Stefan, das Fanprojekt ist vom ersten Tag an ganz eng mit deinem Namen und Wirken verknüpft. Was hat jetzt zu deinem Abschied geführt?
Thomé: „25 Jahre im sozialen Bereich sind ein hartes Brett. Eigentlich heißt es, als Sozialarbeiter solle man alle sieben Jahre wegen Burnout-Gefahr wechseln. Da sind 25 Jahre dann schon eine echte Hausnummer. Der Job ist nicht immer einfach gewesen, und es fühlt sich jetzt einfach gut und richtig für mich an, nach einem Vierteljahrhundert Schluss zu machen. Ich bin stolz auf die Zeit und kann auf etwas Gutes zurückblicken. Aber irgendwann ist es auch mal gut gewesen, zumal der Altersunterschied zu den jungen Fans, die jetzt neu nachkommen, größer wird. Vor kurzem hat ein 14-Jähriger zu mir gesagt: ‚Stefan, meine Oma ist genau so alt wie du.‘“
Das Fanprojekt wurde 1996 aus der Taufe gehoben, damit einher ging auch der rasante sportliche Aufschwung von Bayer 04.
Thomé: „Das lief tatsächlich ziemlich parallel ab, ohne dass ich da einen logischen Zusammenhang konstruieren möchte. (lacht) Als ich angefangen habe, ist Christoph Daum als Trainer gekommen, und der hat hier eine absolute Rakete gezündet. Sportlich ging es in den nächsten Jahren für Bayer 04 steil aufwärts, auch die Zahl der Fans ist in dieser Zeit der großen Begeisterung unheimlich gestiegen. Diese ersten Jahre sind für mich absolut unvergesslich. Die Spiele in der Champions League, die Auswärtsfahrten und schließlich der absolute Höhepunkt: das Finale 2002 in Glasgow. Das kleine Leverkusen, dieses Chemie-Städtchen, auf der größten Bühne des Weltfußballs gegen die Königlichen. Ich stand kurz vor dem Anpfiff unten, hatte unsere Fans im Rücken und vor mir liefen die Mannschaften auf den Platz. Ein unglaublich bewegender Moment. Da sind mir die Tränen gekommen.“
Wie erinnerst du dich an die Anfänge vor 25 Jahren?
Thomé: „Als ich begonnen habe, gab es noch nicht einmal einen Stift und ein Blatt Papier. Nach ein paar Wochen wurde dann dieses Haus in der Lichstraße zu unserem Domizil. Alles war ziemlich runtergekommen. Ein paar Bayer-Möbel, wie meinen ersten Schreibtisch, konnte ich mir irgendwo in einer Halle in Hitdorf abholen, und dann haben wir hier erst einmal das Haus von Grund auf renoviert. Die Fans waren neugierig und kamen vorbei, um mal zu schauen, was denn da los ist. Ich habe die Jungs dann relativ schnell – sicher auch durch meine offene Art und dadurch, dass ich ihre Sprache gesprochen habe – begeistern können mitanzupacken. So war recht fix ein Stamm von Leuten gefunden, und peu à peu kamen immer mehr junge Fans vorbei.“
War die Akzeptanz von Seiten der Fans sofort da?
Thomé: „Natürlich bin ich da auch erst mal kritisch beäugt worden, denn bei der Fanprojekt-Arbeit stehst du zwischen den Fronten. Du bist zum einen Sozialarbeiter, der Ansprechpartner der Fans und schaust, was bei ihnen gerade das Problem ist und welche Themen sie bewegen. Auf der anderen Seite arbeitest du aber auch mit Partnern und Institutionen wie Bayer 04, der Stadt und der Polizei zusammen. Das ist oft ein Balance-Akt. Da heißt es, Grenzen zu setzen. So bin ich ziemlich schnell von den Leuten angenommen worden – sicher auch, weil ich ihnen immer auf Augenhöhe begegnet bin. Denn mit erhobenem Zeigefinger von oben herab Ansagen zu machen, funktioniert nicht.“
Wie hat sich die Fanarbeit inhaltlich für dich gestaltet?
Thomé: „Erst einmal ging es darum, ein Konzept zu entwickeln. Ich habe mich an anderen Standorten umgeschaut, bei Schalke, Köln oder Düsseldorf, und habe dort die Kollegen gefragt. Mittlerweile gibt es in Deutschland um die 65 Fanprojekte, damals war ich das 19. Ich sage bewusst „ich“, weil ich das Ding ja 14 Jahre lang allein gewuppt habe. In der Rückschau denke ich: ‚Meine Güte, wie konntest du das überhaupt so lange aushalten?‘ Eigentlich unvorstellbar.“
Wie belastend war deine Arbeit?
Thomé: „Immer zu den Auswärtsspielen zu fahren, die ganze Wochenendarbeit, all die Probleme mitzubekommen, es auch nicht immer allen recht zu machen: Das frisst einen auf lange Sicht auch auf. Viele Leute denken, du fährst zum Fußball, guckst das Spiel und hast einen tollen Job. Aber wenn du nach den Spielen stundenlang im Bus auf der Autobahn hängst und mitten in der Nacht nach Hause kommst, dann bist du von dem vielen Input auch richtig platt. Sonntags fehlte mir oft die Energie, um private Kontakte aufrechtzuerhalten, Freundschaften und Beziehungen zu pflegen. Das sind dann ein wenig die Schattenseiten eines sonst erfüllenden Jobs. In der Sozialen Arbeit hast du menschliche Kontakte. Das ist kein Werkstück, das du bearbeitest – und nach Feierabend denkst du nicht mehr dran. Vieles nimmt man halt auch mit nach Hause.“
Prävention und Eindämmung von Gewalt sind ein ganz zentraler Aspekt der Arbeit der Fanprojekte. Stößt man auch an Grenzen?
Thomé: „Natürlich. Es gibt Jungs, die vor 20 Jahren auffällig waren und es heute auch noch sind. Auch bei unseren Ultras gibt es neben kreativen Köpfen eine Gruppe, die ihre Scharmützel pflegt. Trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass es in Leverkusen Grenzen gibt. Sowas wie auf Schalke, wo Fans kürzlich Treibjagden auf Spieler veranstaltet haben, würde hier nicht passieren. Auch in Köln habe ich es schon bei der Heimfahrt nach einem Derby erlebt, dass FC-Hools Pflastersteine durch die Scheiben einer Straßenbahn schleuderten, in der auch Frauen und Kinder saßen. Da hört es für mich komplett auf, wenn Unbeteiligte zu Schaden kommen. Das habe ich immer auch unseren Jungs vermittelt.“
Was sind die bleibenden Erinnerungen für dich aus 25 Jahren?
Thomé: „Neben den persönlichen Begegnungen vor allem das Kennenlernen fremder Städte. Mittlerweile waren wir gefühlt schon fast überall in Europa, darunter natürlich in vielen Metropolen wie London, Madrid, Barcelona, Mailand oder Lissabon, wo man vielleicht auch so privat mal hingekommen wäre. Aber kleine unbekannte Städte wie etwa Blackburn in Mittelengland oder Maribor in Slowenien, das waren einige meiner schönsten Fahrten. Gerade auch in der Europa League gibt es viele tolle Orte mit besonderem Flair. Die sind mir längst lieber als die Großstädte.“
Und auf der negativen Seite?
Thomé: „Da kommen mir sofort zwei katastrophale Ereignisse in den Sinn. Das eine war 1997 unser Champions-League-Spiel in Gent gegen Lierse SK. Da sind die Dinge ganz furchtbar eskaliert, die belgische Polizei ist nach dem Spiel in unseren mit rund 800 Anhängern gefüllten Block gestürmt und hat wahllos alles niedergeknüppelt. Viele bluteten oder lagen bewusstlos auf dem Boden. Es herrschte die pure Angst und Verzweiflung, da nicht heil rauszukommen. Danach habe ich wirklich darüber nachgedacht, ob ich den richtigen Job habe. Zum Glück ist das aber die ganz große Ausnahme geblieben. Das andere ganz üble Erlebnis war rein sportlicher Natur. Unterhaching 2000, die verpasste Meisterschaft. Das fühlte sich ein bisschen so an, als würde das Leben plötzlich aufhören.“
Lichstraße 64, 51373 Leverkusen
Telefon 0214 – 869 12880
www.fanprojekt-lev.de
Team:
Stefan Thomé (Leitung bis 30.06.2021),
Daniela Frühling (Leitung ab 01.07.2021),
Riccardo Bitonti
Zielgruppe: alle Fußballfans zwischen 12 und 27 Jahren unabhängig von Geschlecht und sozialer Schicht
Ziele:
– Persönlichkeitsentwicklung jugendlicher Fußballfans stärken
– Förderung von Toleranz, Gewaltfreiheit und Kreativität
– Abbau jeglicher Formen von Diskriminierung und fremdenfeindlicher Tendenzen
– Förderung und Betreuung von benachteiligten Jugendlichen
– Förderung von Konfliktlösungskompetenzen
– eine bunte, faire und tolerante Fankultur
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