Die Fachpresse ist sich einig: Bayer 04 hat einen unglaublich guten Kader, vielleicht den besten der vergangenen Jahre. Wie empfinden Sie diese Vorschusslorbeeren?
Carro: Da bin ich ein gebranntes Kind. Wir haben vergangenes Jahr schon gesagt: Wir haben einen tollen Kader, niemanden abgegeben, alles bestens. Und dann haben wir eine sehr schwierige Spielzeit erlebt, die wir am Ende mit hohem Aufwand und etwas Glück noch verträglich gestalten konnten. Aber ja, wir sind aktuell zufrieden mit den Zugängen. Wir hätten natürlich auch Moussa Diaby lieber behalten, aber wir haben auch unsere Budgets, unsere Rahmenbedingungen, unter denen wir arbeiten. Also müssen wir auch solche Spieler ab und zu mal verkaufen. Auf dem Papier sieht der Kader gut aus, der wird im Zweifel nur noch punktuell verfeinert. Aber dennoch gilt: Die Wahrheit zeigt sich erst, wenn die Wettbewerbe laufen.
Wie bringen Sie sich denn in diesen Prozess der Kaderplanung ein?
Carro: Die Diskussionen laufen auf unterschiedlichen Ebenen. Wir führen eine grundsätzliche Kader-Debatte, die eher mit Trainer Xabi Alonso, Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes und mir stattfindet zu der Frage, welche Positionen wir verstärkt brauchen, welche Charaktere wir suchen. Und für jede Position gibt es dann natürlich fünf, sechs Alternativen, die das Scouting-Team von Kim Falkenberg vorgeschlagen hat. Da vertraue ich vor allem Simon, gemeinsam mit dem Trainer ein Ranking aufzustellen mit Prioritäten und wirtschaftlichen Eckdaten. Obwohl ich immer meine eigene Meinung habe, mische ich mich in die sportliche Bewertung nicht ein. Ich kümmere mich gemeinsam mit Simon darum, den Transfer unter den gegebenen, mit dem Gesellschafterausschuss-Vorsitzenden Werner Wenning festgelegten Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir haben hier eine gut funktionierende Rollenverteilung etabliert. Besonders in diesem Sommer hat es sehr gut geklappt. Wir haben bislang alle Wunschspieler bekommen. Es waren immer unsere Top-Eins-Kandidaten. Das ist nicht so häufig der Fall, dass das gelingt.
Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Oder auch in der Kabine. Mit Thomas Eichin als neuem Direktor Lizenz hat Bayer 04 auch im Umfeld der Mannschaft einen neuen Impuls gesetzt.
Carro: Wir haben insgesamt Veränderungen angestoßen. Simon ist, als Rudi Völler im Sommer 2022 aufgehört hat, zum Sport-Geschäftsführer aufgestiegen und hat damit eine andere Rolle übernommen. Zugleich wurde sein vorheriger Posten als Sportdirektor nicht neu besetzt, so dass er natürlich auch erst mal geschaut hat: Wo muss er sich stärker involvieren? Was benötigt er? Welche Rolle muss er neu besetzen? Auf der einen Seite hat im Ergebnis Kim Falkenberg nun mehr Verantwortung in der Kaderplanung übernommen, zudem ist Thomas Eichin gekommen. Die Aufgaben und Prozesse im Lizenzbereich sind in den vergangenen Jahren vielfältiger und komplexer geworden – die Personaldecke ist größer, es herrscht mehr Abstimmungsbedarf in allen unterschiedlichen Bereichen. Thomas Eichin hat schon in wenigen Wochen gezeigt, dass er sehr wertvoll ist, auch mit seiner Erfahrung als ehemaliger Bundesliga-Spieler und als ehemaliger Geschäftsführer von Werder Bremen. Seine Herangehensweise und Kompetenz tun uns gut, auch der Mannschaft, um Simon den Rücken freizuhalten in allen Themen, die eine tägliche Präsenz benötigen. Es geht eher um die innere Überzeugung, dass man diese Impulse braucht, um noch besser zu werden.
Welche Rolle spielte dabei der Trainer?
Carro: Xabi weiß aus seiner Karriere, was er an Professionalität, an Mentalität von jedem einzelnen Spieler verlangen muss. Es ist ein Segen, so einen erfahrenen und erfolgreichen ehemaligen Spieler im Klub zu haben, der genau weiß, was ein Kader, was eine Kabine braucht. Diese Kombination haben wir das vergangene halbe Jahr ausprobiert, und das wird noch weiter verfeinert. Das ist eine sehr gute Konstellation, in der alle ihre Stärken einbringen können. Wir sind also sehr gut aufgestellt, auf und neben dem Platz.
Wann war der Moment, an dem klar wurde: An das Thema müssen wir grundsätzlicher heran?
Carro: Diese wirklich schwierige Phase zu Saisonbeginn hat uns im vergangenen Herbst natürlich auch gezwungen, noch stärker in die Analyse zu gehen, stärker zu schauen, was müssen wir ändern, damit das nicht nochmal passiert – und sich stattdessen die Wahrscheinlichkeit erhöht, sportlich erfolgreich zu sein. Da hat möglicherweise die Erfahrung gefehlt. Wir sind bekannt für viele junge Spieler, die viel Potenzial haben. Aber es hat teilweise die Balance gefehlt an Disziplin, an Professionalität, an Erfahrung im Kader und drumherum. So etwas wird oft erst dann sichtbar, wenn die Ergebnisse nicht stimmen.
Wird Bayer 04 auf eine gewisse Art und Weise erwachsen?
Carro: Ich würde sagen: Wir werden erfahrener, professioneller, disziplinierter. Deswegen haben wir auch einige gestandene, reifere Spieler um die 30 geholt. Wir wollen die jugendliche Dynamik deshalb nicht verlieren. Aber wir wollen ergänzen, was wir schon haben. Junge, tolle Spieler, die großes Potenzial haben, ergänzt durch eine gewisse Erfahrung und Professionalität im Team, die notwendig ist.
Auch Sie selbst haben als Fußball-Funktionär inzwischen reichlich Erfahrung.
Carro: Ich bin nun fünf Jahre im Geschäft und vertrete Bayer 04 und den deutschen Fußball seit knapp vier Jahren in der UEFA und der europäischen Klubvereinigung ECA. Mein Verantwortungsbewusstsein in der Sportpolitik ist sehr stark, national wie international. Ich bin es gewohnt und mag es, Verantwortung zu übernehmen. Ich werde in wenigen Wochen auch für die nächste Amtszeit im ECA-Board kandidieren und versuchen, meine Management-Erfahrungen einzubringen – hier hat das Fußball-Business immer noch reichlich Nachholbedarf in meinen Augen.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Vita als erfolgreicher Manager international stärker gewürdigt wird als vielleicht hierzulande?
Carro: Es geht da gar nicht in erster Linie so sehr um mich. Bayer 04 hat international ein ganz anderes Standing als national. Da sind wir klar ein deutscher Top-Vier-Klub, das zeigt sich ja auch bei den weltweiten Bundesliga-Zuschauerzahlen. Da sehe ich manche Diskussion hierzulande schon mit etwas Befremden. Dieses Sich-auf-die-alten-Lorbeeren-berufen ist schon weit verbreitet. National gibt es natürlich viele Klubs, die eine unglaubliche Verankerung haben, ganz unabhängig von der Ligen-Zugehörigkeit. International aber sind viele der vermeintlichen Traditionsklubs gar nicht bekannt. Präsent sind hauptsächlich Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer 04, RB Leipzig – und in jüngster Zeit ist Eintracht Frankfurt dazugekommen. Das sind momentan die Big Five der Bundesliga, die den deutschen Fußball auf europäischer Funktionärsebene vertreten.
Wie blicken denn die internationalen Kollegen auf den deutschen Fußball?
Carro: Wir sind immer etwas Besonderes. Allein durch die 50+1-Regel fallen wir auf. Das sage ich ganz wertfrei. Am Ende sind wir, im Vergleich, immer komplizierter als viele andere. In Deutschland gibt es natürlich schon eine andere Wahrnehmung des Fußballs als in anderen Ländern.
Es klingt so, als würden Sie manche deutsche Debatte bedauern.
Carro: Meine Meinung ist bekannt: 50+1 macht heutzutage eigentlich überhaupt keinen Sinn. Dabei hätten wir als Bayer 04 selbst keinen Vorteil von einer Aufhebung der Regel, im Gegenteil. Es darf bei der Debatte aber nicht nur um den eigenen Klub gehen. Ich bin davon überzeugt, dass sich der deutsche Fußball viel stärker weiterentwickeln könnte, wenn wir diese Regel kippen würden. Wir hätten zum Beispiel einen garantiert größeren und breiteren Wettbewerb. Jeder Klub könnte völlig selbstbestimmt über den Einstieg eines Investors entscheiden, und ich bin auch überzeugt, dass dies nicht automatisch mit einer Erhöhung der Eintrittspreise einhergehen müsste. Aber das ist eine müßige Debatte. Es ist mehrheitlich in Deutschland zurzeit nicht gewollt. Das nehme ich dann zur Kenntnis und arbeite professionell mit diesem Umstand. Unabhängig von dieser speziellen 50+1-Thematik finde ich, dass der deutsche Fußball in Bewegung kommen und mutiger werden muss, wenn er nicht den Anschluss verlieren will.
Ist das der Moment, an dem der international geprägte Spanier Fernando Carro am deutschen Wesen verzweifelt?
Carro: Nein, ich akzeptiere das so, wie es ist. Ich kann ruhig schlafen. Es ist nicht schlimm, Dinge abzulehnen. Ich finde die Art und Weise manchmal viel schlimmer. So wie auch beim Thema Investoren-Einstieg.
Der Antrag der DFL, einen Investor in der Tochtergesellschaft zuzulassen, verfehlte bei der Mitgliederversammlung die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Rund zwei Milliarden Euro wären an die DFL geflossen, um die Vermarktung der Bundesliga, vorrangig im Ausland, zu stärken. Rund 300 Millionen Euro davon hätten den Klubs zur freien Verfügung gestanden. Doch die Ablehnung war zu stark.
Carro: Dass du als Gremienmitglied erst mal einstimmig einem Antrag zustimmst, den du danach abschießt – das ist unglaublich. Da war viel Egoismus dabei. Da guckt jeder nur auf sein Konto, sagt: ‚Ich kriege zu wenig‘ und lehnt dann alles ab. Viel wichtiger als die ständige Verteilungsdiskussion wäre eine Debatte darüber, wie wir mehr Gelder erwirtschaften können – für alle.
Das fällt ja auch in den Aufgabenbereich der neu gewählten DFL-Spitze um das Geschäftsführer-Duo Dr. Marc Lenz und Dr. Steffen Merkel, die durchaus überraschend ins Amt kamen.
Carro: Ich finde es zunächst etwas schade, dass wir am Ende nicht in der Lage waren, einen gestandenen Bundesliga- Manager für diese Position zu gewinnen. Es ist immer ein Vorteil, wenn du in einem Klub gewesen bist, als wenn du immer nur den Blick aus der Zentrale kennst. Trotzdem finde ich die Herren Lenz und Merkel geeignet, sie sind sicher hervorragende Manager, die meine volle Unterstützung bekommen.
Die große Aufgabe der DFL-Führung wird, nach der gescheiterten Investoren-Frage, nun die Ausschreibung der medialen Verwertungsrechte ab 2025 sein. Wie lautet Ihre Erwartung?
Carro: Entscheidend wird sein, die No-Single-Buyer-Rule zu kippen. Das wäre erstmal gut für die Fans, da sie dann eventuell nur ein Abo abschließen müssten. Hinzu käme, dass ein Wettbieten entstehen würde, wenn ein Anbieter alles bekommen kann. Meine Erwartungshaltung ist immer noch, dass wir die Umsätze erhöhen und Wachstum erzielen.
Ihr großes Thema war auch immer die Stärkung der Auslandsvermarktung. Wie ist die Situation auf diesem Feld?
Carro: Ich sitze im Aufsichtsrat der DFL International und glaube, dass die Geschäftsführung eine ordentliche Arbeit macht. Ich gehe auch dort von einem Wachstum aus. In welcher Höhe müssen wir schauen, aber zumindest sollte es im ersten Schritt in Richtung 200 Millionen Euro gehen und dann sehr schnell weiter. Wir müssen aber dafür im Ausland als Liga mehr Präsenz zeigen.
Jüngst hatte sich BVB-Vorstand Carsten Cramer öffentlich mokiert, dass einzig der FC Bayern und Borussia Dortmund ins Ausland reisen würden, um den deutschen Fußball zu vertreten.
Carro: Das habe ich mit Verwunderung gelesen. Man sollte sich an den Fakten orientieren. Wir waren als Bayer 04 im Mai 2022 in Mexiko, im November in den USA und werden auch im nächsten Sommer wieder unterwegs sein. Aber richtig ist: Wir brauchen eine gemeinsame Strategie, um die Bundesliga im globalen Wettbewerb künftig besser zu positionieren.
Wie könnte so eine Strategie denn aussehen?
Carro: Dazu gehören vor allem die Stärkung des Vertriebs, Büros vor Ort, Reisen, kluge und nachhaltige PR-Maßnahmen, mediale Präsenz. Aber das sind alles Themen, die finanziert werden müssen und die wir ursprünglich mit den Mitteln aus dem Investoren-Deal machen wollten. Mit Geld also, das nun nicht da ist. Wir müssen nun überlegen, was davon mit den eigenen, vorhandenen Mitteln umsetzbar ist und vor allem auch eine Wirkung erzielt. Denn die Frage ist ja inzwischen, wann der Punkt erreicht ist, an dem du es international nicht mehr drehen kannst, an dem die nächsten Ligen an dir vorbeiziehen – die Italiener oder Franzosen zum Beispiel. Den wirtschaftlichen Wettbewerb mit der Premier League, den muss man auf die nächsten Jahre hin sowieso grundsätzlich abhaken. Der ist verloren.
Wie sehen Sie da Bayer 04 insgesamt aufgestellt?
Carro: Wir haben auf der Einnahmeseite viel bewegt, beim Thema Sponsoren etwa, auch beim Thema Tickets. Dort haben wir dafür die Dauerkarten im Verhältnis günstiger gemacht. Das Thema Fans ist uns wichtig, auch die Entwicklung in den Bereichen der digitalen Reichweiten und Followerzahlen ist sehr erfreulich. Da sind wir national die Nummer drei – und international mittlerweile annähernd in den Top-20. Zudem haben wir wichtige Infrastruktur-Projekte vor Augen, mit dem Haus der Talente, mit einem modernen Leistungszentrum, dessen Umsetzung in Deutschland angesichts der Bürokratie zeitraubend und kräftezehrend ist. Digitalisierung ist allgegenwärtig und hat hohe Priorität, wenn man modernen Ansprüchen genügen will. Wir haben also ein unglaublich dichtes Bündel an Themen, das wir als Klub durchaus erfolgreich beackern. Aber natürlich gibt es immer wieder noch Potenzial nach oben. Ausruhen ist nicht angesagt, wir müssen auf dem Gaspedal bleiben.
Zu dieser Entwicklung gehörten immer wieder auch personelle Veränderungen.
Carro: Definitiv. Fußball ist ein People Business. Ich habe immer versucht, überall Topleute zu holen. Denn genauso wie die Qualität der Spieler und eines Trainers wichtig sind, ist die Qualität der Mitarbeiter und der Führungskräfte im gesamten Klub entscheidend. Auch bei Bayer 04 habe ich in den vergangenen Jahren versucht, das Niveau von Führung und die Entwicklung der Organisation zu erhöhen beziehungsweise voranzutreiben.
Woran machen Sie persönlich denn Führungsqualität fest?
Carro: Als ich das erste Mal mit Simon Rolfes zusammen noch inkognito nach Spanien geflogen bin, um Xabi zu treffen, hat Simon das Sportliche abgedeckt und ich habe das Thema Führung in den Blick genommen. Führung in dem Sinne: Wie denkt er, wie tickt er, was ist seine Idee von Teamwork? Ein Trainer hat 30 Spieler und einen Staff, am Ende sind es rund 40 Mann, die quasi an ihn berichten. Eine unglaubliche Anzahl. Das gibt es in der realen Wirtschaftswelt sonst gar nicht, da sind es wesentlich kleinere Leitungsrunden. Da ist Führung ein Kernthema. Dabei geht es darum, Menschen einzubinden, ihre Ideen aufzunehmen – und zu erkennen, wenn andere in bestimmten Teilbereichen sogar etwas besser können als man selbst. Starke Führung heißt, starke Personen um sich zu scharen.
Der Videospiel-Hersteller Electronic Arts (EA) hat zusammen mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) die sechs Nominierten für die Wahl zum Bundesliga-„Spieler des Monats“ November bekannt gegeben – darunter ist mit Florian Wirtz auch ein Werkself-Profi. Fans von Schwarz-Rot können ab sofort abstimmen!
Mehr zeigenIm letzten Heimspiel der Ligaphase der UEFA Champions League 2024/25 empfängt die Werkself den tschechischen Meister Sparta Prag in der BayArena. Das Duell im Rahmen des 8. Spieltags steigt am Mittwoch, 29. Januar (Anstoß: 21 Uhr). Alle Infos zum Ticketverkauf für die Partie.
Mehr zeigenAm 8. Spieltag der VBL Club Championship waren die eSportler von Bayer 04 gegen den formstarken 1. FC Köln gefordert. Die Domstädter kassierten in der laufenden Saison erst eine Niederlage und haben sich in der Spitzengruppe der Nord-West-Division festgesetzt.
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