komme und alles sofort funktioniert. Ich bin kein Zauberer

Auch als zu Saisonbeginn der Wind kräftig von vorn wehte und Team wie Trainer trotz ansprechender Leistungen nach nur vier Punkten aus den ersten fünf Bundesliga-Begegnungen in der (Medien-)Öffentlichkeit kritisch beäugt wurden, hatte die Überzeugung bei den Bayer 04-Verantwortlichen nicht gelitten, dass Heiko Herrlich der richtige Mann am richtigen Ort ist. „Ich habe auch in den ersten Wochen, als es nicht so lief mit den Ergebnissen, gesagt, dass es Heiko mit seinem Trainerteam hervorragend macht. Ich war mir immer sicher, dass er die Mannschaft wieder in die Spur bekommt“, betonte Sportchef Rudi Völler. Auch der Trainer ließ sich nicht verrückt machen und vertraute auf bewährte Grundsätze: Wachsen an Widerständen, hohe Frustrationstoleranz. „Ich habe nicht erwartet, dass ich hierher komme und alles sofort funktioniert. Ich bin kein Zauberer. Wir haben uns Schritt für Schritt verbessert, das ist auch ein Prozess, für den ständige Überzeugungsarbeit nötig ist.“

Leistung als Prinzip

Der Erfolg hat sich eingestellt. „Wir stehen für Tore, aggressiven und attraktiven Fußball, eine offensive Aufstellung. Das ist die Spielidee von Heiko Herrlich“, sagt Rudi Völler. 14 Pflichtspiele in Folge nicht verloren bis zum Jahresende, seit 22 Bundesligaspielen immer getroffen, 13 verschiedene Torschützen nach der Hinrunde der Bundesliga (absoluter Spitzenwert), Spielanteile für fast alle Bayer 04-Akteure, ein flexibles Wechseln von Personal und taktischem System, auch während der Spiele – immer angepasst an die Erfordernisse auf dem Platz. „Heiko lebt vor, was er von der Mannschaft einfordert. Bei ihm zählt vor allem das Leistungsprinzip“, sagt Jonas Boldt, Manager Sport. Herrlich hat die komplette Truppe vom ersten Tag seines Wirkens an mitgenommen auf seinem Weg: Wer bei ihm spielt, hat es auch verdient. Umgekehrt gilt's genauso: Wer es sich verdient, spielt auch. Und weil das so ist, ist seine Gefolgschaft groß in der Gruppe.

Ein guter Trainer wird gemeinhin auch daran gemessen, ob es ihm gelingt, Spieler besser zu machen. Schaut man sich die Entwicklung bei einem Leon Bailey, Kevin Volland oder Jonathan Tah an, liegt das positive Urteil auf der Hand. Aber Heiko Herrlich hat in seinem ersten halben Jahr bei Bayer 04 noch viel mehr geschafft: Er hat gleich das ganze Team besser gemacht!

 

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