Juris­tin an der Pfeife

Laura Duske

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Bei der Frauenfußball-WM 2011 arbeitete sie noch als Volunteer in der BayArena. Inzwischen hat Laura Duske Karriere als Schiedsrichterin gemacht und lässt die Bundesliga-Frauen nach ihrer Pfeife tanzen. Die 31-jährige Juristin geht dabei seit dieser Saison für Bayer 04 an den Start.

„Ich fand es am Anfang total toll, dass man umsonst ins Stadion kommt – das war auch ein Grund, Schiri zu werden“, lacht Laura Duske, „viel falsch machen kann man damit nicht, dachte ich, denn zumindest bekommt man ja Freikarten.“ Das war eine schöne Vorstellung, Gebrauch macht sie von diesem Privileg aber kaum – keine Zeit! Als nette Nebenbeschäftigung hatte ihr Schiedsrichter-Dasein angefangen – nun ist Laura ganz oben angekommen und pfeift in der Frauen-Bundesliga. Erst seit dem vergangenen Sommer zählt sie zur 15-köpfigen Schiedsrichter-Abteilung bei Bayer 04. Wenn die 31-Jährige an ihren Traumaufstieg in der Schiri-Karriere zurückdenkt, kann sie selbst kaum glauben, dass alles so blitzschnell und perfekt geklappt hat. Dabei entdeckte Laura ihr Hobby spät – erst mit 25 Jahren startete sie in das Abenteuer.

Auf einmal war das Spiel Kolumbien gegen Schweden eine hochinteressante Partie

Die Liebe zum Fußball währt dagegen schon ewig. Jahrelang spielte sie selbst, schaffte den Sprung bis in die 2. Liga. Mit jungen 18 Jahren dann der Rückschlag: „Ich habe mir so ziemlich alles im Knie kaputt gemacht“, erzählt sie. „Das Kreuzband war gerissen, die Bänder durch“ - Zwangspause war angesagt! Bei TuS Köln, der Damenmannschaft, die später zu Bayer 04 wurde, kämpfte sie sich noch einmal zurück, „nach der Verletzung war es aber nicht mehr das Gleiche, also habe ich aufgehört.“ Das Kribbeln verging aber nicht. Gut fünf Jahre später kehrte Laura in den Fußball zurück – als Volunteer in der BayArena bei der Frauen-Weltmeisterschaft 2011. „Das deutsche Team machte in Leverkusen kein Spiel, also hatte ich hier auch keine Mannschaft zum Mitfiebern. Ich habe dann aber zwei Volunteers kennengelernt, die Schiedsrichter waren – die haben die Spiele ganz anders gesehen. Auf einmal war das Vorrundenspiel Kolumbien gegen Schweden eine hochinteressante Partie auf einer ganz anderen Ebene. Das hat mich fasziniert! Ich kannte Fußballspiele ja als Spielerin, durch meinen Vater ein bisschen aus Trainersicht und als Fan – aber was die Beiden da sahen, war nochmal etwas völlig anderes.“ Die WM ging zu Ende, die Faszination blieb. Nach einem Jahr fasste sich Laura schließlich ein Herz: „Das kann ich auch“, dachte sie sich und meldete sich kurzentschlossen für den Anwärterlehrgang an, legte Regeltest und Laufprüfung ab. Und dann nahm alles seinen Lauf.

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Mit einem B-Junioren-Spiel in der Kreisliga fing‘s an. Das reichte der ehrgeizigen Neu-Schiedsrichterin aber schnell nicht mehr – die Frauen-Regionalliga steckte sie sich als Ziel. Das schien ambitioniert, aber auch durchaus machbar! „Die Männer-Bundesliga brauche ich mir gar nicht in den Kopf setzen – da komme ich nicht hin“, weiß Duske um ihre realistischen Grenzen. Eine zweite Bibiana Steinhaus wird sie also wohl nicht werden. „Bibiana ist die Schiedsrichterin aller Schiedsrichterinnen. Ich habe sie einmal kennenlernen dürfen, sie ist natürlich ein Vorbild. Aber so hoch wie sie wird keine Frau so schnell mehr kommen“, glaubt Laura. „Ihre Karriere ist einmalig.“ Heißt aber nicht, dass Duske nicht gerne die Männer zurechtpfeifen würde: „Käme ein Angebot für die Bundesliga, würde ich‘s machen“, schmunzelt sie. Aber einen Schritt nach dem anderen. Nachdem der Schiri-Schein in der Tasche war, hatte sie keine Zeit zu verlieren. Als Einsteigerin war sie mit 25 schließlich schon gehörig spät dran. Und wer sagt‘s denn: In Rekordzeit hatte sie nach einem halben Jahr die Qualifikation für die Männer-Bezirksliga in der Tasche und war damit auch für die Frauen-Regionalliga berechtigt. Ziel erreicht! Aber wieso sich damit zufrieden geben, wenn noch mehr geht? Nach einem Jahr kam der Aufstieg in die Männer-Landesliga, zwischendrin ein Anruf vom DFB – ob sie sich denn vorstellen könne, als Assistentin in der 2. Frauen-Bundesliga mitzufahren? „Das kam überraschend und hat mich echt sprachlos gemacht. Den DFB-Bereich hatte ich gar nicht auf dem Schirm“, erzählt sie rückblickend fast ungläubig. Aber es ging ja noch weiter mit den großen Sprüngen. Duske durfte fortan in der 2. Liga selbst Spiele leiten.

Bibiana ist natürlich ein Vorbild. Ihre Karriere ist einmalig

Im Sommer 2017 kam sie schließlich ganz oben in der Frauen-Bundesliga an. Was für Laura auch mit einem Vereinswechsel verbunden war. Weil ihr Ex-Klub 1. FC Köln seit dieser Saison in der Frauen-Bundesliga spielt, in der Laura nun pfeift, hatte der DFB ihr nur wenige Spiele in Aussicht gestellt. Weil seit ihrer Volunteer-Zeit noch ein guter Kontakt zu Bayer 04 bestand, wechselte Laura unters Bayer-Kreuz.Hinter Duskes Erfolg steckt viel Arbeit. Pro Saison kommt die Unparteiische auf rund 70-80 Spiele mit teils weiter Anfahrt ans andere Ende der Republik. Freie Wochenenden sind Mangelware. Nicht, dass sie sich nichts freischaufeln könnte – sie will nicht! „Es bleibt wirklich keine Zeit mehr für anderes, das ist aber bewusst von mir so gewählt.“ Wenn sie nicht auf dem Fußballfeld steht, sitzt die Juristin in einer Anwaltskanzlei. Im Moment spielt sie mit Job und Schiri-Einsätzen Tetris. Irgendwie klappt das mit der Terminplanung aber immer, auch Dank ihres verständnisvollen Chefs. Auch in der hauptberuflichen Karriere will sich Laura weiterentwickeln: „Das zweite Staatsexamen soll bald folgen“, sagt sie und muss dabei lachen. Der Plan existiert wohl schon etwas länger. Im Moment stehen allerdings die Alltagsdinge des Jobs auf der Agenda: Klagen vorbereiten, Schriftstücke aufsetzen, Außentermine wahrnehmen. Schon während des Studiums fing sie an, in der Kanzlei zu jobben. Dort ist sie im Projekt gewachsen, aber auch irgendwie hängengeblieben, gesteht sie. Denn ihre Leidenschaft fürs Pfeifen ist eben extrem zeitintensiv.

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Doch warum wird man eigentlich Schiedsrichterin? Der schlechte Ruf eilt den Unparteiischen doch voraus. Das sieht Duske ganz locker: „Die Zuschauer kennen nicht zu hundert Prozent die Regeln, denen kann man also nichts vorwerfen, wenn die mal anderer Meinung sind als wir Schiedsrichter.“ Nach ein paar Jahren mit der Pfeife in der Hand weiß sie auch: „Man darf sich nicht die Illusion machen, die Fans von einer Entscheidung überzeugen zu können. Manche Fans glauben, mit ihrem Eintritt ins Stadion auch dafür bezahlt zu haben, gewisse Emotionen gegen den Schiri ausleben zu dürfen.“ Stören tut‘s sie nicht. Das Ganze war jedoch ein Lernprozess. Genauso, wie Duske erstmal herausfinden musste, wie sie mit gewissen Situationen auf dem Platz umgeht. „Es gab Momente, in denen ich mir überlegt habe, ob das noch das Richtige für mich ist“, gibt sie zu und erinnert sich an die Folgen einer Gelb-Roten Karte, die sie zückte: Der Spieler flippt aus, schlägt ihr die Karte aus der Hand, versucht sie zu zerreißen – klappte aber nicht. „Der wurde dann immer wütender, warf die Karte schließlich auf den Boden und trampelte drauf rum. Plötzlich steht da ein Haufen Männer, teilweise Funktionäre des Vereins, um mich herum und alle wollen mir was erzählen.“ Jeder kennt den Spruch „Schiri, wir wissen wo dein Auto steht“ – Gut, dass die Beteiligten das nicht wussten. Statt an ihrem Auto machten sich die Spieler an ihren Klamotten in der Kabine zu schaffen. Als die zierliche Frau sich nach der Partie ihren Weg durch die erzürnte Masse gebahnt hatte, merkte sie in der Schiedsrichter-Umkleide, dass ihre Schuhe spurlos verschwunden waren. Viele andere wären vermutlich sauer geworden, nicht aber Laura Duske. „Kein Problem, jetzt kriege ich neue Schuhe gestellt. Ich bin immer Herr der Lage und sitze sowieso am längeren Hebel, denke ich mir in solchen Situationen“, verrät sie. Glücklicherweise sind solche Vorkommnisse aber eher die Ausnahme.

Ich bin immer Herr der Lage und sitze am längeren Hebel

Schöne Momente gibt es natürlich auch! Highlight war zum Beispiel die Berufung zur Schiedsrichterin in die 2. Liga, was automatisch die Assistenz in der Bundesliga zur Folge hat. „Ich durfte direkt beim Eröffnungsspiel zwischen Wolfsburg und Freiburg an der Linie stehen, war bis dahin ohne DFB-Erfahrung, hatte noch kein Zweitligaspiel gepfiffen. Als Krönung wurde die Partie auch noch im Fernsehen übertragen. Danach dachte ich mir nur: ‚Kneif‘ mich mal bitte einer‘.“

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Auch wenn sie es bei den Frauen bis ganz nach oben geschafft hat, überrascht Duske mit einer Aussage: „Bei Männer-Spielen ist es einfacher! Die Reaktionen der Spieler sind berechenbarer, es geht einfach ums Fußballspielen. Bei denen kann man auf dem Platz verschiedener Meinung sein, nach dem Spiel ist das aber gegessen. Bei Frauen ist das etwas Grundsätzliches, wenn man nicht auf einer Wellenlänge ist, was sich auch nach dem Spiel nicht ausräumen lässt. Es ist dann festgefahren. ‚Zickig‘ wäre der richtige Begriff dafür. Bei einem Schiedsrichter sind die Spielerinnen bestimmt wieder anders. Mich als Frau sprechen die anders an.“ Duske unterscheidet dagegen nicht, wer auf dem Platz steht. „Ich bin nicht der eskalative Typ – ich versuche die Spieler eher mitzunehmen und alles in einem ruhigen Ton zu klären. Wer brüllt, hat eigentlich schon verloren.“ Wenn sie in die Schiri-Zukunft blickt, ist nur noch ein Traum offen: „Ich würde schon gerne mal eine EM oder WM pfeifen. Aber eigentlich bin ich mir ziemlich bewusst, dass ich mit meinem Aufstieg in die erste Liga an meinem Maximum angekommen bin. Wenn noch was on top geht bin ich super happy, aber auch so bin ich zufrieden.“ Dass sie erst so spät angefangen hat, ärgert sie im Nachhinein fast ein bisschen, sonst hätte sie jetzt noch einige Jahre vor sich. Wenn ihre Zeit als Schiedsrichterin irgendwann zu Ende geht, wird der Nachwuchs nachrücken. Für den setzt sich Duske jetzt bereits ein: „Ich hatte selbst das Glück, mitgenommen zu werden. Das versuche ich auch den Jüngeren anzubieten. Zum Beispiel benutze ich in unteren Ligen auch mein Headset. Für die jüngeren Schiedsrichterinnen ist das aufregend und spannend und sie lernen etwas. So wird’s aber auch für mich nie langweilig. Jedes Spiel ist anders, man sieht immer neue Leute, immer andere Situationen.“

Wer sich auch vorstellen kann, Schiedsrichter zu werden, dem kann Laura Duske nur dazu raten, den Schritt zu wagen: „Es ist ein lohnenswertes Hobby, das einen auch persönlich weiterbringt. Man lernt Dinge fürs Leben - sollte man mal ausprobieren!“