Vom Fuße der Alpen an die Dhünn

Sven Ben­der

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Mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze ausgezeichnet, zweimal Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger, Champions-League-Finalist 2013 sowie die silberne Medaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 errungen: Mit 32 Jahren beendet Sven Bender am Samstag, 22. Mai, ausgerechnet in Dortmund seine von vielen Erfolgen gekrönte Karriere – das Porträt eines Teamplayers mit Siegermentalität.

Frische Bergluft, saftige Wiesen – soweit das Auge an den Hängen des Alpenkamms reicht. Und mittendrin ein fußballfanatisches Zwillingspaar mit Ball am Fuß. In Brannenburg bei Rosenheim hätten 1993 wohl nur die Wenigsten damit gerechnet, dass zwei Einheimische bald in die große, weite Fußballwelt aufbrechen würden. Gemeinsam mit seinem 14 Minuten älteren Zwillingsbruder Lars legte Sven Bender Anfang der 1990er Jahre dort den Grundstein für seine beeindruckende, mit Titeln gespickte Karriere. Sechs Jahre schnürte Sven mit seinem Bruder Lars die Fußballschuhe für den TSV Brannenburg am Fuße der Alpen, bevor es in die Jugend der SpVgg Unterhaching ging.

Brannenburg, Haching und die Löwen

Von der 6.500-Einwohner-Gemeinde über die Zwischenstation Unterhaching ging es für die hochveranlagten Zwillinge immer weiter Richtung Norden im Freistaat Bayern. Denn nach drei erfolgreichen Spielzeiten in der Unterhachinger Jugend hatte man beim TSV 1860 München im Jahr 2002 bereits die Fühler nach den Bender-Zwillingen ausgestreckt.

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„Wenn ich aufgehört habe, kann ich in den Spiegel gucken und weiß, dass ich alles reingesteckt habe, in jedes Training, in jedes Spiel“, so der 32-jährige Sven Bender im Frühjahr 2021. Diese Einstellung schien auch schon damals zu gelten, denn das fußballerische Können des Defensivspielers nahm durch Ehrgeiz und Disziplin tatsächlich fortan im Nachwuchsleistungszentrum der Münchner Löwen – seinem Herzensverein – eine rapide Entwicklung. Die erste der „Bender-Tugenden“, die bedingungslose Aufopferung für den Fußball auf und neben dem Feld, trug schon 2006 in Form der Fritz-Walter-Medaille in Bronze bei den U17-Spielern für Sven Früchte – auch der Gewinn der deutschen B-Junioren-Meisterschaft mit 1860 darf in diesem Kontext nicht unterschlagen werden.

Reife und Klarheit

Marco Kurz, damaliger U23-Trainer bei den Löwen, erkannte schon früh das Potenzial der beiden Bender-Jungspunde und holte sie aus der Jugend in die 1860-Reserve. Vor allem die Reife und die Klarheit im Spiel der Zwillinge hätten ihn schon damals überzeugt, erzählte er in einem Interview mit SPORT1. Kurz förderte die ambitionierten Brannenburger und verhalf ihnen letztlich zum Sprung in die erste Mannschaft – am 18. Dezember 2006 debütierte der damals 17-jährige Sven in der Zweitliga-Partie gegen Erzgebirge Aue.

Für unsere sportliche und persönliche Entwicklung war es wichtig, getrennte Wege zu gehen

Nach 68 weiteren Einsätzen im himmelblauen Löwen-Dress zog es den Defensiv-Allrounder zur Saison 2009/10 zu Borussia Dortmund, während sich Bruder Lars der Werkself anschloss. Ein einschneidender Karriereschritt: Das erste Mal seitdem die damals vierjährigen Zwillinge beim TSV Brannenburg ihre fußballerische Laufbahn begonnen hatten, gingen die beiden 16 Jahre später getrennte Wege. Aus Svens Sicht die richtige Entscheidung, denn „wir haben vor unserem Wechsel eigentlich jede Minute miteinander verbracht. Für unsere sportliche und persönliche Entwicklung war es sehr wichtig, auch mal getrennte Wege zu gehen. Wir wussten, dass der Schritt in dem Moment notwendig war. Uns beiden hat das einen unfassbaren Schub gegeben“, erklärt der jüngere und etwas größere Bender.

„Eisen-Manni“

Jenen „unfassbaren Schub“ machte sich der Brannenburger auch in Dortmund zu Nutze. Bereits in der zweiten Saison beim BVB wurde er 2010/11 unter dem damaligen Cheftrainer Jürgen Klopp, der ihm wegen des ehemaligen Löwen-Spielers Manfred Bender den Spitznamen „Manni“ verpasste, unverhofft Deutscher Meister. Es folgten weitere Titel in Form einer zweiten Meisterschale, zwei DFB-Pokal-Triumphen sowie die Champions-League-Finalteilnahme 2013 – mit der Nationalmannschaft holte er zudem die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2016. Bei all diesen sportlichen Erfolgen mit dem BVB und der Nationalmannschaft – 2008 gewannen die beiden Bender-Brüder für den DFB die U19-EM und wurden zusammen als „Beste Spieler“ des Turniers ausgezeichnet – hatte er einen maßgeblichen Anteil und verdiente sich bei den Dortmunder Anhängern schnell den Spitznamen „Iron Manni“. Und das aus gutem Grund.

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Sven Bender geht dahin, wo es wehtut. Wo andere Spieler eventuell zögern oder einen Zweikampf vermeiden, geht der Routinier kompromisslos mit dem Kopf hin. Klopp, der sechs Jahre in Dortmund mit ihm zusammenarbeitete, hat den bedingungslosen Einsatzwillen seines ehemaligen Schützlings ebenfalls lieben gelernt – auch, wenn sein Kompliment in diesem Fall zwischen den Zeilen erkennbar ist: „Ich bin echt froh, dass ich weder Vater noch Mutter von den Benders bin. Wenn ich vor dem Fernseher sitze, und die Kinder blutend vom Platz kommen, das braucht ja kein Mensch“, äußerte er sich einst scherzhaft.

Siegermentalität und Zweikampfmonster

Nach acht erfolgreichen Jahren in Schwarz-Gelb wechselte der inzwischen von Thomas Tuchel zum Innenverteidiger umgeschulte Bender 2017 an die Dhünn, wo es dann zum Wiedersehen mit seinem Zwillingsbruder Lars kam. In den anschließenden vier Jahren war Sven absoluter Stammspieler und Abwehrchef beim Werksklub. Vor allem seine rigorose Zweikampfführung sowie die Aufopferung für die ganze Mannschaft haben Sven neben seinem Bruder Lars zum Fanliebling der schwarz-roten Anhänger gemacht. Auch in der laufenden Saison überzeugt er mit intensiven Zweikämpfen und kann mit 57 Prozent gewonnenen Duellen andere Defensiv-Fachmänner wie Leon Goretzka (56,52 Prozent) oder Robert Andrich (54,94 Prozent) im Ranking hinter sich lassen.

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Neben den sportlich-physischen Tugenden, die Sven Bender auszeichnen, ist auch der unbedingte Siegeswille hervorzuheben, mit dem er die gesamte Mannschaft anstecken kann. So war er maßgeblich daran beteiligt, dass die Werkself 2019 die Champions League erreichte und ein Jahr später im DFB-Pokalfinale stand. Mit unserer Nr. 5 auf dem Rasen konnte Bayer 04 meist etwas Zählbares mit nach Hause nehmen beziehungsweise in der BayArena behalten: In der laufenden Spielzeit im Oberhaus kam Sven Bender bisher auf 17 Einsätze für Schwarz-Rot – nur eine der Partien ging verloren. Und wenn diese Zahlen nicht schon für sich selbst sprechen, dürfte ein weiteres Bender-Zitat den Ehrgeiz des 32-Jährigen unterstreichen: „Wer nicht groß denkt, kann auch nichts Großes erreichen, weil er durch seinen Horizont schon begrenzt ist.“