Als DDR-Junioren-Auswahlspieler kickte er einst gegen den späteren englischen Weltmeister Bobby Moore, als Stürmer zählte er Anfang der 60er-Jahre zu den erfolgreichsten Bayer 04-Torschützen in der Oberliga und Regionalliga West, und als promovierter Mediziner und Chirurg operierte er die deutsche Torjäger-Legende Klaus Fischer am gebrochenen Bein. Am heutigen Donnerstag feiert Dr. Klaus Heydenreich seinen 80. Geburtstag. Wir blicken aus diesem Anlass zurück auf eine ungewöhnliche Karriere.
Dass er einmal Arzt werden würde, stand eigentlich immer außer Frage. Schon der Opa war Allgemeinmediziner und Landarzt gewesen, der Vater ebenso. Der Familientradition folgte Klaus Heydenreich gerne, auch wenn vielleicht sogar eine Karriere als Profifußballer durchaus möglich gewesen wäre für ihn. Der in Wurzen, einer Kleinstadt zwischen Leipzig und Dresden, geborene Junge wurde schon bei der dortigen Betriebssportgemeinschaft Empor Wurzen West zum DDR-Junioren-Nationalspieler. Für das Fachblatt Fußballwoche war er „der absolute Superstar im DDR-Juniorenfußball“. In einem Länderspiel traf er mal auf einen anderen, kommenden Superstar: Englands Verteidiger-Legende Bobby Moore, der sein Team 1966 als Kapitän zum WM-Titel im eigenen Land führte.
Mit 19 wechselte Heydenreich zum SC Lok Leipzig und begann parallel an der dortigen Universität sein Medizinstudium. Auch in der Oberliga, der höchsten Spielklasse in der DDR, setzte sich der junge, pfeilschnelle Stürmer sofort durch. Aber im Mai 1961, wenige Monate vor dem Mauerbau, floh die Familie nach West-Berlin. „Mein Vater hat mit Anfang 50 alles stehen und liegen lassen, wofür ich ihn später sehr bewundert habe“, sagt Heydenreich. „Damals konnte ich das noch nicht so nachvollziehen, ich war ja ein verhätschelter Ost-Star, der bei Lok Leipzig sofort zum Studium zugelassen wurde, der nicht zur Volksarmee musste und der mit 700 Ostmark pro Monat sehr gut verdiente.“
Im Oktober 1961, zwei Monate nach dem Mauerbau, kam die Familie nach Leverkusen, wo der Vater eine Praxis übernehmen konnte. Klaus Heydenreich schloss sich Bayer 04 an, trainierte unter Coach Erich Garske in der Mannschaft, die 1962 den Oberliga-Aufstieg schaffte. Spielen durfte er noch nicht, weil er nach der Republikflucht, die als unerlaubter Verbandswechsel betrachtet wurde, für ein Jahr gesperrt worden war. In der ersten Oberliga-Saison 1962/63 erarbeitete sich der Stürmer schnell einen Stammplatz unter dem neuen Trainer Fritz Pliska. Er absolvierte 23 von 30 Meisterschaftsspielen, war mit 7 Treffern drittbester Torschütze im Team hinter Hans-Otto Peters (13) und Uwe Klimaschefski (10).
„Wir hatten damals wirklich eine tolle Mannschaft mit einer starken Offensive. Neben Peters und Klimaschefski muss man vor allem auch Heinz Höher, den Star des Teams, und Werner Görts nennen, der als Linksaußen mit seinem Tempo viele gegnerische Abwehrspieler geradezu verschliss.“ Auch Klaus Heydenreich selbst kam über seine Schnelligkeit und Technik, lief die 100 Meter in 11,3 Sekunden und sah sich eher als Vorbereiter denn als Vollstrecker. „Eigentlich war ich ein Stürmer ohne Strafraumpräsenz“, sagt Heydenreich mit einem Schmunzeln. „Für eine klassische Sturmspitze war mein Kopfball-Spiel einfach zu schlecht. Was sicher auch daran lag, dass ich wegen meiner Sehschwäche Kontaktlinsen tragen musste.“
Vor allem an die Derbys gegen den 1. FC Köln erinnert er sich gerne. Etwa an den turbulenten 5:4-Sieg am 17. Februar 1963 auf einem schneebedeckten Boden im Ulrich-Haberland-Stadion. Einen 0:1-Rückstand drehten Hans-Otto Peters mit zwei Treffern, er selbst und Uwe Klimaschefski in eine 4:1-Führung, ehe die Kölner um Weltmeister Hans Schäfer und die Nationalspieler Karl-Heinz Schnellinger und Leo Wilden innerhalb von zwölf Minuten ausgleichen konnten. „Werner Görts machte dann wenige Minuten vor Schluss das entscheidende 5:4, Heinz Höher verschoss kurz darauf noch einen Elfmeter – es war ein irres Spiel“, sagt Heydenreich.
Gerade gegen die großen Mannschaften habe Bayer 04 in dieser Saison überzeugen können. Gegen Borussia Dortmund mit Lothar Emmerich und gegen den Meidericher SV, gegen Preußen Münster und den FC Schalke 04, die am Ende der Saison hinter dem Meister 1. FC Köln auf den Plätzen folgten und allesamt in die neu gegründete Bundesliga aufstiegen. Leverkusen landete nach 30 Spieltagen auf Rang neun, punktgleich mit dem Achten Viktoria Köln, bei dem damals unter Coach Hennes Weisweiler die späteren Bayer 04-Trainer Erich Ribbeck und Willibert Kremer als Spieler aufliefen.
Während Leverkusener Leistungsträger wie Höher, Klimaschefski, Manfred Manglitz, später auch Peters und Werner Biskup zu Bundesliga-Klubs wechselten, blieb Klaus Heydenreich in der Farbenstadt. In der Regionalliga West zählte er 1963/64 zu den Führungsspielern, kam auf 33 Einsätze in 38 Punktspielen und erzielte mit elf Toren die zweitmeisten Treffer hinter Hans-Otto Peters. Doch für Heydenreich stand jetzt das Medizinstudium im Vordergrund, das er zunächst in Köln, dann in Düsseldorf fortsetzte. Während des Physikums und des Staatsexamens musste er mit dem Fußball pausieren, spielte später dann fast ausschließlich nur noch für die Bayer-Amateure. Manche Partie machte er als nun promovierter Mediziner auch noch in der Regionalliga. Die üblichen zwei Jahre als Assistenzarzt absolvierte Heydenreich im Opladener Remigius-Krankenhaus und im städtischen Krankenhaus Leverkusen.
1971 ging er mit seiner Frau Helgard, einer gebürtigen Leverkusenerin, nach Bochum und arbeitete dort als Orthopäde und Chirurg im Bergmannsheil, der größten Unfallchirurgie Deutschlands. In seiner Freizeit spielte der leidenschaftliche Fußballer noch bis zu seinem 35. Lebensjahr für Concordia Bochum in der Verbandsliga, „weil man’s ja einfach nicht lassen kann“.
Später durfte er sich als erster Oberarzt in Gelsenkirchen-Buer einmal um einen prominenten Mittelstürmer auf dem OP-Tisch kümmern: Klaus Fischer hatte sich im März 1980 beim Spiel gegen Bayer Uerdingen einen Schienbeinbruch zugezogen und wurde nun vom ehemaligen Stürmer Dr. Klaus Heydenreich operiert. „Ich war damals auch sportmedizinischer Betreuer von Schalke 04.“ Ein Nebenjob, der ihm auf Dauer aber nicht behagte. „Insgesamt war das Verhältnis zwischen Klubs und Mannschaftsärzten beziehungsweise Medizinern noch ein anderes. Der Arzt war in erster Linie dafür da, die Spieler fit zu spritzen, das war nicht in meinem Sinne.“
Heydenreich, inzwischen 39, verließ das Ruhrgebiet, machte sich als Chirurg in der kleinen rheinland-pfälzischen Kurstadt Bad Ems selbständig und blieb dort 35 Jahre als solcher tätig. Zwei- bis dreimal pro Saison fährt er immer noch in die BayArena, um sich gemeinsam mit alten Weggefährten wie Friedhelm Renno und Günter Haarmann Spiele der Werkself anzuschauen. Fit gehalten hat sich Klaus Heydenreich über all die Jahre mit Tennis. Seit über 40 Jahren ist er Mitglied beim Tennisclub Blau-Weiß Bad Ems.
Bayer 04 wünscht seinem ehemaligen Spieler alles Gute zum 80. Geburtstag!