Eine Erfolgs­ge­schichte

Bayer 04 und seine Süd­a­me­ri­ka­ner

Seit fast vier Jahrzehnten pflegt Bayer 04 eine ganz besondere Beziehung zu Fußballern aus Südamerika. Was 1987 mit der Verpflichtung von Milton Queiroz da Paixao, besser bekannt als Tita, begann, hat sich im Laufe der Jahre zu einer bis heute anhaltenden Erfolgsgeschichte entwickelt. Vor allem Brasilianer haben den Werksklub geprägt. Arthur war im vergangenen Jahr der erste von ihnen seit Tita, der Titel mit Bayer 04 gewinnen konnte. Auch Spieler aus anderen Teilen Lateinamerikas wagten in den vergangenen 40 Jahren den Sprung über den Atlantik und schrieben wichtige Kapitel der Klubhistorie mit.

Tita machte den Anfang

Aber am Anfang war es zunächst einmal der sprichwörtliche Sprung ins kalte Wasser. Für Tita. Aber auch für Bayer 04. Denn 1987 galten südamerikanische Fußballer in Deutschland noch als Exoten. Würde das Experiment gelingen? Würde sich die brasilianische Leichtigkeit des Seins mit deutschen Tugenden wie Disziplin und Pünktlichkeit vertragen? Würde sich ein sonnenverwöhnter Fußballkünstler vom Zuckerhut im tristen deutschen Winter wohlfühlen? Es war nicht ausgemacht – aber beiden Seiten ein Versuch wert. Gut so. Denn Titas Transfer sollte ein Volltreffer werden. Der kleine große Mann aus Rio de Janeiro begeisterte die Fans unterm Bayer-Kreuz. Als Fußballer und Torjäger war er maßgeblich am ersten großen Triumph des Klubs beteiligt, dem UEFA-Cup-Sieg 1988. Und auch als herzlicher und humorvoller Mensch hinterließ er einen nachhaltigen Eindruck. Tita war so etwas wie der Türöffner für weitere Spieler-Verpflichtungen aus Süd- und Mittelamerika.

Die guten transatlantischen Kontakte des Klubs hängen eng mit der Bayer AG zusammen. Der Konzern war schon damals mit Produktionszentren und Vertriebsorganisationen in Lateinamerika sehr präsent. Und bestens vernetzt. So stellte etwa Günter W. Becker, der 1987 als Vorstandsmitglied der Bayer AG Sprecher für die Region Lateinamerika war, den Kontakt zu Tita her. Und auch bei vielen weiteren Verpflichtungen in den folgenden Jahrzehnten erwies sich die enge Verbindung zur Bayer AG als sehr hilfreich.

Tita

Der nächste Fußballer, der aus dem größten südamerikanischen Land nach Leverkusen wechselte, war Jorginho. Der defensive Mittelfeldspieler und rechte Verteidiger absolvierte zwischen 1989 und 1992 insgesamt 101 Pflichtspiele für die Werkself. Auch er schlug voll ein unterm Bayer-Kreuz. Wurde Publikumsliebling und Kapitän der Mannschaft. „Bayer 04 war damals schon der Klub in Deutschland, der am besten informiert war über den Fußball und die Fußballer in Brasilien, die Leverkusener waren die absoluten Experten auf dem Gebiet“, sagte Jorginho vor knapp zwei Jahren bei einem Besuch in der BayArena in nahezu perfektem Deutsch. Seine überragenden Qualitäten damals blieben anderen Bundesliga-Klubs natürlich nicht verborgen. Jorginho ging nach drei Jahren in Leverkusen zum FC Bayern. Und er blieb nicht der letzte Brasilianer, der diesen Weg ging. Später zog es auch Paulo Sergio, Zé Roberto und Lucio nach München.

Allesamt Profis, die von der Bayer 04-Scouting-Abteilung als Talente entdeckt worden waren und sich in Leverkusen zu Weltklasse-Spielern und Weltmeistern entwickeln konnten. Sergio holte den Titel mit der Seleção 1994 gemeinsam mit Jorginho, der damals schon bei den Bayern unter Vertrag stand. Lucio gewann die WM mit Brasilien 2002 im Finale gegen Deutschland. Und 20 Jahre später feierte erneut ein Südamerikaner in Diensten von Bayer 04 den WM-Titel. Dieses Mal ein Argentinier: Exequiel Palacios.

Neun Südamerikaner im Bayer 04-Allstar-Team

Die Fußballer aus Lateinamerika standen seit jeher für feinste Technik und Eleganz, galten als Künstler und Fußball-Ästheten. Und all diejenigen, die im Laufe der Jahre nach Leverkusen kamen, bestätigten diesen Ruf. Sie bereicherten nicht nur die Werkself, sondern die Bundesliga insgesamt. Sie sorgten für beste Unterhaltung – als begnadete Kicker auf dem Platz und oft auch als Spaßvögel in der Kabine. Paulo Sergio ist das beste Beispiel. Von 1993 bis 1997 absolvierte der Stürmer aus Sao Paulo 150 Spiele mit dem Kreuz auf der Brust, schoss 64 Tore. Und war bei aller Professionalität für jeden Schabernack zu haben.

Heute ist der 55-Jährige eine offizielle „Bayer 04-Legende“, die bei der Trophy Tour des Werksklubs in Brasilien im November 2024 an zahlreichen Veranstaltungen und Aktivitäten teilgenommen hat. Und auch Zé Roberto – noch so ein Fußballkünstler, der sich in die Herzen der Werkself-Fans gespielt hat – war in Sao Paulo dabei, als im Goethe-Institut die Premiere der Bayer 04-Doku „A Dream Comes True“ gezeigt wurde. Von 1998 bis 2002 verzauberte der Mittelfeldspieler das Publikum mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten. Er absolvierte 113 Bundesligaspiele für Schwarz-Rot, schoss 18 Tore. Leider blieb ihm in der Triple-Vize-Saison 2001/02 ein Titel mit Bayer 04 verwehrt.

Emerson ist für mich einer der besten Spieler, der jemals für Bayer 04 gespielt hat. Er würde bei mir in jeder Welt-Elf auftauchenRudi Völler, lange Jahre Sport-Funktionär bei Bayer 04

Auch Emerson ging titeltechnisch leider leer aus. Über den genialen Mittelfeldstrategen, der zwischen 1997 und 2000 insgesamt 82 Ligaspiele (11 Tore) für die Werkself bestritt, sagte Rudi Völler einmal: „Aus meiner Sicht ist er einer der besten Spieler, der jemals für Bayer 04 gespielt hat. Emerson würde bei mir in jeder Welt-Elf auftauchen.“ Nun, der spätere Kapitän der brasilianischen Nationalmannschaft schaffte es 2019 jedenfalls in das Bundesliga-Allstar-Team des Werksklubs. Die Fans von Schwarz-Rot hatten anlässlich des 40-jährigen Bundesliga-Jubiläums von Bayer 04 aus 294 Spielern wählen können. Von den 40 Profis mit den meisten Stimmen kamen neun Spieler aus Südamerika, also fast ein Viertel. Neben Emerson zählten auch seine Landsleute Jorginho, Juan, Lucio, Renato Augusto, Zé Roberto und Paulo Sergio sowie der Argentinier Diego Placente und der Chilene Arturo Vidal zum Kader der Allstars. Spieler, die die Bayer 04-Geschichte maßgeblich mitgeschrieben und geprägt haben. Und die andererseits den Klub aus dem Rheinland in ihren Ländern bekannt und beliebt gemacht haben.

Rekordspieler Wendell

Aus der jüngeren Vergangenheit zählen zu solchen Spielern selbstverständlich auch der Chilene und ehemalige Bayer 04-Kapitän Charles Aránguiz, der Brasilianer Wendell und der Mexikaner Chicharito. Aránguiz trug fast acht Jahre (von 2015 bis April 2023) das Werkself-Trikot – so lange wie bisher kein anderer Südamerikaner. Derjenige mit den meisten Spielen für Bayer 04 war jedoch Wendell. Er kam 2014 als 20 Jahre altes Talent aus Gremio Porto Alegre nach Leverkusen und stand bis 2021 in 250 Pflichtspielen für die Werkself auf dem Platz. Nach sieben Jahren in Leverkusen wechselte der stets gut gelaunte linke Verteidiger zum FC Porto, wurde mit dem Klub portugiesischer Meister und dreimal Pokalsieger. Inzwischen ist der 31-Jährige wieder zurück in der Heimat und spielt aktuell für den FC Sao Paulo.

Charles Aránguiz, Chicharito, Wendell

Chicharito wiederum kam bereits als mexikanische Fußball-Legende unters Bayer-Kreuz, war Nationalspieler seines Landes und wurde während seiner Leverkusener Zeit Rekordtorschütze Mexikos mit insgesamt 52 Toren in 109 Länderspielen. Auch bei Bayer 04 kam der Stürmer zwischen 2015 und 2017 auf eine starke Quote, traf 28-mal in seinen 54 Bundesligaspielen. Und sorgte nebenbei in seiner fußballbegeisterten Heimat für einen Popularitätsschub des Werksklubs. In der BayArena sah man in dieser Zeit vermehrt Fans mit Sombreros auf den Tribünen.

Arthur und Co. feiern Meisterschaft und Pokalsieg

So großartig die Spieler aus Lateinamerika auch waren, so sehr sie das Publikum begeisterten: Einen Titel mit der Werkself hatte bis zum vergangenen Jahr nur Tita gewonnen, der erste Brasilianer unterm Kreuz. Erst in der historischen Saison 2023/24 konnte Bayer 04 unter Beteiligung von vier Südamerikanern endlich wieder etwas in den Händen halten. Der Ecuadorianer Piero Hincapie, der Brasilianer Arthur, der Argentinier Exequiel Palacios und der Kolumbianer Gustavo Puerta trugen ihren Teil zum Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft und zum Triumph im DFB-Pokal bei. Darüber freute sich auch Bayer 04-Legende Paulo Sergio riesig: „Ich habe so viele tolle Erinnerungen an meine Jahre in Leverkusen. Es ist wie eine zweite Familie. Während es meiner Generation nie gelungen ist, mit Leverkusen den Meistertitel zu gewinnen, waren wir alle, die wir für Bayer 04 gespielt haben, sehr stolz auf das, was die Mannschaft im vergangenen Jahr erreicht hat. Ich hatte das Glück, zu mehreren Spielen reisen und einen Teil dieser historischen Saison miterleben zu dürfen.“ Und Simon Rolfes, Geschäftsführer Sport bei Bayer 04, betonte: „Es gibt so viele großartige brasilianische Stars und Persönlichkeiten, die im Laufe der Jahrzehnte zur Entwicklung unseres Klubs beigetragen haben. Darauf sind wir sehr stolz. Die Trophäen, die Arthur in der vergangenen Saison mit uns gewonnen hat, hat er auch für alle Brasilianer gewonnen, die zuvor bei Bayer 04 gespielt haben.“

Arthur, Piero Hincapie, Exequiel Palacios

Den traditionell engen Draht zu den beiden amerikanischen Kontinenten wird Bayer 04 auch in Zukunft pflegen. Und gegen weitere Trophäen hätte sicher auch niemand etwas einzuwenden...

Bayer 04 und Amerika - alle Spieler im Überblick

Spieler aus Brasilien (24):

  • Tita, 1987-1988

  • Jorginho, 1989-1992

  • Paulo Sergio, 1993-1997

  • Rodrigo Chagas, 1995-1996

  • Ramon Menezes, 1995-1996

  • Zé Elias, 1996-1997

  • Emerson, 1997-2000

  • Paulo Rink, 1997-2001

  • Zé Roberto, 1998-2002

  • Robson Ponte, 1999-2001

  • Marquinhos, 2000-2002

  • Lucio, 2001-2004

  • França, 2002-2005

  • Juan, 2002-2007

  • Cris, 2003

  • Roque Junior, 2004-2007

  • Athirson, 2005-2007

  • Renato Augusto, 2008-2012

  • Henrique, 2008-2009

  • Carlinhos, 2012-2013

  • Wendell, 2014-2021

  • André Ramalho, 2015-2016

  • Paulinho, 2018-2022

  • Arthur, seit 2023

Spieler aus Argentinien (5):

  • Diego Placente, 2000-2005

  • Lucas Alario, 2017-2022

  • Exequiel Palacios, seit 2020

  • Emiliano Buendia, seit 2025

  • Alejo Sarco, seit 2025

Spieler aus Chile (3):

  • Arturo Vidal, 2007-2011

  • Junior Fernandes, 2012-2013

  • Charles Aránguiz, 2015-2023

Spieler aus Kolumbien (3):

  • Michael Ortega, 2011-2012

  • Santiago Arias, 2020-2021

  • Gustavo Puerta, seit 2023 (derzeit ausgeliehen)

Spieler aus Mexiko (2):

  • Andrés Guardado, 2014

  • Chicharito, 2015-2017

Spieler aus Jamaika (2):

  • Leon Bailey, 2017-2021

  • Demarai Gray, 2021

Spieler aus Ecuador (1):

  • Piero Hincapie, seit 2021