Seine Hymne gehört schon seit Jahren zum festen Ritual vor jedem Werkself-Heimspiel. Seit dieser Saison stimmt Dirk Maverick, Sänger der Leverkusener Band „Mavericks“, die Bayer 04-Fans nun kurz vor Anpfiff live auf dem Rasen ein. Eine neue Herausforderung und zugleich Herzensangelegenheit für den facettenreichen Musiker. Der Werkself-Cowboy im Porträt.
Es ist 15.25 Uhr an einem herrlichen Sonntag im Spätsommer. Dirk Maverick bereitet sich auf seinen Auftritt vor. Cowboystiefel und Hut sitzen perfekt. Sohn Marvin, sein größter Fan und Kritiker, schnallt ihm die Gitarre um. Eigentlich alles wie immer. Und doch hat Maverick diesmal Lampenfieber. Etwas, das ihm nach fast 35 Jahren Bühnenerfahrung und rund 3.000 Auftritten eigentlich nicht mehr passiert. Eigentlich. Denn statt Cowboyhemd trägt Dirk Maverick dieses Mal ein Bayer 04-Trikot, seine Bühne ist heute der Elfmeterpunkt vor der Nordkurve der BayArena. In wenigen Augenblicken wird die Bundesligapartie gegen den SC Freiburg angepfiffen. Knapp 30 000 Zuschauer hören gleich zu und singen mit, wenn Maverick zum ersten Mal live vor einem Spiel die Vereinshymne „Leverkusen“, geschrieben von seiner Country-Band „Mavericks“, performt. „Da hat auch ein Cowboy mal wacklige Beine“, sagt der 53-Jährige später und lacht.
Denn letztendlich hat alles bestens funktioniert. Der Cowboy, bewaffnet mit Gitarre und Mikrofon, macht ordentlich Stimmung und die Fans startklar für das Spiel, das die Werkself in berauschender Manier auch noch 4:0 gewinnt. Ein perfekter Auftakt für Maverick – auch, weil er sich so intensiv vorbereitet hat wie noch auf keinen Auftritt in seiner langen Karriere. „Ich habe noch nie so oft ein Lied geübt“, erzählt er. „Zwei Wochen lang bin ich jeden Tag mit dem Refrain aufgestanden und auch wieder ins Bett gegangen. Ich habe mich echt verrückt gemacht. Ein Auftritt im Stadion ist halt eine ganz besondere Herausforderung. Du hast nur zweieinhalb Minuten und in denen muss alles passen.“
Diese Art von Vorbereitung resultiert aber nicht nur aus Mavericks Anspruch, sein Publikum bestmöglich zu unterhalten. Stadt und Verein sind eine absolute Herzensangelegenheit für ihn. 1964 wird er als Dirk Gläßner in Leverkusen-Schlebusch geboren. Die Familie ist musikbegeistert, sein Opa schwärmt oft vom Wilden Westen, den Cowboys und Indianern. Zwei Stränge, die Gläßner im Teenager-Alter verbindet und anfängt, Country-Musik zu machen. Der Name seiner Schülerband lautet schon damals „Mavericks“. „Im Englischen ist das ein Synonym für Einzelgänger und genau das war ich mit meiner Country-Schiene damals“, erklärt der Musiker lachend. Anfang der 90er dann bekommt er einen Plattenvertrag. Sein Produzent: Der legendäre Peter Orloff, der unter anderem auch mit Peter Maffay und Julio Iglesias zusammenarbeitete. Orloff verpasst seinem Schützling einen Künstlernamen und Dirk Gläßner hieß fortan Dirk Maverick. Die Parallele zu einem weltbekannten Deutschen mit Vornamen Dirk, der ebenfalls untrennbar mit dem Begriff „Maverick“ verbunden ist und Gläßner bei den Ergebnissen von Internet-Suchmaschinen deshalb ziemlich in die Parade fährt, war damals noch nicht zu erahnen.
Heute nimmt der Country-Sänger als Kopf und Frontmann seiner in Deutschland einzigartigen „Mavericks Country Music Show“ das Publikum auf eine Reise in den Wilden Westen, nach Nashville und New Orleans, interpretiert neben deutschen Country-Klassikern und Eigenkompositionen auch Hits seiner Helden Johnny Cash und Elvis Presley. Doch so weit hinaus es Dirk Maverick musikalisch auch treibt, so verbunden ist Dirk Gläßner nach wie vor noch mit seiner Heimat. Als er für seine Event-Firma „Maverick Entertainment“ vor einigen Jahren eine größere Bürofläche anmieten und nach Burscheid ziehen muss, bricht ihm beinahe das Herz. „Auch wenn es nur zehn Kilometer sind, war das für meine ganze Familie ein Drama. Ich bin eben Leverkusener durch und durch“, erzählt er.
Und als solcher setzte sich Dirk Maverick auch ein, als 2007 das Bayer-Kreuz in Leverkusen abgerissen werden sollte. „Wenn ich ein Anliegen habe, drücke ich es musikalisch aus“, so Maverick. Gesagt, getan: Mit seiner Band nahm er den Song „Rettet das Bayer-Kreuz“ auf und kam so in Kontakt mit der Bayer04-Fanszene, die sich ebenfalls für den Erhalt des Leverkusener Wahrzeichens stark machte. Der Kontakt intensivierte sich und irgendwann stand die Idee einer neuen Stadionhymne. Verschiedene Songs nahmen die Mavericks auf und spielten sie den Werkself-Supportern vor. Besonders begeistert waren die von einer Version von Mavericks-Pianist Frank Willer und traten mit dem Wunsch, sie als neue Stadionhymne zu etablieren, an den Verein heran.
Am ersten Spieltag der Saison 2008/2009 lief „Leverkusen“ schließlich zum ersten Mal bei einem Heimspiel in der BayArena und verschaffte dem fußballbegeisterten Dirk Maverick, der bereits zuvor regelmäßig Heimspiele der Werkself besuchte, bereits am Saisonende den größten Auftritt seines Lebens. Im ausverkauften Berliner Olympiastadion durfte er die neugeschaffene Hymne mit seiner Band vor dem Pokalfinale der Werkself gegen Werder Bremen performen – ein absolutes Highlight in einer ereignisreichen Karriere. „Das waren ein ganz außergewöhnliches Erlebnis. Du stehst vor der schwarz-roten Kurve und im Hintergrund buhen 20.000 Bremer. Sowas ist einfach wahnsinnig aufregend“, beschreibt Maverick.
Mittlerweile ist die Leverkusen-Hymne vor den Heimspielen der Werkself nicht mehr wegzudenken. Ein Grund, warum Bayer 04 in der vergangenen Sommerpause bei Maverick anklopfte und fragte, ob er sich nicht vorstellen könne, das Lied bei Heimspielen künftig live vor der Nordkurve zu singen. Er sagte zu – trotz terminlicher Vorbehalte, denn als Berufsmusiker und –entertainer ist Maverick am Wochenende eigentlich ständig unterwegs und kann deshalb auch bei vereinzelten Spielen nicht auftreten. Aber, so der Werkself-Cowboy: „Als Musiker versuche ich mit jedem Song, bei den Menschen Emotionen auszulösen und es gibt für mich keine größere kollektive Emotion, als wenn 30 000 Leute zusammen im Fußballstadion sitzen und auf das Spiel hinfiebern.“ Bayer 04 ist für ihn eben eine Herzensangelegenheit.
Gleiches gilt für sein Hilfsprojekt in Sri Lanka, dem sich Dirk Maverick seit nun 25 Jahren verschrieben hat. 1989 lernte er das Land im Urlaub kennen und war sofort begeistert vom Land und der bodenständigen Mentalität der Menschen. „Mein Traum war schon damals, hier einmal aufzutreten.“ Ein Traum, der in Erfüllung gehen sollte. 1991 hörte Maverick von einem Charity-Country-Konzert auf Sri Lanka, nahm über sündhaft teure Telefonate und den wochenlangen Postweg Kontakt auf – und trat ein Jahr später mit seiner Band als erster europäischer Act überhaupt auf der Insel im Indischen Ozean auf. Bis heute besteht das „Country Roads Festival“ – und bis heute sind die Mavericks jedes Jahr Gast. „Mitte der Neunziger waren wir dort sogar richtige Stars“, lacht ihr Frontmann, dem es dabei aber um etwas ganz anderes geht: Alle Einnahmen des Festivals, das mittlerweile sogar die längste Konzertreihe Asiens ist, kommen hilfsbedürftigen Kindern des Inselstaats zu Gute. Mit den Einnahmen aus dem ersten Mavericks-Konzert wurde eine Schule mitten im damaligen Konfliktgebiet des Bürgerkriegs errichtet. „Als ich die zum ersten Mal besuchte, hat mich die Dankbarkeit der Kinder wahnsinnig beeindruckt“, erzählt Maverick. Bis heute engagiert sich der Leverkusener deshalb, kauft Kindern bei seinen Besuchen Schuhe oder Musikinstrumente – und kommt doch reicher zurück. „Ich kann aus jeder Reise nach Sri Lanka für mich selbst einiges mitnehmen“, so der Musiker.
Mitgenommen hat Dirk Maverick in seinem Leben sowieso so einiges: Nach der Wende waren die „Mavericks“ eine der ersten West-Bands, die in ostdeutschen Plattenläden vertreten war, in Sri Lanka spielten sie das erste Open-Air-Konzert in der Geschichte des Inselstaats. Seit Mitte der Neunziger tritt der Winnetou-Fan („Ich liebe die Werte, die die Geschichte vermittelt“) beim jährlichen Karl-May-Treffen auf, seit neuestem spielt er auch Wohnzimmerkonzerte vor nur 20 Zuschauern. Sein Tätigkeitsfeld ist dabei aber längst nicht mehr nur auf die Musik beschränkt: Maverick organisiert in ganz Deutschland Events rund um die Thematik „Wilder Westen“ und unterhält kleine Fans mit einem mobilen Indianerdorf, das beispielsweise für Kindergeburtstage gebucht werden kann. Auch, wenn er musikalisch nie den großen Durchbruch gefeiert hat, ist er doch zufrieden mit seinem facettenreichen Schaffen: „Ich bin halt ein typischer Leverkusener. Nie Meister geworden, aber trotzdem immer überall vorne mitgespielt“, lacht er.
Und dass mit seinen Auftritten in der BayArena nun noch ein weiteres Kapitel aufgeschlagen wird, macht ihn ganz besonders glücklich. „Es war von Anfang an ein Traum von mir, dieses Lied mal live im Stadion zu singen und der Werkself-Cowboy zu sein“, meint Maverick. Ein Traum, der nun alle zwei Wochen aufs Neue in Erfüllung geht.