Petra Dahl und Tobias Ufer führen bei den Heimspielen von Bayer 04 durch das Stadionprogramm. Das Werkself Magazin hat sie begleitet und gibt Einblicke in den interessanten und leidenschaftlich ausgeübten Job im Herzen des Stadions.
Schon lange vor dem Anstoß ist der Rasen der BayArena Schauplatz großer Emotionen. Petra Dahl und Tobias Ufer stehen an ihrem Pult vor der Westtribüne und schauen auf die Ränge. Rund 5.000 Zuschauer befinden sich an diesem Samstag, 12. Februar, eine Stunde vor Spielbeginn gegen den VfB Stuttgart auf den Tribünen. Die Stadionsprecherin und der Stadionsprecher, seit 2017 ein Gespann, blicken mit großen Augen auf die Kulisse. Fast so, als dürfen sie den exklusiven Blick von unten zum ersten Mal genießen. Endlich wieder Zuschauer. Beim Anpfiff werden es 10.000 sein, mehr lässt die Corona-Schutzverordnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu. Doch nach Monaten ganz ohne Zuschauer fühlen sich mehrere tausend Besucher nun deutlich besser an. „Endlich wieder ein Publikum. Es ist herrlich“, freut sich Petra Dahl, die in Leverkusen fast jeder als „Pitti“ kennt. Schon die 750 Fans, die zuvor beim 5:1 gegen den FC Augsburg erlaubt waren und mächtig Lärm machten, empfand die 51-Jährige nach den vielen Geisterspielen in den vergangenen beiden Jahren als Fortschritt. „Alles ist besser als null Zuschauer. Es macht keinen Spaß, der Rufer in der Stille zu sein“, fügt Tobias Ufer hinzu, der bei den Geisterspielen oftmals allein auf der Tribüne saß und nur für die TV-Zuschauer seine Ansagen machte.
Stadionsprecher, die in der Regel für die Fans eine Bezugsperson darstellen, kommen sich in leeren Arenen verloren vor. „Pitti“ Dahl, deren markante Stimme die Werkself in der Arena schon seit 2009 begleitet, blieb bei den Geisterspielen schweren Herzens gänzlich zu Hause. „Ich wäre aber auch beschäftigungslos gewesen“, gesteht die begeisterte Bayer 04-Anhängerin. Denn für alle Sicherheitsdurchsagen, Informationen der Polizei und der Veranstaltungsleitung gab es ohne Besucher schlicht keinen Bedarf. Und da auch kein Unterhaltungsprogramm vor und nach den Spielen stattfand, war nur Tobias Ufer im Einsatz. Der 44-Jährige macht seit Mai 2017 alle Durchsagen, die direkt die Spiele betreffen: also die Mannschaftsaufstellungen, Tore und Wechsel sowie die Halbzeit- und Endergebnisse.
Jedes Spiel hat seine besonderen Herausforderungen – vor allem die Namen der gegnerischen Spieler bieten potenzielle Gefahrenquellen. Doch der Langenfelder, der mehrere Jahre als Moderator für die TV-Sender Sky Sport News und Phoenix arbeitete, hat eine ungewöhnliche, aber erfolgreiche Form der Vorbereitung für sich entdeckt, wie er lächelnd preisgibt: „Um alle Spielernamen richtig aussprechen zu können, spiele ich an der Konsole FIFA und lasse dabei das A-Team gegen das B-Team des kommenden Gegners gegeneinander antreten.“
Damit holt er sich vor internationalen Partien indirekt Hilfe von einem prominenten Sky-Kollegen: „Bei nationalen Spielen komme ich gut zurecht, aber für die Champions League und die Europa League bin ich ganz froh, wenn ich mal höre, wie Wolff Fuss die Namen richtig ausspricht.“ Denn Fuss kommentiert ja auch die virtuellen Spiele.
Kommunikationsexperte Ufer, seit 25 Jahren Bayer 04-Fan, hat gegen Stuttgart keine Probleme. Routiniert und doch emotionalisiert begleitet er akustisch den furiosen 4:2-Sieg. Ufer weiß, wovon und worüber er spricht. Er ist bestens vertraut – mit seinem Lieblingssport und dem Klub. „Ich komme nur mit einem weißen Zettel. Ich mache das meist spontan“, sagt Ufer. Das ist bei Petra Dahl komplett anders. „Ich kann das nicht so aus der kalten Hose wie Profi Tobi und muss mir schon einiges aufschreiben. Ich hatte beim Theaterspielen mal einen Blackout, da fiel mir nichts mehr ein. Seitdem muss ich immer einen Spickzettel bei mir haben“, sagt Dahl.
In der Planung, an der auch Patrick Pfeffer vom Stadion-TV teilnimmt, und am Spieltag ist die Aufgabenteilung perfekt abgestimmt. Das Programm mit dem Infotainment vor dem Spiel und zur Halbzeit bestreiten beide gemeinsam. Während der Partie sitzt Ufer zusammen mit Veranstaltungsleiter Stephan Rehm auf einem kleinen Rollwagen direkt am Spielfeld zwischen den Trainerbänken. Die Anspannung ist zu spüren. Ufer geht bei jedem Angriff mit und tippelt ab und an nervös mit den Zehenspitzen. Seine Mitstreiterin, stets mit ihm über Funk verbunden, befindet sich währenddessen im Stadionregie-Raum unter dem Dach der Südtribüne – und ist ebenfalls hoch konzentriert. „Ich bin das Auge der Stadionregie für alles auf dem Platz, was sie nicht durch Ansagen von Tobias an das Publikum mitbekommen“, erklärt Dahl. „Ich schaue auf das Spielfeld und sage ihnen: Ecke Gast, Ecke Heim, Gelbe Karte für xy. Wenn ich es von oben nicht genau erkannt habe, kann Tobi meist helfen“, erklärt die gebürtige Leverkusenerin, die auch im spektakulären Spiel gegen Stuttgart stets die Übersicht behält.
Sie hat schon viel erlebt, seitdem sie 2009 auf Initiative von Meinolf Sprink, dem Direktor Fans/Soziales bei Bayer 04, als ehemalige Dauerkartenbesitzerin von der Tribüne auf den Platz hinter dem Mikro wechselte. „Ich mache das seitdem unglaublich gern. So nah am Geschehen sein zu dürfen, ist noch immer ein kleiner Traum für mich“, sagt die Angestellte der Marketing-Abteilung des Klubs. Sie ist aktuell die einzige Stadionsprecherin der Bundesliga und hofft, dass in Zukunft auch andere Klubs Frauen mit dieser Aufgabe betrauen. Immerhin gibt es in der 2. Liga schon einige „Kolleginnen“. Dahl gehörte zudem zum Stadionsprecher-Pool des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bei Länderspielen, bis sie 2019 aus familiären Gründen aufhören musste.
Sie hat in den vergangenen 13 Jahren miterlebt, wie sich das Anforderungsprofil an die Stadionsprecher gewandelt hat – weg von der unsichtbaren Stimme aus der Kabine hin zum Eventmanager mit Moderationstalent.
„Ich finde es sehr schön, dass der Live-Fußball attraktiv ummantelt wird“, sagt Dahl. Die Fans sind für sie und Ufer – abgesehen von den Hauptdarstellern auf dem Rasen – das Wichtigste. Zu ihnen sucht das Sprecher-Duo auch gegen Stuttgart gezielt persönlichen Kontakt – und erhält so auch Feedback. „Die Interaktion ist wichtig. Wir gehen auch auf Anregungen der Fans ein“, betont Ufer.
Die Emotionen der Fans aufzunehmen, aber sie nicht mit unbedachten Ansagen zu schüren und dadurch Aggressionen gegen die gegnerischen Spieler und die Schiedsrichter entstehen zu lassen – das ist eine Leitlinie der Stadionsprecher, wie Ufer betont: „Wir heizen die Stimmung nicht zusätzlich auf. Ich bin nur einmal, als wir 2018 im DFB-Pokal 4:2 gegen Bremen gewonnen haben, emotional richtig aus dem Sattel gegangen. Grundsätzlich haben wir die Verantwortung, besonnen zu handeln.“
Dahl und Ufer freuen sich nun auf den Saison-Endspurt. Die Zuversicht ist groß, dass der leidenschaftlich ausgeübte Beruf auf der Zielgeraden der Spielzeit einen zusätzlichen und lange vermissten Endorphin-Schub erhält. Denn die 10.000 Zuschauer und das tolle Spiel haben Lust auf mehr gemacht, wie sie nach der Partie – noch immer unter Adrenalin-Einfluss – bekennen: „Dass die Bayer 04-Fans wieder in einer BayArena mit vollen Rängen die Siege unserer Mannschaft bejubeln können, ist unser größter Wunsch.“
Der Beitrag ist dem Werkself Magazin #35 entnommen, das im März 2022 erschienen ist. HIER geht's zu den kostenlosen Online-Blätterkatalogen aller bisherigen Werkself Magazine.