„Auf­bruch in eine neue Etappe“

Edmond Tap­soba im Inter­view

Edmond Tapsoba ist eine Stütze der Werkself. Der Verteidiger geht in seine bereits siebte Saison mit Bayer 04 – und hat dabei eine neue Rolle inne: Mit 26 Jahren ist der Nationalspieler Burkina Fasos zum Führungsspieler gereift und will auf und neben dem Platz vorangehen. Im Gespräch mit dem Werkself-Magazin erklärt Tapsoba die gestiegenen Ansprüche an seine Position im Teamgefüge, spricht über die Rolle als „großer Bruder“ und erläutert, warum der Umbruch für ihn und das Team eine Chance ist.

Eddy, du gehst in deine bereits siebte Saison mit Bayer 04. Fühlst du dich in Leverkusen mittlerweile heimisch?

Tapsoba: Ja, definitiv. Das Land und der Klub haben mich schon ganz am Anfang beeindruckt, als ich hierher gekommen bin. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und sehr gut behandelt, deshalb habe ich mich schnell wie zu Hause gefühlt. Bayer 04 ist für mich zu einer zweiten Familie geworden – meiner beruflichen Familie. Ich habe eine weitere dazu bekommen, das bedeutet mir sehr viel. Vor allem zum Klub und zu der Stadt ist die Verbindung sehr intensiv. Ich fühle mich generell in Deutschland sehr wohl, die Menschen auf der Straße sind stets freundlich und höflich. Ich habe mich hier nie als Fremder gefühlt – und mittlerweile fühle ich mich wie ein Deutscher. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Du bist im Alter von 20 Jahren nach Leverkusen gekommen. Nun bist du 26 – spürst du eine menschliche und sportliche Entwicklung?

Tapsoba: In erster Linie fühle ich mich deutlich älter, ich habe auch schon graue Haare entdeckt. (lacht) Aber ich bin wirklich als Mensch und auch als Spieler gewachsen. Ich habe viele neue und wichtige Erfahrungen gesammelt. Auch, weil ich mit älteren Spielern zusammengespielt habe, die wie große Brüder für mich waren. Sie haben mir sehr geholfen und mich geprägt. Das hat mir und meiner Entwicklung sehr gutgetan.

Edmond Tapsoba

Mittlerweile bist du Leistungsträger bei einem Top- Team der Bundesliga, hast Titel gewonnen und spielst regelmäßig in der Champions League. Hättest du das für möglich gehalten, als du im Alter von 18 Jahren aus Burkina nach Portugal in die U19 von Leixoes SC gegangen bist?

Tapsoba: Um ehrlich zu sein: nein. Als ich in Portugal gespielt habe, auch später bei Vitoria Guimaraes, schien die Bundesliga unerreichbar. Ich habe sie viel und gern im Fernsehen gesehen, sie war eine meiner Lieblings-Ligen. Ich mochte die Art, wie hier Fußball gespielt wird, schon damals. Als ich dann hörte, dass Bayer 04, also eine richtig gute Mannschaft, mich verpflichten will, habe ich keine Sekunde gezögert und meinem Berater nur gesagt, dass ich wechseln möchte und er bitte alles dafür tun soll, dass der Vertrag zustande kommt. Mittlerweile kann ich sagen: Ich habe meinen Traum verwirklicht, ich bin sehr glücklich in Leverkusen und freue mich sehr auf diese Spielzeit.

Gab es einen Moment während deiner Zeit hier in Leverkusen, in dem du realisiert hast: Etwas ist anders als früher?

Tapsoba: Ich habe schnell gemerkt, dass die Standards hier ganz andere als in Portugal sind. Das gilt auch für die Lebensweise und die berufliche Einstellung der Spieler. Als ich nach Leverkusen kam, habe ich viele Dinge noch lockerer genommen. Aber dann kommst du in die Kabine und siehst, dass andere Spieler schon vorher im Kraftraum waren oder in der Freizeit noch mit persönlichen Trainern arbeiten, sie einfach alles dafür tun, schon vor dem Start der Vorbereitung fit zu sein und vor allem viel investieren, um konstant fit durch die Saison zu gehen und sich nicht zu verletzen. Ich habe damals viel mit Jonathan Tah gesprochen, er hat mir Tipps gegeben und Dinge empfohlen. Das habe ich beherzigt. Und ich habe gespürt, dass ich stärker geworden bin, besser wurde und kaum Verletzungen hatte. Darum habe ich es bei-behalten und arbeite noch immer sehr hart an mir.

Nach Jonathans Abschied hat sich auch deine Rolle verändert…

Tapsoba: Natürlich muss ich jetzt mehr Verantwortung übernehmen. Ich habe viel von Jona gelernt und jetzt bin ich an der Reihe. Ich versuche, der Mannschaft so gut ich kann zu helfen, auch als einer der Leader. Jona hat mir das auch mit auf den Weg gegeben. Wir haben darüber gesprochen und er denkt, dass jetzt der richtige Moment für mich ist, um den nächsten Schritt zu machen – auch als einer der Wortführer im Team.

Neben Jona haben dich in diesem Aspekt auch die Bender-Brüder geprägt. Mittlerweile bist du der erfahrene Spieler, an dem sich junge Zugänge orientieren und der ein Vorbild ist. Wie denkst du über deine veränderte Rolle?

Tapsoba: Als ich damals zum Team kam, waren die Bender-Brüder erfahrene Spieler. Anführer, die mit uns gesprochen haben und uns als Vorbild dienten. Alle jungen Spieler haben zu ihnen aufgeschaut. Für mich ist es daher ein großer Schritt, selbst zum Vorbild für die jüngeren Spieler zu werden und auch auf dem Spielfeld noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Aber ich verinnerliche diese Rolle immer mehr. Ich habe zuletzt sehr viel auf dem Platz gesprochen, Ratschläge gegeben. Ich lese das Spiel mehr als früher, als andere das übernommen haben. Ich bin nun Teil der Verbindung zwischen dem Trainer und den Spielern und werde weiterhin viel mit dem Trainer sprechen, um viel Feedback zu bekommen und mich in dieser Rolle weiter zu verbessern. Aber ich spüre, dass es nun meine Aufgabe ist, vor allem für die jungen Spieler da zu sein. Unser neues Team ist sehr jung, ich werde mein Bestes geben, die Erwartungen an mich zu erfüllen.

Edmond Tapsoba

Wie fühlst du dich dabei?

Tapsoba: Ich fühle mich verantwortlich und bin begeistert, in der Hierarchie aufzurücken. Bislang war ich in Leverkusen immer eher im Hintergrund, nun trete ich daraus hervor. Jetzt muss ich für das Team einstehen. Es ist ein Aufbruch in eine neue Etappe – für mich persönlich und den Klub.

Möchtest du dich dabei auf irgendeine Weise verändern? Mehr sprechen, lauter sprechen, mehr Deutsch sprechen…

Tapsoba: Ich warte noch auf den richtigen Moment, um ein Interview komplett auf Deutsch zu führen. (lacht) Aber das wird bald geschehen. Natürlich gehören sprachliche Fähigkeiten auch zum Thema Entwicklung, da mache ich aber große Fortschritte. Ansonsten möchte ich mich als Person nicht verändern. Ich möchte meiner Persönlichkeit – auch als Spieler – vielmehr etwas hinzufügen. Wir können alle täglich dazulernen, um bessere Spieler und auch Menschen zu werden. Und ich habe das Gefühl, dass bislang ein Teil noch nicht ganz ausgereift war, den ich nun ergänzen möchte, um meine neue Rolle vor allem auf dem Spielfeld noch stärker wahrzunehmen. Abseits davon war ich schon lange jemand, der sehr wichtig für die Kabine war und alle Spieler miteinander verbunden hat. Nun folgt die Weiterentwicklung auf dem Platz. Zudem möchte ich auch mehr Tore schießen, aber das sollte bei meiner bisherigen Quote möglich sein. (lacht)

Es sind viele junge Spieler gekommen, auch wie du mit afrikanischer Herkunft. Fühlst du dich ihnen besonders verbunden, weil du ihre Situation nachempfinden kannst?

Tapsoba: Ja, nun bin ich für sie der ältere Bruder – weil ich genau weiß, wie sehr mir damals geholfen wurde. Wir kommen vom selben Kontinent und wir haben eine ähnliche Kultur. Ich weiß, wie sie denken, wie sie sich in bestimmten Situationen fühlen und welche Herausforderungen sie meistern müssen. Deshalb versuche ich, ihnen so gut ich kann zu helfen, damit sie Selbstvertrauen gewinnen und sich hier wie zu Hause fühlen. Es ist wirklich schwierig für einen jungen Spieler, von seiner Familie getrennt nach Deutschland zu kommen und hier allein zu leben. Daher werde ich versuchen, der ältere Bruder zu sein, der sich um die Jüngeren kümmert.

Wie sieht es mit der sprachlichen Verständigung aus? Ist Englisch wie in den Jahren zuvor die Kabinensprache?

Tapsoba: Grundsätzlich wird Englisch gesprochen, da es die Sprache ist, die fast alle verstehen. Um den Teamgeist wieder neu zu entwickeln, ist es wichtig, dass wir uns verständigen können und verstehen. Mit Christian Kofane spreche ich auch mal Spanisch. Die meisten jungen afrikanischen Spieler sprechen aber Französisch, in bestimmten Situationen ist es dann auch mal leichter, auf Französisch zu kommunizieren. Wichtig ist aber, dass wenn andere Spieler dazukommen, wir wieder Englisch sprechen, damit jeder jeden versteht und sich wohlfühlt.

Edmond Tapsoba

Spürst du mittlerweile mehr Druck als in den Anfangsjahren in Leverkusen? Durch die Erfolge sind die Erwartungen gestiegen – und damit auch an die Führungsspieler…

Tapsoba: Der Druck ist definitiv größer als damals. Wir haben gezeigt, dass wir Titel gewinnen können. Auch vor dieser Saison hat der Verein wieder viel investiert, um eine Top-Mannschaft auf den Platz zu stellen. Die Fans erwarten viel von uns, deshalb müssen wir sie zufriedenstellen. Momentan ist die Situation nicht so einfach, da wir in der Vorbereitung auf einige angeschlagene Spieler verzichten mussten und der Kader recht klein war. Aber wir bauen hier etwas Neues auf, das spürt man. Es wird zwar vielleicht ein wenig dauern, bis wir unsere 100 Prozent erreichen, aber ich denke, dass die Entwicklung in der Vorbereitung sehr gut war und wir uns den 80 Prozent genähert haben. Es fehlt also noch ein bisschen, aber das ist normal bei so vielen Veränderungen. Aber wir sind selbstbewusst und bereit für die Saison.

Viele der neuen Spieler sind noch sehr jung, gelten als Toptalente und möchten sich in der Bundesliga beweisen. Wie läuft der Wandel innerhalb des Teams?

Tapsoba: Wir haben natürlich einige wichtige Spieler der Vergangenheit abgegeben und auch einen neuen Trainer. Flo, Jerry, Granit, Jona und Lukas hinterlassen eine große Lücke, keine Frage. Ein neues Team dieser Klasse aufzubauen, dauert zwar, aber das ist nun unsere Aufgabe, und die macht Spaß. Wir haben aber ehrlich gesagt keine Zeit, darüber nachzudenken und es bringt auch nichts, Spielern hinterherzutrauern. Wir müssen alles geben, um für die neue Saison bereit zu sein, denn wir wissen, dass die Fans viel von uns erwarten und wir in der Liga von Anfang an oben dabei sein wollen. Wir machen jede Woche Fortschritte und unsere Zugänge bringen sehr viel Qualität mit. Dass sich unser grundsätzlicher Spielstil nicht bedeutend verändert hat, macht es leichter. Die Neuen müssen den Stil schnell adaptieren und dann bin ich überzeugt, dass wir sehr schnell gute Ergebnisse erzielen und ein neues Feuer entfachen werden.

Du hast den neuen Trainer Erik ten Hag angesprochen. Die Vorbereitung ist nun vorbei, wie ist dein Eindruck von ihm?

Tapsoba: Sehr gut. Er ist ein prominenter Trainer, der überall auf seinen Stationen Titel gewonnen hat. Ich hatte schon vorher ein gutes Bild von ihm, da ich schon viel von seiner Arbeit gehört habe. Er hat zwei meiner Freunde aus Burkina bei Ajax trainiert und Torwart André Onana, den ich privat sehr gut kenne, in Amsterdam und bei Manchester United. Ich habe viel mit ihm gesprochen, und er hat mir viel von der täglichen Arbeit mit dem Trainer erzählt. Er glaubt, dass mich Erik ten Hag zu einem der besten Verteidiger der Welt machen kann. Ich freue mich, mit ihm zu arbeiten. Natürlich hat er seine eigenen Vorstellungen und es gibt Unterschiede in der Arbeit zu Xabi Alonso. Aber wir haben uns schnell daran gewöhnt und versuchen, alles zu adaptieren und umzusetzen. Es gehört als Profi dazu, sich an neue Trainer und Ideen anzupassen. Aber eben auch, ihn zu unterstützen und alles dafür zu tun, dass er sich wohlfühlt und wir ihm die tägliche Arbeit so leicht wie möglich machen.

Edmond Tapsoba

Taktisch agiert ihr nach wie vor meist mit einer Dreierkette. Erik ten Hag hat in seinen vorigen Stationen aber meist mit einer Viererkette spielen lassen. In welcher Variante fühlst du dich am wohlsten?

Tapsoba: Die Dreierkette ist zwar nicht meine persönliche Lieblingsvariante, aber ich denke, dass das Team sicherer steht, wenn wir so spielen – und ich fühle mich auf jeder Position dort wohl, auch wenn links in der Dreierkette meine favorisierte Position ist. Wir sind in diesem System defensiv stärker und haben zudem ein gutes Gleichgewicht zwischen Defensive und Offensive. Da wir im Angriff so stark sind, dass wir immer Tore erzielen können, ist es gut, dass die Basis ist, in der Abwehr stabil zu stehen. Darum fühlen wir uns in diesem System sehr sicher, die Gefahr, hinten in Unterzahl zu geraten, ist sehr gering.

Was erhoffst du dir von der neuen Saison nach all den Veränderungen?

Tapsoba: Als Mannschaft ist unsere Zielsetzung identisch mit der aus den vergangenen beiden Jahren: Wir wollen Titel gewinnen. Das Team ist zwar neuformiert, aber jeder Spieler bringt große Qualität mit. Also geht es für uns darum, schnell etwas Neues aufzubauen, damit wir bald wieder etwas für die Vitrine gewinnen können.

 

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