Seinen Namen bringen nur wenige Werkself-Fans mit der phänomenalen Saison 2001/02 in Verbindung. Und doch war Anel Dzaka Teil der Mannschaft, die damals auf nationaler und internationaler Ebene begeisternden Fußball spielte. Der Mittelfeldakteur trainierte stets bei den Profis unter Klaus Toppmöller, kam aber fast ausschließlich in der zweiten Mannschaft zum Einsatz.
„Und trotzdem war es für mich eine fantastische Zeit“, sagt Dzaka. „Ich durfte mit all diesen tollen Spielern trainieren – mit Lucio, Zé Roberto, Jens Nowotny, Dimitar Berbatov, Ulf Kirsten, Michael Ballack und so vielen anderen mehr. Da war so unfassbar viel Qualität auf dem Platz versammelt. Das hat mich in meiner sportlichen Entwicklung extrem weitergebracht.“
Immerhin: Einmal konnte Dzaka dann doch für die Werkself in dieser denkwürdigen Spielzeit auflaufen. Im letzten Bundesliga-Spiel des Jahres 2001 kam er in der Partie beim VfL Wolfsburg unverhofft zu einem 85-minütigen Einsatz, weil Yildiray Bastürk kurzfristig ausgefallen war. „Na ja, das Spiel fand bei unglaublich schlechtem Wetter statt. Es regnete über 90 Minuten, und wir zeigten auch nicht gerade unser bestes Gesicht“, erinnert sich Dzaka mit einem Schmunzeln. Bayer 04 verlor mit 1:3, blieb aber Tabellenerster und wurde „Wintermeister“.
Für Dzaka war’s ein unvergessliches Erlebnis. Ein Jahr zuvor hatte er unter Trainer Berti Vogts sein Bundesliga-Debüt beim 3:0-Heimsieg gegen Werder Bremen gegeben. „Es war in dieser Zeit für einen jungen Spieler wie mich schwer, oben bei den Profis Fuß zu fassen. Später kamen dann mit Jan-Ingwer Callsen-Bracker, Gonzalo Castro und René Adler wieder mehr Jungs aus dem eigenen Nachwuchs hoch. Aber damals war ich schon stolz, überhaupt einen Profi-Vertrag angeboten bekommen zu haben.“ Als 17-Jähriger hatte Dzaka 1997 seinen ersten Kontrakt als Lizenzspieler unterschrieben.
Erst zwei Jahre zuvor war er vom FC Germania Dürwiß nach Leverkusen gewechselt. Gemeinsam übrigens mit Markus Daun, seinem guten Freund, der wie Dzaka später bei den Profis trainierte und meistens bei den Amateuren spielte. Heute ist Daun Co-Trainer bei der U19 von Bayer 04. „Er ist wie ein Bruder für mich“, sagt Dzaka, der 1980 in Sarajevo geboren wurde und im Alter von zwölf Jahren mit einer Tante und einem Onkel nach Deutschland flüchtete. „Meine Eltern lebten damals getrennt, meine Schwester blieb mit meiner Mutter in der Heimat. Mein Vater fiel 1995 im Bosnien-Krieg, als ich gerade zu Bayer 04 gewechselt war.“ Harte Zeiten.
Leverkusen wurde das neue Zuhause für Anel. Am Kurtekotten zog man den torgefährlichen, vielseitig einsetzbaren Mittelfeldspieler schon als B-Jugendlichen zu den A-Junioren hoch. Später spielte er bei den Amateuren in der Oberliga, stieg mit ihnen schließlich in die Regionalliga Nord auf. Und auch wenn ihm der Durchbruch im Lizenzkader von Bayer 04 nicht gelang, schwärmt der heute 41-Jährige immer noch von der Saison 2001/02. Dzaka stand bei vielen Champions-League-Spielen im Kader. Einmal, beim 0:1 im Viertelfinale an der Anfield Road in Liverpool, hatte er sich während der Partie hinter dem Tor lange warm gemacht. „Eigentlich rechnete ich jeden Moment damit, dass unser Co-Trainer Peter Hermann mich zu sich rufen würde, aber ich kam dann doch nicht mehr zum Einsatz“, erinnert sich Dzaka. Immerhin sicherte er sich nach der Partie beim Trikottausch das Dress des Tschechen Vladimir Smicer.
Bei einigen anderen internationalen Spielen in dieser legendären Saison stand Dzaka ebenfalls im erweiterten Kader. „Ich habe im Training immer Vollgas gegeben und mir so den Respekt der anderen erarbeitet. Auch Klaus Toppmöller und Peter Hermann gaben damals jedem Spieler, auch denen in der zweiten Reihe, das Gefühl, ein wichtiger Bestandteil des Teams zu sein. Das hat alles auch menschlich hervorragend gepasst.“ Dzaka gehörte auch beim Finale in Glasgow dem Kader an. Dass er das 1:2 gegen Real Madrid – wenn auch nur von der Bank aus – miterleben durfte, erfüllt ihn mit Stolz. „All diese großartigen Momente aus der Saison 01/02 kann mir niemand mehr nehmen. Das ist doch etwas, wovon ich meinen Enkeln noch erzählen werde.“
Acht Jahre lang trug Anel Dzaka insgesamt das Trikot mit dem Kreuz auf der Brust. Er bestritt 4 Pflichtspiele für die Werkself und kam auf knapp 100 Partien für die zweite Mannschaft in der Oberliga und der Regionalliga. In seiner Leverkusener Zeit absolvierte er, der inzwischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, ein Spiel für die deutsche U21-Auswahl.
Im Sommer 2003 wechselte Dzaka zunächst für ein Jahr auf Leihbasis zum Zweitliga-Aufsteiger VfL Osnabrück, für den er im August gleich mal ein spektakuläres „Tor des Monats“ erzielte: ein bei einem Hechtsprung mit der Hacke erzielter Treffer in zirkusreifer Manier. Es folgten weitere Stationen bei der TuS Koblenz, beim 1. FC Kaiserslautern und dem SC Rot-Weiß Oberhausen. Zwischendurch aber ging Dzaka immer wieder zur TuS Koblenz zurück, dem Klub, bei dem er Kapitän und Publikumsliebling war und wo er 2015 seine aktive Karriere auch beendete. Anschließend machte der Bosnier seine Trainerscheine, übernahm zunächst die U17 von TuS Koblenz, im Frühjahr 2018 dann die erste Mannschaft des Klubs in der Regionalliga Südwest. „Nach fast vier Jahren haben sich unsere Wege vor einem Monat getrennt“, sagt Dzaka, der freigestellt ist und dessen Vertrag noch bis zum Sommer 2022 läuft.
Mit seiner Frau und den beiden Kindern Lana (17) und Daris (10) fühlt er sich nach wie vor sehr wohl in Koblenz. Aber er kommt auch immer wieder gerne nach Leverkusen, schaut sich hier nicht nur ab und an die Spiele der Werkself an, sondern ebenso die Partien der U19. Und seit einiger Zeit tritt Anel Dzaka auch hin und wieder für die Traditionsmannschaft von Bayer 04 an. Irgendwann will er sich für den Fußballlehrer-Lehrgang anmelden. „Doch jetzt möchte ich erst einmal bei dem einen oder anderen Klub hospitieren, mich weiterentwickeln, dazulernen.“
Aber er freut sich auch darüber, endlich mal wieder mehr Zeit dafür zu haben, Kontakte zu pflegen. Wie die zu Marko Babic oder Boris Zivkovic, seinen ehemaligen Mannschaftskollegen von Bayer 04. Gute Freunde, die er manchmal vor Ort in Kroatien trifft. Und die natürlich wissen, dass auch Anel Dzaka damals seinen Teil zu einer außergewöhnlichen Saison beigetragen hat.