Es war ein typischer Pokalfight, den sich der VfL Wolfsburg und Zweitligist Eintracht Braunschweig am Mittwochabend im Niedersachsen-Derby geliefert haben. Die Zuschauer im Eintracht-Stadion bekamen keinen spielerischen Leckerbissen präsentiert. Aber den hatte Niko Kovac auch nicht erwartet. „Wir mussten zusehen, dass wir uns wehren und ich finde, das haben wir ordentlich gemacht“, sagte der VfL-Coach nach dem 2:1-Sieg seiner Mannschaft, die früh durch Mattias Svanberg in Führung gegangen war und sich auch durch den Ausgleich kurz vor der Pause nicht aus der Ruhe bringen ließ. Jakub Kaminski schoss effiziente und clevere Wolfsburger schließlich mit seinem Siegtreffer ins Achtelfinale des DFB-Pokals. „Pure Freude“, empfand Kapitän Maximilian Arnold. „Wir sind eine Runde weiter, das ist es, was zählt heute Abend.“ Für Kovac war es im Übrigen die Fortsetzung einer beeindruckenden Serie: Als Trainer gewann er sein 16. DFB-Pokalspiel in Folge. Mindestens genauso wichtig dürfte ihm gewesen sein, dass seine Mannschaft mit dem Erfolg in Braunschweig ihren Aufwärtstrend bestätigte. Seit vier Pflichtspielen sind die Grün-Weißen nun ungeschlagen. In der Bundesliga haben sie aus den letzten fünf Spielen acht Punkte geholt. Zuletzt gab’s zwei Unentschieden gegen Borussia Mönchengladbach (2:2) und beim FC Augsburg (1:1), davor den 3:2-Sieg gegen den VfB Stuttgart und einen 1:0-Erfolg bei Eintracht Frankfurt. Unterbrochen wurde die kleine Serie nur vom 0:2 bei Tabellenführer 1. FC Union Berlin.
In den vergangenen Wochen habe man sich in vielen Bereichen verbessert, stellte Kovac fest. „Fußballerisch können wir uns noch weiter steigern, aber die Mannschaft macht Fortschritte im spieltaktischen Bereich.“ Nach dem schwierigen Saisonstart mit nur zwei Punkten aus den ersten fünf Spielen hat der Kroate und ehemalige Bayer 04-Profi, der zwischen 1996 und 1999 das Werkself-Trikot trug, sein Team stabilisiert. Gänzlich zufrieden kann der 51-Jährige aber natürlich nicht sein – angesichts von nun zehn Punkten aus zehn Spielen und Platz 13 in der Tabelle. Den eigenen Ansprüchen, wieder zurückzukehren in einen internationalen Wettbewerb, hinkt man derzeit noch hinterher. „Wir hätten mehr Punkte haben müssen, aber mit der Entwicklung der Mannschaft bin ich zufrieden – wir sind da!“, lautet des Trainers Zwischenfazit.
Schon gegen Gladbach konnte Kovac fast aus dem Vollen schöpfen. Auch der dänische Mittelstürmer Jonas Wind stand nach mehrwöchiger Zwangspause wegen einer Sehnenverletzung im Oberschenkel gegen die Borussen erstmals wieder im Kader und kam zu einem Kurzeinsatz. Beim Pokalspiel in Braunschweig nahm Kovac nur einen Wechsel in der Defensive vor: Für Maxence Lacroix übernahm Sebastiaan Bornauw die Position in der Innenverteidigung.
In der Viererkette vor Torhüter Koen Casteels ist neben Lacroix meist der Niederländer Micky van de Ven gesetzt. Der Brasilianer Paulo Otávio, der gegen Gladbach beide Treffer vorbereitete, überzeugt auf der linken Abwehrseite, rechts hat der deutsche Nationalspieler Ridle Baku inzwischen sein Formtief überwunden.
Schlüsselspieler der Niedersachsen ist Kapitän Maximilian Arnold. Als Sechser sichert der 28-jährige hinten die Räume, wenn Otávio oder Baku nach vorne marschieren. Dauerbrenner Arnold, der schon seit 13 Jahren das Wölfe-Trikot trägt, ist Abräumer, Aufbauspieler, Stratege und Vollstrecker in einer Person. Neben ihm im Mittelfeld agieren die laufstarken Yannick Gerhardt und Mattias Svanberg, der im Sommer vom FC Bologna in die Autostadt gekommen war. „Wir sind flexibler geworden“, sagt Arnold, „und rücken viel mehr zusammen“. Auf den offensiven Außenpositionen haben sich in den vergangenen Wochen die beiden jungen Neuzugänge Jakub Kaminski (von Lech Posen) und Patrick Wimmer (Arminia Bielefeld) festgespielt. Alternativen im Mittelfeld sind der Kroate Bartol Franjic, der erfahrene Franzose Josuha Guilavogui und Felix Nmecha, der jüngere Bruder von Lukas.
Ganz vorne bieten sich Niko Kovac in dieser Saison einige Optionen. Nationalspieler Lukas Nmecha hat im Sturmzentrum Konkurrenz bekommen: Der in der vergangenen Saison an den VfB Stuttgart ausgeliehene Omar Marmoush traf zuletzt gegen die Schwaben und gegen Mönchengladbach. „Er ist ein Spieler, der eine immense Wucht, eine tolle Geschwindigkeit und einen tollen Schuss hat“, sagt Kovac über den 23-jährigen Ägypter, der auch auf den Flügeln spielen kann. Und mit dem genesenen Jonas Wind und verfügt der Trainer nun über eine weitere Alternative. So ist Max Kruse, der von Kovac im September aus dem Kader genommen wurde, längst nicht mehr das beherrschende Thema in Wolfsburg.
Es hat eine Weile gedauert und bedurfte einiger Umstellungen, aber nun scheint der VfL zu seinem Spiel zu finden. Die Mannschaft, die alles mitbringt für Tempo- und Kombinationsfußball, in den ersten Saisonspielen aber zuweilen die richtige Einstellung vermissen ließ, hat in den vergangenen Partien eine andere Mentalität gezeigt. „Wir haben das Kampfspiel angenommen und uns nicht abkochen lassen“, sagte Geschäftsführer Jörg Schmadtke nach dem 1:1 in Augsburg. Auch Omar Marmoush hob diesen Aspekt hervor: „Wir konnten dort eine andere mannschaftliche Seite zeigen, also einfach mit allen Mitteln gegen den Ball zu kämpfen und uns durchzusetzen – auch wenn das nicht unser Fußball ist.“ Beim 2:2 in der vergangenen Woche gegen Gladbach machten die Wölfe ihr bislang bestes Saisonspiel, kamen nach zwei Rückständen jeweils wieder zurück und waren dem Sieg am Ende näher – auch weil sie konditionell bis zur letzten Minute topfit waren. Letzteres gilt ebenso für den 2:1-Pokalsieg in Braunschweig.
In den ersten sieben Saisonspielen erzielten die Grün-Weißen nur fünf Tore, kreierten kaum Chancen. Das ist zwar besser geworden. Aber in Sachen Chancenverwertung weist der VfL immer noch den drittschlechtesten Wert in der Liga auf. „Wir haben jetzt eine gewisse Anzahl an Chancen, auch gute Chancen, nutzen aber zu wenige“, stellt Kovac fest. Der VfL hat bislang auch die drittwenigsten Torschüsse abgegeben.
Schon vor der Saison hatte Niko Kovac das Ziel vorgegeben: Zurück ins internationale Geschäft wolle er mit dem VfL Wolfsburg, der in der turbulenten vergangenen Spielzeit nur auf Platz 12 gelandet war. Nach schwachem Start in der Bundesliga hat der ambitionierte neue Wölfe-Coach sein Team in den vergangenen Wochen in die Spur gebracht. Junge Neuzugänge wie Wimmer, Kaminski, Svanberg und der vom VfB Stuttgart zurückgekehrte Omar Marmoush sind echte Verstärkungen. Die Mischung stimmt und auch der Trend spricht für die Grün-Weißen. Nach dem Pokalsieg in Braunschweig sagte Kapitän Maximilian Arnold: „Jetzt wollen wir definitiv bei Bayer 04 nachlegen.“ Die vergangenen vier Auswärtsspiele gewannen die Wölfe in Leverkusen. Ein weiterer Erfolg in der BayArena würde der positiven Entwicklung des VfL einen zusätzlichen Schub geben. Europa würde dann schon wieder ein Stück näher rücken. Und mit Pokal-„Spezialist“ Niko Kovac, der den Pott sowohl mit Eintracht Frankfurt als auch mit dem FC Bayern gewinnen konnte, haben die Niedersachsen ja auch noch über diesen Weg Chancen auf den internationalen Wettbewerb.
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