1983 und 1986: Die Müt­ter aller Der­by­siege

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In 40 Jahren Bundesliga hat Bayer 04 viele Erfolge und schöne Momente erlebt. Ein Dreier im Derby gegen den Nachbarn aus Köln zählte dabei schon immer zu den besonderen Freuden. Ziemlich genau vor 35 Jahren stellten die Leverkusener dem FC erstmals ein Bein.

Süßer die Siege nie schmecken, als in der Derby-Zeit – ein Erfolg gegen den 1. FC Köln fühlt sich für einen Werkself-Fan ganz besonders fein an. Immer schon und nach wie vor. Bis es in der Bundesliga aber mal geklappt hat mit einem Dreier gegen den etablierten Nachbarn, musste sich Bayer 04 einige Jahre gedulden. Vier, um genau zu sein. Beim allerersten Aufeinandertreffen nach dem Aufstieg 1979 durften die Leverkusener immerhin schon mal dran schnuppern. Klaus Bruckmann brachte die Hausherren im mit 22.000 Zuschauern ausverkauften Haberland-Stadion mit einem Kopfball in Führung (71.), doch acht Minuten vor Schluss egalisierte Kölns Torjäger Dieter Müller zum 1:1-Endstand.

Auch in den sieben folgenden Derbys gab es für den Underdog in Schwarz und Rot nichts zu feiern, immerhin sprangen aber vier weitere Unentschieden heraus. Ohnehin nahmen die Kölner, in jenen Jahren durchaus noch vom Erfolg verwöhnt mit dem Double 1978, der Vizemeisterschaft 1982 und dem DFB-Pokalsieg 1983, den Emporkömmling von der anderen Rheinseite noch nicht so ganz für voll. „Leverkusen haben wir in den ersten Jahren nicht besonders ernst genommen. Unser Derby fand gegen Gladbach statt“, erinnert sich Hans-Peter Lehnhoff, dessen erfolgreiche Profi-Karriere beim FC 1984 begonnen hatte. Auch die Zuschauer in Müngersdorf fanden Bayer 04 als Gegner nicht sonderlich attraktiv: In den ersten Gastspielen der Werkself fiel die Zahl der zahlenden Anhänger höchst überschaubar aus, den 4:1-Sieg des FC am 19. April 1983 etwa wollten gerade mal 7.000 Fans sehen.

 

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Da kommt Freude auf: Bayer 04 feiert den ersten Bundesliga-Sieg gegen den FC. Rüdiger Vollborn, Trainer Dettmar Cramer, Jürgen Gelsdorf und der überragende Dieter Bast (von rechts) wissen's zu genießen.

Ein gutes halbes Jahr später, am 9. Dezember 1983, hüpfte Schwarz-Rot dann aber endlich mal so richtig vor Freude. Wieder hatte zunächst einiges auf Köln als Sieger gedeutet, nachdem Klaus Allofs den Favoriten im Haberland-Stadion schon nach sechs Minuten mit einer direkt verwandelten Ecke kurios in Führung geschossen hatte. So weit, so standesgemäß. Aber an diesem Freitagabend unter Flutlicht wendeten sich Blatt und Geschehen. Nach einem Angriff über rechts kam Herbert Waas acht Meter vor dem Tor in Position, lupfte sich den Ball selbst noch mal an und überwand Toni Schumacher flach ins lange Eck – der Ausgleich (33.).

Dem Jubel bei den Bayer 04-Fans folgte nach knapp einer Stunde der kollektive Freudenschrei, als Bum-kun Cha etwas glücklich im Strafraum zum Schuss und vollendete cool mit links zum 2:1 für die Werkself (im Bild ganz oben zu sehen). Die letzte halbe Stunde stemmten die Leverkusener den Erfolg mit Macht über die Zeit, aus einem Team ohne jeden Schwachpunkt ragten Libero Dieter Bast und der unermüdliche Cha noch heraus. Endlich war's vollbracht, der erste Derbysieg in der Bundesliga gegen den FC eingetütet – und so mancher Bayer 04-Fan wird in dieser Freitagnacht den Rausch des Sieges mit einem ordentlichen Kater am nächsten Morgen bezahlt haben.

Zum Feiern ohne Reue war den Bayer 04-Anhängern auch gut zwei Jahre später am 31. Januar 1986. Wieder ein Freitagabend, wieder unter Flutlicht – und wieder dieser Klaus Allofs schon nach sechs Minuten! Kölns Nationalspieler überwand Rüdiger Vollborn mit einem strammen Schuss ins Eck zur zeitigen Führung des FC. Drei Minuten klingelte es erneut im Leverkusener Kasten, und Vollborn schaute recht schuldbewusst in die Gegend. Allofs hatte hinter der Mittellinie einen langen Pass auf Uwe Bein geschlagen, Vollborn lief dem Adressaten entgegen und aus seinem Strafraum heraus, als die zu weit geschlagene Kugel auftitschte, auf dem knochenhart gefrorenen Rasen unerwartet viel Fahrt bekam, über den verdutzten Vollborn flog und ins verlassene Tor hoppelte, auch wenn der Bayer 04-Keeper noch auf allen Vieren hinterherkrabbelte.

 

Außerhalb des Strafraums war ich schon immer schlecht aufgehoben

„Ich wär' am liebsten im Boden versunken“, sagt Vollborn über den Treffer, der am Jahresende in jedem Rückblick auftauchte und zur Schadenfreude animierte. Shit happens, so ist es halt mal! Es zeichnet den Bayer 04-Rekord-Bundesligaspieler aus, dass er danach nicht einknickte in der Leistung, sondern sich berappelte und wieder als tüchtiger Rückhalt diente. Heute kann er über seinen Fauxpas herzlich schmunzeln. „Außerhalb des Strafraums war ich schon immer schlecht aufgehoben“, sagt „Rudi“, „dabei hätte ich den Ball nach den heutigen Regeln einfach mit der Hand nehmen sollen, hätte eine Gelbe Karte kassiert und nix wär weiter passiert.“

Doch auch für ihn sollte sich dieser trüb begonnene Freitagabend noch richtig fröhlich fügen. Was daran lag, dass die Leverkusener nach dem 0:2-Pausenrückstand in Hälfte zwei eine unglaubliche sportliche Auferstehung erfuhren. Wobei, bei genauerem Hinsehen war's gar nicht so unglaublich. Eher eine Blaupause des Ereignisses eine Woche zuvor im Haberland-Stadion gegen den Hamburger SV. Da hatte Erich Ribbecks Team zur Pause ebenfalls 0:2 hinten gelegen, was der Trainer mit der Hereinnahme von Minas Hantzidis quittierte. Der Grieche aus Wuppertal machte mit Hamburgs Abwehr den Molli und trug mit seinen flotten Aktionen in der Offensive maßgeblich dazu bei, dass Bayer 04 die Partie noch drehte und 3:2 gewann.

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Ein nie zu bremsender Wirbelwind: Minas Hantzidis war erheblich am Umschwung in Köln beteiligt.

Genau daran dachte Ribbeck auch bei Halbzeit in den Müngersdorfer Katakomben. „Wir bringen gleich den Minas rein und machen es dann wie letzte Woche“, gab der Coach den Seinen in der Pause mit auf den Weg. Sieben Minuten nach Wiederanpfiff glückte Thomas „Atze“ Zechel, wenige Tage zuvor gerade 21 geworden, mit einem verwegenen Schuss fast von der Torauslinie an Schumacher vorbei der Anschluss. Zechel, ein frecher Dachs aus Berlin und bei allem Talent den Vergnügungen des Daseins gegenüber immer sehr aufgeschlossen, machte das Spiel seines Lebens an diesem Freitagabend in Köln, wusste dieses verheißungsvolle Versprechen später aber nie wieder einzulösen.

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Der Ausgleich: Bum-kun Cha bejubelt seinen Treffer zum 2:2.

Drei Minuten nach Zechels 1:2 kam Minas Hantzidis ins Spiel – und schüttelte Kölns Verteidigung so was von durch, dass den Steiners, Prestins und Geils' rasch Hören und Sehen verging. Spätetens, als Bum-kun Cha den wie eine Flipperkugel umherspringenden Ball geistesgegenwärtig zum 2:2 im Netz versenkte (72.), gab's kein Halten mehr unter den 3.000 Bayer 04-Fans, die die Partie jetzt kurzerhand zu einem Heimspiel machten. Zur Erwähnung: Der Kölner Rückhalt bestand an diesem Abend aus 7.000 Zuschauern. Und die packte das nackte Grauen, als Herbert Waas eine punktgenaue Flanke von Hantzidis mit dem Kopf zum 3:2-Siegtreffer der Leverkusener ins Tor nickte (78.). Im 14. Bundesliga-Derby zwischen dem FC und der Werkself war die Festung Müngersdorf endlich gefallen. „Wir sind danach ins Erholunghaus gefahren und haben noch mit den Fans einen gehoben“, sagt Vollborn, dessen Patzer beim 0:2 sich nach einigen Kölsch gar nicht mehr ganz so gravierend anfühlte.

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Ein historisches Tor: Herbert Waas sorgt mit einem Kopfball für den ersten Bayer 04-Erfolg in Müngersdorf. Toni Schumacher und Dieter Prestin haben das Nachsehen.

Für Bayer 04 fühlte sich dieser Triumph auf Kölner Boden so großartig an, dass er acht Monate später noch einmal eindrücklich untermauert wurde: Am 2. September 1986 war es keine Aufholjagd mehr, sondern eine pure Demonstration der sportlichen Macht, als Wolfgang Rolff, Herbert Waas, Falko Götz und Christian Schreier zum 4:1-Sieg beim FC trafen. Die Kräfteverhältnisse im Derby begannen sich in jenen Jahren nachhaltig zu verschieben, die Bilanz spricht mittlerweile klar für die Werkself bei 23 Siegen, 24 Unentschieden und 15 Kölner Erfolgen. Zeitweilig hatte der FC gar nichts mehr zu bestellen und blieb von 1997 bis 2011 in 15 aufeinanderfolgenden Partien gegen Bayer 04 komplett sieglos. Der erfolgreichste Bayer 04-Torjäger in den Duellen mit den Kölnern war übrigens Ulf Kirsten, dem ein Dutzend Treffer im Derby gelangen, gefolgt von Herbert Waas (6).

Hier gibt's die beiden ersten Derbysiege gegen Köln im Bewegtbild

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