Für die einen ist er Rüdi, andere nennen ihn Rudi. In jedem Fall aber ist Rüdiger Vollborn Torhüter-Legende, UEFA-Cup-Sieger, DFB-Pokalgewinner, Bayer 04-Rekordspieler, Fanbeauftragter, „Historiker“ und eine der größten Persönlichkeiten des Klubs. Heute feiert er seinen 60. Geburtstag. Bayer 04 wünscht von Herzen alles Gute und hat drei besondere Gratulanten um ein paar Worte gebeten:
Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Bayer 04, verbindet mit Rüdiger Vollborn eine kuriose Geschichte: Ende der 70er Jahre, als Rüdiger Vollborn als 15-Jähriger in Berlin im Lerchenweg 14 lebte, verbrachte Carro einen Sommer bei Vollborns Nachbarn im Lerchenweg 12. Beide besuchten dieselbe Schule, die Luise-Henriette-Schule in Berlin. Vollborn war damals in der 10. Klasse, Carro in der 8. Klasse.
Lieber Rüdiger,
zu deinem 60. Geburtstag gratuliere ich dir heute ganz herzlich! Vor kurzem habe ich in meinen Erinnerungen eine alte Autogrammkarte von dir gefunden, da bist du gerade einmal 20 und warst ganz am Anfang deiner Profikarriere bei Bayer 04.
In Gesprächen haben wir beide festgestellt, dass wir in unserer Kindheit eine Zeit lang in Berlin fast nebeneinander gewohnt haben und aus der Zeit noch gemeinsame Bekannte haben. Erinnerst du dich noch an Familie Luge? Er war Architekt der Deutschen Schule in Barcelona.
Heute arbeiten wir beide in diesem Klub, dem du schon seit über 40 Jahren die Treue hältst. Hier bist du Profi geworden, hast über 480 Spiele gemacht, bist nach wie vor Rekordspieler, hast als einziger Spieler mit der Werkself den UEFA-Cup und den DFB-Pokal gewonnen und bist auch nach deiner Profikarriere hier nicht wegzudenken. Mit deinem unnachahmlichen Eifer hast du die Historie unseres Klubs aufgearbeitet, hast diese verewigt, hältst spannende Vorträge und gibst dein besonderes Wissen auch im Rahmen der Legenden-Touren durch die BayArena an unsere Fans weiter.
Menschen wie du, lieber Rüdiger sind für Bayer 04 und für unser gesamtes Team unersetzbar und unglaublich wertvoll. Du weißt, wieviel mir die Aufarbeitung und Konservierung unserer Klubgeschichte bedeutet. Das verbindet uns beide sehr. Ich wünsche dir im Namen der gesamten Belegschaft alles Gute zu deinem runden Geburtstag!
René Adler wurde im Jahr 2000 von Rüdiger Vollborn für Bayer 04 entdeckt. Der damalige Jugend-Torwarttrainer nahm das 15-jährige Ausnahmetalent bei sich auf, Adler lebte bis 2004 im Hause Vollborn bei Rüdiger und Ehefrau Marion sowie deren Söhnen Fabrice und Jérome. Im Februar 2007, Vollborn war inzwischen Torwarttrainer der Profis, gab René Adler sein Bundesliga-Debüt für die Werkself beim 1:0-Sieg auf Schalke. Anderthalb Jahre später, im Oktober 2008, machte der gebürtige Leipziger sein erstes von 12 Spielen für die deutsche A-Nationalmannschaft. Für Bayer 04 bestritt er insgesamt 138 Bundesligaspiele. Später war er noch für den Hamburger SV (117 Bundesliga-Einsätze) und den 1. FSV Mainz 05 (14) aktiv. Dort beendete er 2019 seine Profi-Karriere. René Adler lebt heute in Hamburg und ist mit der Schauspielerin und gebürtigen Leverkusenerin Lilli Hollunder verheiratet. Im November 2022 kam das zweite gemeinsame Kind auf die Welt. Mit Rüdiger Vollborn verbindet René Adler bis heute eine enge Freundschaft.
Lieber Rüdiger,
als wir uns vor 23 Jahren in der Sportschule Leipzig kennenlernten, irgendwann im Januar 2000, konnte ich natürlich nicht ahnen, dass das meiner Karriere den entscheidenden Schub geben würde. Du kümmertest dich im Rahmen eines Lehrgangs der U15-Nationalmannschaft um sechs oder sieben jugendliche Torhüter. Ich war einer von ihnen. Gleich das erste Training mit dir hat viel in mir ausgelöst. Es hat einfach riesigen Spaß gemacht. Und obwohl du alle Torhüter gleichbehandelt hast, spürte ich doch eine besondere Chemie zwischen uns.
Ich spielte zu dieser Zeit in der Jugend des VfB Leipzig und wollte unbedingt den nächsten Schritt machen. Zwei- bis dreimal pro Monat Torhüter-Spezialtraining war mir viel zu wenig. Denn wie du weißt, war für mich seit meinem 10. Lebensjahr klar, dass ich Profifußballer werden wollte. Natürlich kannte ich dich aus dem Fernsehen und wusste, dass du eine Torhüter-Legende warst. Aber das hat mich nicht in erster Linie beeindruckt. Du hast mir menschlich imponiert und ein sensationelles Training gemacht. Als ich damals abends nach Hause kam, sagte ich zu meinen Eltern: „Dieses Training will ich jeden Tag haben.“ Ich hatte viele Angebote von anderen Bundesligaklubs, aber du, Rüdi, warst der Grund, warum wir, meine Eltern und ich, uns für Leverkusen entschieden. Ich wollte dahin, wo du bist. Und das war eben Bayer 04. Ich betrachte es als glückliche Fügung, dass es in Leverkusen damals keine Gastfamilie für mich gab. Ein Internat, wie es viele andere Klubs hatten, wäre für mich ohnehin nie infrage gekommen. Dafür war ich zu Hause zu sehr verhätschelt worden und viel zu unselbstständig.
Und dann habt ihr, Du und Marion, mich eben bei euch aufgenommen. Für mich war das wie ein Sechser im Lotto. Ich verspüre noch heute eine so tiefe Dankbarkeit, weil es eben nicht selbstverständlich ist, jemanden in die eigenen vier Wände aufzunehmen, den man kaum kennt. Auch für Fabrice und Jérome, eure Jungs, war das nicht selbstverständlich, dass da plötzlich einer ist, der auch noch ein bisschen Platz einnimmt im eigenen Haus. Die Geborgenheit, die ich bei euch gespürt habe, hat entscheidend dazu beigetragen, dass ich meinen Traum vom Profifußballer verwirklichen konnte.
Als ich zu euch kam, war ich 15 – und steckte mitten in der Pubertät. Erster Liebeskummer, mal über die Stränge schlagen, das sind ja Dinge, die normal sind in so einer Phase. Danke, Rüdi, dass du auch in diesen Situationen immer ein offenes Ohr für mich hattest! Für mich bist du Ziehvater, Mentor und Freund in einer Person. Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich in meinen vier Jahren bei euch selbständiger geworden wäre, würde sich Marion wahrscheinlich kaputtlachen. Auch bei euch musste ich meine Wäsche nicht selbst waschen, und ich bekam immer meine warme Mahlzeit. Immerhin bin ich aber morgens allein mit dem Bus zum Landrat-Lucas-Gymnasium nach Opladen gefahren…
Weißt du, Rüdi, was ich immer besonders genossen habe? Die Autofahrten mit dir zum Training oder zu Lehrgängen. Je weiter weg und je länger, desto besser. Du als großer Musikfan hattest damals immer die neuesten CDs am Start. Die hörten wir dann meist in voller Länge durch. Und dabei unterhielten wir uns über torhüterspezifische Dinge, Torwarttaktik, Verhaltensweisen, besondere Übungen. Es war ein Rundum-Programm: Vorbesprechung während der Hinfahrt, Umsetzung auf dem Platz, Nachbesprechung auf der Rückfahrt. Was du mir sagtest, saugte ich auf wie ein Schwamm. Und nein, es wurde mir nie zu viel. Da gab es immer ein blindes Verständnis zwischen uns. Vielleicht, weil wir beide Besessene waren. Auf jeden Fall profitierte ich von diesen Fahrten enorm.
Du hast mich oft gelobt, aber nicht selten auch zusammengefaltet. Ich schätze deine Ehrlichkeit sehr. Denn du wärest für jeden deiner Torhüter durchs Feuer gegangen, wenn es hätte sein müssen. Wenn du von jemandem oder von einer Sache überzeugt bist, dann kämpfst du dafür, auch wenn es strategisch und für dich persönlich vielleicht nicht klug ist. Du bist eben nullkommanull opportunistisch.
Wenn ich zurückblicke, kann ich für mich sagen: Der Weg zum Profi hat mir mehr Spaß gemacht als das Profi-sein selbst. Und die Zeit mit dir, Rüdi, auf dieses große Ziel hinzuarbeiten, das war für mich mit die schönste Zeit meines Lebens.
Dass du dich jetzt mit so viel Leidenschaft der Historie von Bayer 04 widmest, finde ich großartig. Ich habe immerhin auch zwölf Jahre für den Klub gespielt und bin stolz darauf, Teil dieser Geschichte zu sein. Bayer kann sich glücklich schätzen, dich zu haben! Es gibt in der Bundesliga nicht viele, die eine solche Identifikation mit ihrem Klub leben wie du.
Lieber Rüdi, ich wünsche dir von ganzem Herzen alles Gute zu deinem 60. Geburtstag, dir und Marion noch viele tolle Reisen und Abenteuer. Und ich wünsche mir, dass wir uns in Zukunft wieder öfter sehen!
Andreas „Paffi“ Paffrath ist Bayer-Fan, seit er denken kann. Der 55-jährige Fanbeauftragte des Klubs teilt sich ein Büro mit Rüdiger Vollborn in der Fanbetreuung in der Breidenbachstraße 46. Die beiden kennen sich seit mehr als 40 Jahren.
Lieber Rudi,
ich will diese Zeilen hier mit einem Bekenntnis beginnen (ich weiß ja, dass du ein Freund ehrlicher Worte bist): Als du 1981 nach Leverkusen kamst, war ich 14 und längst eingefleischter Fan von Schwarz-Rot. Du warst frisch gebackener U18-Europameister mit Deutschland und wurdest im selben Jahr sogar noch U20-Weltmeister. Wow, dachte ich, der Junge kommt mit reichlich Vorschusslorbeeren zu uns. Das Problem war nur: Uwe Greiner, unsere neue Nummer 1 damals, war mein großes Idol.
Du spieltest zunächst bei den Amateuren und bist dann ein Jahr später von Dettmar Cramer zu den Profis hochgeholt worden, als Nummer 2 hinter Greiner. Als du ihn ab 1983 im Tor abgelöst hast, habe ich nicht gerade Luftsprünge gemacht. Aber ich merkte ziemlich schnell, dass du als Typ schwer in Ordnung warst. Mein Opa hat immer gesagt: „Unter der Dusche haben alle einen nackten Arsch, da ist keiner vergoldet oder versilbert.“ Der Spruch passt zu dir, finde ich. Du hast dich nie als was Besseres, was Besonderes empfunden.
Als Torwart warst du von Anfang an bärenstark auf der Linie. Aber wenn du mal weiter raus musstest, wurden wir Fans auf der Tribüne nervös. Es war, das weißt du ja selbst, in den ersten Jahren ein nicht ganz spannungsfreies Verhältnis zwischen dir und den Anhängern. Aber dann kam 1988. Die legendäre UEFA-Cup-Saison. Final-Rückspiel gegen Espanyol Barcelona. Elfmeterschießen. Ich traute meinen Augen nicht, als du anfingst, wie wild mit den Armen zu rudern. Viele neben mir auf der Tribüne riefen: Was macht der wieder für Sachen! Ist der jetzt völlig abgedreht! Es war das erste Mal, dass ein Torwart derart irritierende Bewegungen beim Elfmeterschießen machte. Das Ende ist ja bekannt. Es hat gewirkt. Der Erfolg hat dir recht gegeben.
Nach dem Triumph kamst du mit dem UEFA-Cup in die damalige Eissporthalle gegenüber vom Haberland-Stadion und wolltest mit uns, den Fans, feiern. Bei der Freibier-Sause waren zwar nur noch rund 30 Anhänger dabei, aber jeder von ihnen durfte den Pokal mal anfassen. Und auch du warst immer jemand zum Anfassen. So nahbar, dass es auch schon mal unangenehm werden konnte. 1993 zum Beispiel, als wir unseren DFB-Pokalsieg am Leverkusener Rathaus-Platz feierten. Du machtest das volle Programm: erst das Bad in der Menge beim Autokorso und auf der Tribüne, dann das – nicht ganz freiwillige - Bad im Brunnen, zu dem dich die Fans gar nicht lange bitten mussten, wenn ich mich recht erinnere…
Du hast aber nicht nur mit uns gefeiert, sondern warst auch da, wenn’s mal ernst wurde. Wie 1996 vor dem Schicksalsspiel gegen Kaiserslautern. Nach ein paar Mitarbeitern von Bayer 04 statteten auch einige Fans und ich der Mannschaft im Trainingslager in Much einen Besuch ab, um nochmal für einen Motivationsschub vor dem Abstiegsduell zu sorgen. Nicht alle im Team fanden den Fan-Besuch gut, aber du hast dich auf unsere Seite gestellt, hast zugehört und warst damals der große Brückenbauer.
Und das bist du auch heute noch. Als du 2012 Fanbeauftragter werden solltest, warst du dir anfangs nicht sicher, ob der Job etwas für dich ist. Ich habe damals bei einem zufälligen Gespräch mit dir auf der Bismarckstraße, du erinnerst dich vielleicht, gerne noch ein bisschen Überzeugungsarbeit geleistet. Denn diese Entscheidung, dich zum Fanbeauftragten zu machen, wurde aus der Fanszene heraus klar mitgetragen. Du, unser Rekordspieler, unsere Torwart-Legende, warst sogar die Optimalbesetzung für diese Aufgabe. Du kanntest die Sichtweise der Spieler und hattest einen engen Draht zu den Fans.
Heute sind wir Kollegen, arbeiten Tisch an Tisch. Das große Foto von der DFB-Pokalfeier in Leverkusen, auf dem du, eingerahmt von Franco Foda und Kutten-Calli, den Fans stolz den Pott präsentierst, hängt an der Wand in unserem gemeinsamen Büro. Ich liebe dieses Foto – auch wegen eurer schrägen roten Krawatten mit den weißen Punkten…
Du hast dich schnell in alle Bereiche eingearbeitet, bist mit zu Auswärtsspielen gefahren und warst dir nicht zu schade, auch in der Kurve einzuschreiten, wenn’s dort mal gerappelt hat. Und du stehst immer noch bei jedem Heimspiel an der Fankiste, um mit allen Fangenerationen zu plaudern. Ich glaube, auf der VIP-Tribüne würdest du dich nicht so wohl fühlen.
Heute macht die eigentliche Fanarbeit nur noch einen kleinen Teil deines Jobs aus, weil du dich hauptsächlich um unsere Historie kümmerst. Aber glaub mir, du hast uns schon so viele Türen geöffnet und mit dazu beigetragen, dass sich das Verhältnis zwischen Spielern und Fans sehr zum Positiven verändert hat!
Lieber Rudi, ich wünsche dir alles Gute zu deinem 60., bleib wie du bist und vor allem gesund – damit wir beide noch ein paar Jährchen gemeinsam für unseren Bayer arbeiten können.