Sch­waab: „Nicht so wich­tig, wer sie macht!“

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Sie sind das Salz in der Suppe, die Kirsche auf der Torte, das Nonplusultra im Fußball: Tore. 2248 Mal landete der Ball aus Sicht von Bayer 04 in fast 40 Jahren Bundesliga (Stand: 31.12.2018) im gegnerischen Tor; dafür waren in erster Linie 181 Leverkusener verantwortlich. Daniel Schwaab gehört nicht dazu. Der Abwehrspieler lief zwischen 2009 und 2013 insgesamt 96 Mal für Schwarz-Rot in der höchsten deutschen Spielklasse auf, ein eigener Treffer war ihm nicht vergönnt. Wobei er am Ende dann doch einmal für Bayer 04 erfolgreich war. Eine kuriose Geschichte aus 40 Jahren Bundesliga. Eine besondere Statistik. Aber wer ist der Fußballer, der Mensch hinter diesem Zahlenwerk?

Hans-Peter Lehnhoff hat im Fußball viel erlebt. Über 500 Pflichtspiele hat er als Profi für den 1. FC Köln, Royal Antwerpen und Bayer 04 Leverkusen bestritten. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere wurde er 1999 Teammanager bei der Werkself. Immer auf Achse mit dem Bayer-Kreuz auf der Brust. Der Mann hat gefühlt die Hälfte seines Berufslebens im Hotel verbracht. Und doch ist dieses Bild in seinem Gedächtnis haften geblieben. „Nach dem Mittagessen gab es oft eine Gruppe von Spielern, die sitzen geblieben sind“, erzählt Lehnhoff. Sehen Spieler in der Regel zu, schnell den Kohlenhydrat-Speicher aufzufüllen und sich dann auf das eigene Hotelzimmer zurückzuziehen, nahm sich diese Fraktion Zeit. Meist waren es Simon Rolfes, Stefan Reinartz, Jens Hegeler, Stefan Kießling und Daniel Schwaab. „Dabei haben sie sich nicht nur über Fußball unterhalten“, erinnert sich Lehnhoff. „Die Jungs haben über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut.“

Simon Rolfes, mittlerweile Sportdirektor bei Bayer 04, denkt gerne an diese Zusammenkünfte zurück. „Da kamen alle möglichen Themen auf dem Tisch: Politik, gesellschaftliche Entwicklungen, Finanzthemen, andere Sportarten – vieles außerhalb des fußballerischen Tagesgeschäfts.“ Und immer mittendrin Daniel Schwaab. „Eigentlich ist er eher ein ruhiger Vertreter“, so Lehnhoff. „Doch er hat immer klar seine Meinung gesagt.“

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Starker Zweikämpfer: Daniel Schwaab 2012 in einem Spiel gegen den FC Bayern.

Das war schon im Jugendbereich der Fall. Karsten Neitzel hat die Anfänge von Daniel Schwaab beim SC Freiburg als Co-Trainer der Profis und Cheftrainer der zweiten Mannschaft begleitet. „Daniel gehörte zu den wenigen Spielern, die auch mal Dinge hinterfragt haben. Hochintelligent – auf und neben dem Platz“, so der Fußball-Lehrer, der aktuell Rot-Weiss Essen in der Regionalliga coacht.

Im Jahr 2000 schloss sich Daniel Schwaab der Freiburger Fußballschule an. Bis dato hatte der Elfjährige für seinen Heimatverein, den SV Waldkirch, gekickt; 20 Kilometer von Freiburg entfernt. Schule und professionelles Fußballtraining – für Daniel kein Problem. Karsten Neitzel: „Ich kann mich nicht genau an die Durchschnittsnote erinnern, aber Daniel hat ein sehr gutes Abitur gemacht. Das hat er wie selbstverständlich durchgezogen.“ Flausen im Kopf? Fehlanzeige. Der Jung-Profi kam im Gegensatz zu den Kollegen mit einem „klapprigen Auto“ zum Training, trug nie auffällige Klamotten und bestach durch Bodenständigkeit. „Er hat nie den Hampelmann gemacht. Einstellung und Fleiß waren immer top. Er hat aus seinen Möglichkeiten viel gemacht“, sagt Neitzel.

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Mir war schnell klar, dass Bayer 04 genau der richtige Verein für den nächsten Schritt in meiner Entwicklung ist

Seine Qualitäten auf dem Platz? Karsten Neitzel fällt spontan „Technik“ und „Schnelligkeit“ ein; Simon Rolfes derweil attestiert seinem ehemaligen Mitspieler „ein sehr sicheres Passspiel und eine gute Spieleröffnung. Und Daniel war in seiner Herangehensweise auf dem Platz stets klar strukturiert.“ 88 Zweitligaspiele absolvierte Schwaab für die Freiburger – in denen er im Übrigen sechs Tore erzielte, fünfmal davon vom Elfmeterpunkt – gewann mit der deutschen U21-Nationalmannschaft 2009 in Schweden die Europameisterschaft und war bereit für den persönlichen Aufstieg. Einige Erstligisten hatten Interesse, am Ende machte Bayer 04 das Rennen. „Leverkusen war sehr früh dran“, so Schwaab, der sich an „gute Gespräche“ mit dem damaligen Kadermanager Michael Reschke entsinnen kann. „Mir war schnell klar, dass Bayer 04 genau der richtige Verein für den nächsten Schritt in meiner Entwicklung ist.“

 

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Verteidiger und Torjäger: Daniel Schwaab mit Stefan Kießling.

Auch mit Bruno Labbadia saß Schwaab im Frühjahr zusammen, doch als der Wechsel ins Rheinland vollzogen wurde, war der gebürtige Darmstädter an der Dhünn bereits Geschichte. Jupp Heynckes übernahm im Sommer 2009. „Ein Glücksfall für mich“, so Schwaab. Der erfahrene Fußball-Lehrer habe ein ausgeprägtes „Gespür dafür gehabt, was eine Mannschaft braucht. Er hat genau gewusst, wie er jeden anzupacken hat.“ 27 Bundesligaspiele bestritt Schwaab im ersten Jahr als Rechtsverteidiger, eine Rot-Sperre verhinderte weitere Einsätze. Im zweiten Jahr waren es gar 30 Einsätze, zum Ende der Saison auch einige in der Innenverteidigung. So hatte er großen Anteil an der Vizemeisterschaft 2011.

Eine echte Chance in der Nationalmannschaft erhielt der vielseitig einsetzbare Abwehrspieler, der bei der U21-EM 2009 kurz vor dem Turnier seinen Stammplatz verloren hatte, im siegreichen Finale aber eingewechselt worden ist, jedoch nie. „Das ist natürlich auch nicht so einfach, wenn deine 1a-Position von Phillip Lahm blockiert wird“, findet Simon Rolfes. „Darüber hinaus war Daniel auch im Verein nicht immer unumstrittener Stammspieler.“

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„Jupp Heynckes war ein Glücksfall für mich", sagt Daniel Schwaab.

In den Spielzeiten 2011/12 und 2012/13 lief es nicht mehr ganz so rund für den Defensiv-Allrounder. Zum einen warfen ihn Verletzungen aus der Bahn (Schienbeinverletzung 2011/12 und ein Bänderriss im Sprunggelenk 2012/13), zum anderen wurde ihm vielleicht auch seine Vielseitigkeit etwas zum Verhängnis. So bestritt er mehr als die Hälfte der Partien in den beiden Jahren als Innenverteidiger und half auch einige Male auf der linken Abwehrseite aus. 2013 schließlich lief sein Vertrag in Leverkusen aus, im Mai 2013 gab der VfB Stuttgart bekannt, dass man den Badener für die kommende Saison verpflichtet habe. Der damalige Vorstand Sport Fredi Bobic ließ sich in der Pressemitteilung wie folgt zitieren: „Er bringt sowohl Erfahrung in der Bundesliga als auch international mit und hat einen sehr guten Charakter.“

Ein Musterprofi, der auch durch seine Professionalität stets ein Vorbild war und darüber hinaus sehr sympathisch ist

Seine Persönlichkeit schätzt auch Simon Rolfes sehr. „Daniel ist immer sehr verlässlich gewesen. Ein Musterprofi, der auch durch seine Professionalität stets ein Vorbild war und darüber hinaus sehr sympathisch ist.“ Vor dem Hintergrund überrascht es nicht, dass man Schwaab zu Leverkusener Zeit zum Kassenwart ernannte. Er selbst führt schmunzelnd noch einen weiteren Grund an. „Ich habe vor keinem großen Namen Halt gemacht.“ Und davon gab es in den Jahren reichlich: Michael Ballack, Arturo Vidal, Sami Hyypiä, Simon Rolfes, Stefan Kießling oder Renato Augusto.

Toller Fußballer, toller Mensch, sehr geschätzt von den Kollegen – an Daniel Schwaab denkt man gerne in Leverkusen zurück. Und wie ist das mit der Statistik? 96 Bundesligaspiele – 0 Tore. „Mir war das gar nicht bewusst, dass Daniel bei uns kein Tor erzielt hat“, sagt beispielsweise Simon Rolfes. Und auch Hans-Peter Lehnhoff kann sich ungestützt nicht daran erinnern. „Er hatte eine sehr gute Flanke und hat sich oft offensiv mit eingeschaltet. Für die Tore hatten wir ja andere Kaliber.“ Das sieht auch der Spieler selbst so. „Natürlich sind Tore das wichtigste im professionellen Fußball. Sie entscheiden Spiele. Allerdings ist es in meinen Augen nicht so wichtig, wer sie macht.“

Ungeachtet dessen „wurmt“ es ihn schon, dass es in den vier Jahren bei Bayer 04 nicht ein einziges Mal geklappt hat. „In Mainz war ich mal recht nah dran. Das müsste im ersten oder zweiten Jahr gewesen sein.“ Es war in der zweiten Saison. Und zwar am 13. März 2011. Der „Kicker“ schrieb damals: „Schwaab erwischte Wetklo mit seinem strammen Distanzschuss völlig auf dem falschen Fuß. Der Pfosten verhinderte die Leverkusener Führung (35.).“ Tragisch war es für den Spielausgang nicht. Renato Augusto erzielte acht Minuten vor dem den 1:0-Siegtreffer für B04 bei M05.

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Das ging nach hinten los: Sein einziges Tor für Bayer 04 erzielte Daniel Schwaab im Trikot des VfB Stuttgart - ein Eigentor.

Dass er trotzdem für eins der 2248 Bundesligatreffer der Werkself in 39,5 Jahren verantwortlich ist, ist auf ein Ereignis am 17. August 2013 zurückzuführen. Der VfB Stuttgart bestritt sein erstes Heimspiel in der laufenden Saison. Zu Gast: Bayer 04 Leverkusen. Über die Szene des Spiels in der 42. Minute schrieb später der Kölner Stadt-Anzeiger wie folgt: „Sebastian Boenisch flankte vors VfB-Tor, Schwaab spürte hinter sich den Atem von Leverkusens Stürmer Stefan Kießling. Deshalb grätschte er, bevor etwas anbrennen konnte, allerdings ging der Schuss im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten los. Schwaab drückte den Ball zum 0:1-Endstand über die Linie – ins eigene Tor! … ‚Das ist sauärgerlich, saubitter‘, sagte Schwaab. Da war das Lob von Kapitän Christian Gentner ein schwacher Trost: ‚Daniel muss da hingehen. Er hat versucht zu retten, was noch zu retten war. Ansonsten hat er ein überragendes Spiel gemacht.‘“

Es sollte bis zum 134. Bundesligaspiel dauern, ehe Daniel Schwaab zum ersten Mal einen eigenen Treffer bejubeln konnte. Beim 1:0-Sieg des VfB Stuttgart gegen Hannover 96 am 27. September 2014 markierte er in der 69. Minute das Tor des Tages. Anschließend gab er auf der VfB-Homepage zu Protokoll: „Ich habe schon daran gedacht, dass dieses Tor etwas Besonderes ist. Der Treffer hat auf jeden Fall für pure Erleichterung gesorgt – auch mit Blick auf unsere Gesamtsituation.“

Ein typischer Schwaab eben: „Es ist nicht so wichtig, wer es macht!“ Der Erfolg der Mannschaft steht immer im Vordergrund.

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Mittlerweile kickt der 30-Jährige beim PSV Eindhoven (seit 2016) und hat seine Bilanz in Erstligaspielen auf 313 Einsätze und 4 Tore ausgebaut. Keine ungewöhnliche Bilanz für einen Defensivspieler. Zum Vergleich: Robert Kovac war in 127 Bundesligaspielen für Bayer 04 lediglich 1 Mal erfolgreich. Und Ioan Lupescu (1. Foto in der Bildergalerie oben) erzielte als Mittelfeldspieler in 183 Partien für die Werkself gerade einmal 3 Tore. Auch Dieter Herzog (2. Foto in der Bildergalerie) kann man in dieser Reihe aufführen. Der Weltmeister von 1974 war definitiv maßgeblich daran beteiligt, dass Bayer 04 in die Bundesliga aufstieg und sich in der Beletage des deutschen Fußballs etablieren konnte. Seine Tor-Bilanz ist jedoch überschaubar: 6 Tore in 84 Bundesligaspielern – und das als Stürmer. Jörg Butt hat als Torwart 7 Mal getroffen…