Aus dem Dorf ins Ram­pen­licht

Ben Hawig­horst im Por­trät

Im vergangenen Jahr erreichte Ben Hawighorst mit der U17 von Bayer 04 das Finale um die Deutsche Meisterschaft der B-Junioren, spielte in dieser Saison mit der U19 in der UEFA Youth League und stand dreimal im Profikader von Xabi Alonso. Der Kapitän der deutschen U17-Nationalmannschaft, ein Leverkusener Eigengewächs, zählt zu den größten Talenten unterm Kreuz, überzeugt auch mit seiner professionellen Einstellung und Disziplin.

In Zeiten, in denen Nachwuchsspieler längst nicht mehr nur in der näheren Umgebung beobachtet werden, sind Volltreffer wie Ben Hawighorst eher die Ausnahme. Bei ihm ist die Scouting-Abteilung von Bayer 04 gleich vor der Haustür fündig geworden – im Leverkusener Stadtteil Lützenkirchen. Dass Hawighorst beim dort beheimateten SSV mit dem Kicken begann, lag im wahren Wortsinn nahe: Sein Elternhaus steht nur einen Steinwurf vom Sportplatz entfernt. „Ich musste aus unserem Garten nur einmal über den Köttelbach springen und schon war ich auf dem Platz“, erinnert sich der 17-Jährige. „Als wir hierherzogen, war ich fünf Jahre alt und für mich stand sofort fest, dass ich beim SSV Fußball spielen würde.“ Seine Familie ist in Leverkusen tief verwurzelt. Die Großeltern väterlicher- wie mütterlicherseits leben nebenan in Steinbüchel, sind seit Jahr und Tag Bayer 04-Fans und Dauerkarteninhaber.

Auch selbst Sport zu treiben, wurde im Hause Hawighorst immer großgeschrieben. Bens Mutter, eine Ärztin für Arbeitsmedizin, hat Fußball gespielt, sein Vater, ein Agrarwissenschaftler, war Basketballer. Beide zogen zwischenzeitlich aus beruflichen Gründen für ein paar Jahre nach Göttingen. Ben ist dort geboren. Fünf Jahre später ging es zurück in die Heimat. „Ich bin Leverkusener durch und durch“, sagt der Nachwuchsfußballer. Und da schwingt unüberhörbar ein lokalpatriotischer Ton mit. Vor allem ist Hawighorst Lützenkirchener. „Im Dorf“, wie man hier sagt, fühlt er sich zu Hause. Nicht nur wegen des Sportplatzes. Die Menschen sind bodenständig. Familie, Freunde, Nachbarn – fast alle tragen das Bayer-Kreuz im Herzen. Wer weiß, vielleicht wird Hawighorst ja der nächste „local hero“ von Bayer 04. Wie einst Knut Reinhardt, der seine Karriere auch beim SSV Lützenkirchen begonnen hatte und 1988 mit der Werkself den UEFA-Cup gewann.

Ben Hawighorst

Aber zurück zu Hawighorst: Bayer 04 hatte früh die Fühler nach dem talentierten Jungen ausgestreckt. Der mochte allerdings nach ein, zwei Probetrainings nicht gleich dem Ruf des großen Nachbarklubs folgen. „Ich wollte als Sechsjähriger nicht weg vom SSV, sondern einfach weiter mit meinen Freunden in Lützenkirchen kicken.“ Bayer 04 blieb dennoch in Kontakt mit seinen Eltern. In der U11 war Hawighorst schließlich bereit für den Wechsel an das Leistungszentrum Kurtekotten. Dort gehörte das Talent zunächst als Sechser, später als linker Verteidiger und Innenverteidiger immer zu den Jahrgangsbesten. Auch der Deutsche Fußball-Bund wurde schnell auf den Leverkusener aufmerksam. Im Mai 2023 gab Hawighorst sein Debüt für die U15-Nationalmannschaft des DFB.

Seitdem trägt er regelmäßig das Trikot mit dem Adler auf der Brust, ist inzwischen sogar Kapitän der U17-Auswahl, die sich kürzlich für die im Frühsommer anstehende EM in Albanien qualifiziert hat. Bei den entscheidenden Spielen im März fehlte Hawighorst allerdings. Zum ersten Mal in seiner noch jungen Karriere musste er in diesem Frühjahr einige Wochen verletzungsbedingt pausieren. Anfang Februar zog er sich einen Bänderriss zu, dann bremste ihn gleich nach der Genesung ein Muskelfaserriss im Oberschenkel aus. Keine schöne Phase. Aber vielleicht mal eine Gelegenheit, die ereignisreichen vergangenen knapp zwei Jahre Revue passieren zu lassen?

„Ja, da ist wirklich eine Menge passiert“, sagt Hawighorst. Allein schon der Umzug mit der U17 vom Leistungszentrum Kurtekotten an die BayArena vor der vergangenen Spielzeit: „Das ist nochmal eine ganz andere Welt, alles wird noch professioneller. Du musst so viele neue Eindrücke verarbeiten, lernst so viele neue Menschen und Abläufe kennen.“ Er selbst hat das alles gut hinbekommen und spielte mit der U17 eine fantastische Saison. Die Mannschaft von Trainer Sergi Runge wurde ungeschlagen Westdeutscher Meister, den Titel hatte Hawighorst mit seinem Treffer zum 3:2 gegen den FC Schalke 04 perfekt gemacht. In der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft gelang der Sprung ins Finale. Die Last-Second-Niederlage gegen Borussia Dortmund (2:3 n.V.) sei zwar „die bitterste“ seiner bisherigen Laufbahn gewesen, sagt der Innenverteidiger. „Aber im Nachhinein bin ich dankbar für diese unglaubliche Saison und die Erfahrung, das Finale spielen zu dürfen.“

Ben Hawighorst

Als 2008er Jahrgang zählt er auch in der aktuellen Saison offiziell noch zum Kader der U17. Dennoch spielte er meist für die U19, ging mit ihr in der UEFA Youth League an den Start. Gleich im Auftaktspiel gegen Feyenoord Rotterdam erzielte Hawighorst beim 2:1 den ersten Treffer. Wieder ein wichtiges Tor des Abwehrspezialisten, wie beim 3:2 gegen Schalke ein paar Monate zuvor. „Dabei bin ich eigentlich gar nicht so torgefährlich“, gesteht der außerplanmäßige Goalgetter. Seine Qualitäten liegen woanders. Sergi Runge, mittlerweile U19-Coach, sagt über seinen Innenverteidiger: „Ben kennt sich sehr gut, er weiß genau, wo seine Stärken liegen. Er versteht das Spiel, er ist sehr fokussiert.“

Das Lob des Trainers freut ihn natürlich. Es stimme schon, er wolle immer nachvollziehen können, was genau und warum er welche Dinge auf dem Platz zu tun habe. Großes taktisches Verständnis, Zweikampfstärke, Übersicht, Ruhe am Ball, gutes Aufbauspiel: Seine Fähigkeiten hat er auch gegen die internationalen Top-Teams in der Youth League unter Beweis gestellt. „Es war mega interessant gegen Mannschaften wie Inter Mailand oder Liverpool zu spielen. Diese Vergleiche zeigen dir, wie weit du selbst in deiner Entwicklung bist, was vielleicht auch noch fehlt“, sagt Hawighorst. „Ich denke, wir haben uns in der Ligaphase wirklich gut präsentiert.“ Am Ende reichte es nicht ganz für den Einzug in die K.-o.-Phase. Wohl auch deshalb nicht, weil die U19 unter allen Teilnehmern eine der jüngsten Mannschaften stellte.

Natürlich ist es mein Traum, Profi zu werden und für die Werkself in der BayArena aufzulaufenBen Hawighorst

Wie einige andere seiner Teamkollegen durfte auch Hawighorst in der laufenden Saison bereits Profiluft schnuppern. Und das nicht nur während der Trainingseinheiten unter Xabi Alonso. Er stand bei den Champions-League-Partien gegen den FC Salzburg, Atlético Madrid und Sparta Prag im Lizenzkader.

Auch wenn er nicht zum Einsatz kam, die Momente in der Kabine, beim Warmmachen auf dem Platz und später auf der Bank möchte er nicht missen. „Natürlich ist es mein Traum, Profifußballer zu werden, für die Werkself in der BayArena aufzulaufen“, sagt Hawighorst. Als Fünfjähriger habe er dort erstmals auf der Tribüne gestanden, wurde später ein großer Fan von Kai Havertz. „Obwohl der gar nicht meine Position spielte, aber ich mochte einfach seine Art, Fußball zu spielen. Meine Eltern kauften mir ein paar Werkself-Trikots, die ich mit seinem Namen und seiner Nummer beflocken ließ.“ Havertz durchlief ab der U12 alle Jugendmannschaften am Kurtekotten, gab im Alter von 17 Jahren sein Profi-Debüt für Bayer 04. Auch Hawighorst könnte das schaffen. Unter Druck setzt er sich aber nicht. „Ich habe keinen fixen Zeitplan. Ich will mich einfach bestmöglich entwickeln.“ Klingt vernünftig.

Ohnehin macht der Schüler des Landrat-Lucas-Gymnasiums, der am 1. März seinen 17. Geburtstag gefeiert hat, einen sehr reflektierten Eindruck. Er blickt gern über den Tellerrand hinaus, ist vielseitig interessiert, hört in seiner Freizeit Podcasts mit politischem, wirtschaftlichem oder sportlichem Hintergrund. Ansonsten ist Hawighorst nicht so viel digital unterwegs. „Ich habe kein Talent im Gaming, sondern bin viel lieber draußen an der Luft.“ Mit Freunden. Oder mit seinen zwei jüngeren Brüdern, die beide noch beim SSV Lützenkirchen kicken. Wenn es zeitlich passt, schaut er ihnen am Wochenende bei ihren Spielen zu. Der Platz, auf dem er selbst auch mit dem Kicken begann, ist ja gleich nebenan – nur einmal über den Köttelbach.

Alle Ausgaben online verfügbar

Auf bayer04.de gibt es übrigens alle bisherigen Werkself-Magazine seit Ausgabe 1 aus der Saison 2015/16.

ZU ALLEN AUSGABEN!

Du willst die neuen Ausgaben des Werkself-Magazins vor allen anderen lesen? Dann werde jetzt Mitglied bei Bayer 04 und profitiere von diesen und vielen weiteren Vorteilen der Mitgliedschaft!

ZUR ANMELDUNG!